09/2024

»Tim Burtons irre Abenteuer« – Seine Filme sind Popgeschichte. Über den Meister der dunklen Materie +++ 

»Es ist echter Film!« – Sieht man den Unterschied zwischen Zelluloid und digitalem Film? Schwer zu sagen. Aber man fühlt ihn +++ 

»Ihr eigener Spezialeffekt« – Nadia Tereszkiewicz versprüht Bardot-Vibes und filtert Klischees durchs MeToo-Raster +++ 

Im Kino: Megalopolis | Sad Jokes | The Substance | Favoriten | Trap (mit Interview M. Night Shyamalan) | Rosalie +++

Streaming: Filme von Ira Sachs | Die Ringe der Macht (mit Interview Morfydd Clark) | The Instigators | Seconds | Klitschko +++

In diesem Heft

Tipp

Pidax hat in einer Box sechs Agenten-Filme veröffentlicht, die genre­übliche Motive variieren und erweitern.
Mehr als nur ein Kampf: Oscarpreisträger Kevin Macdonald rekapituliert den sportlichen Erfolg der Klitschko-Brüder vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges.
Keineswegs der übliche »Scandic Noir«: In dem finnisch-deutschen Krimidrama »Seconds« wird eine Katastrophe Ausgangspunkt einer epischen Erzählung.
In der vierten Staffel der britischen Serie »Slow Horses« kämpfen aussortierte Agenten mit vereinten Schwächen gegen einen übermächtigen Gegner.
Die zweite Staffel von »Ringe der Macht« schließt direkt an die erste an: In Mittelerde sammeln Gut und Böse jeweils ihre Truppen.
Die BBC-ZDF-Koproduktion »A Good Girl's Guide to Murder« bietet nur wenig mehr als kalkulierte Routine.
Streaminganbieter Mubi zeigt die ersten Filme, die der amerikanische Independent-Regisseur Ira Sachs in den 90er und nuller Jahren gemacht hat.
Was Überleben kostet: Auch die zweite Staffel von »Pachinko« verbindet auf grandiose Weise Familiengeschichte und große Historie.
In seinem – nach »Road House« für Amazon Prime – bereits zweiten exklusiv für einen Streaminganbieter gedrehten Film versucht Doug Liman, Heist-Drama und lakonische Komödie zu verbinden. Matt Damon und Casey Affleck spielen zwei Bankräuber ohne Erfahrung oder Expertise.
Prominent besetzte, aber biedere Filmbiografie über die berühmte Fotografin Lee Miller, die der Komplexität der Hauptfigur nicht gerecht wird.
Die Adaption von Carl Hiaasens Süd-Florida-Krimigeschichte versucht, den Ton und die Atmosphäre der Vorlage zu treffen: tropische Hitze und entspannter, schwarzer Humor mit einem großartigen Vince Vaughn im Zentrum.
Am 17.9. spricht epd Film-Autor Ulrich Sonnenschein im Kino des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums mit Regisseurin Natja Brunckhorst über ihre prominent besetzte Gaunerkomödie »Zwei zu Eins«.

Thema

Seine Filme haben Popgeschichte geschrieben. Und werden generationsübergreifend geliebt. Mit »Beetlejuice Beetlejuice« knüpft Burton nun an seine frühen Werke an – und an eine Zeit, in der keine Franchise-Regeln seine anarchische, dem Versponnenen und Schaurigen zugeneigte Fantasie einengten.
Sieht man den Unter­schied zwischen Zelluloid und digitalem Film? Schwer zu sagen. Immer mehr Regisseure und Kameraleute meinen aber: Man fühlt ihn. Rudolf Worschech über eine analoge Welle im aktuellen Kino.

Meldung

»Es ist ein wahnsinniger Moment, wenn der Film aus dem Labor kommt« – »Cuckoo«-Regisseur Tilman Singer über die Schönheit des analogen Drehs.

Filmkritik

In der bewährten Mischung aus komischen, ernsthaften und gefühlvollen Noten bringt der Film Uwe Ochsenknecht und Corinna Harfouch unter existenziell dringlichen Bedingungen als Paar zusammen.
Fünf junge Frauen und mindestens genausoviel Haie. Leider weicht die englische Regisseurin in ihrem Überlebensthriller kaum von der gewohnten Formel ab.
Laurens Pérol macht seine Geschichte um eine junge Klimaaktivistin und Trompetenspielerin, die von den Lofoten nach Oslo trampt, zu einer klugen Reflexion über Beharrlichkeit und Training; mit malerischen Bildern von Norwegen.
Der schwule Regisseur Joseph zieht mit seiner an Depressionen leidenden besten Freundin Sonya den gemeinsamen Sohn auf und arbeitet an seinem neuen Film. In seinem zweiten Film verfeinert Fabian Stumm seinen im deutschen Kino aktuell einzigartigen Freejazz der Tonalitäten, bei dem sich verspielt mediale Reflexion und ein Pingpong zwischen Kunst und Wirklichkeit die Klinke in die Hand geben.
Eindrückliche Verfilmung von Fatma Aydemirs gleichnamigen Roman um eine 18-Jährige mit türkischen Wurzeln, für die es keinen Platz in der deutschen Gesellschaft zu geben scheint.
Eine schwedische Dokumentation will ein Familiengeheimnis aufklären und entwickelt sich langsam, aber stetig zu einem Familiendrama. Das ist spannend und anrührend zugleich.
Ein Bauleiter, auf dessen Baustelle ein Illegaler umgekommen ist, und die 14-jährige Tochter des Schwarzarbeiters, die ihren Vater sucht. Tuna Kaptan gelang ein sensibles und behutsames Drama, das um Schuld und Verantwortung kreist.
Die beeindruckende Materialfülle, eine kunstvoll-suggestive Montage und interessante Interviewpartnerinnen reichen nicht aus, um die Verdichtung und Prägnanz des ersten Teils zu erreichen, regen aber dazu an, sich mehr mit den Frauen in der DDR zu beschäftigen.
»Die Liebe kommt und geht, aber das Land besteht«, lautet eine alte polnische Bauernweisheit, die der neue Film der Animationskünstler Dorota Kobiela und Hugh Welchman auf den Prüfstand stellt.
Mittels eigener und fremder Archivfilme zeigt Farahnaz Sharifi ein Panorama der bescheidenen Feste, Freuden und Geselligkeiten als (über-)alltäglichen Widerstand gegen das iranische Regime.
Angelehnt an den gleichnamigen Roman des italienischen Autors Cesare Pavese erzählt die Regisseurin Laura Luchetti vom mühsamen Selbstfindungsprozess einer jungen Frau vom Land im Turin des Jahres 1938.
Anders als ihr Kollege Thomas Vinterberg nutzt Annika Appelin das Familienfest nicht als Katalysator für einen existenziellen Schlagabtausch, sondern eher verspielt und sinnlich als Karussell neuer Möglichkeiten, als kleiner Schubs aus den festgefahrenen Bahnen des Lebens: Man könnte ja noch mal was ganz Neues probieren, alte und neue Leidenschaften wiederentdecken.
Eher ein Image- denn ein Dokumentarfilm über die spanische Weinbauregion Rioja, in dem sich, leider ohne jedes erkennbare Konzept, Vignetten aus Geschichte und Gegenwart dortiger Vinifizierung aneinanderreihen.
An schauspielerischer Kraft und Präsenz hat Russell Crowe bis heute nichts eingebüßt. Adam Coopers Thriller über einen Ex-Cop mit Alzheimer, der noch mal einen alten Fall aufrollt, ist aber leider ein unterdurchschnittlicher Thriller mit Noir-Elementen, der im Kino eigentlich nichts verloren hat.
Leichte und zugleich überdrehte Feelgood-Komödie über einen autistischen Jungen und der Überforderung insbesondere seines Vaters, der mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat.
Berührendes Drama um die somalische Läuferin Samia Yussuf Omar, die 2008 bei Olympia antrat und 2012 im Mittelmeer ertrank. Dabei stehen sich Realismus und sentimentale Überhöhung gegenüber, während die Rekonstruktion der Ereignisse teilweise Lücken aufweist.
Ein visionärer Architekt will eine Stadt umbauen, ein Bürgermeister ist dagegen. Dieser – vielleicht – bewusst schlecht verrührte Mix aus Allegorie und Überdeutlichkeit, Male Gaze und Schauspielkunst wird mit Glück in jener Zukunft goutiert, in der er spielt.
Überdrüssig, auf die Rolle des Narren festgelegt zu sein, imaginiert sich eine Marionette als heldenhafter Ritter. Ein Animationsfilm auf den Spuren von Toy Story (an dem die Autoren mitgeschrieben haben), der seine disparaten Elemente (die altmodischen Marionetten und ein rappendes Spielzeugplüschtier) nie wirklich zusammenbringt, aber durch die imaginierten Abenteuer als Zeichentrickfilm ebenso gefällt wie durch das Lob der Zusammenarbeit.
Prominent besetzte, aber biedere Filmbiografie über die berühmte Fotografin Lee Miller, die der Komplexität der Hauptfigur nicht gerecht wird.
Die substanz- und materialreiche Würdigung einer auch für die heutigen sozialen Bewegungen bedeutsamen Kämpferin der 1980er.
Ein starkes Plädoyer für einen überfälligen Umbruch der Geschlechterrollen im Theater, der auch Präsenz und Erfahrungen älterer Frauen einbezieht.
Im Land Schirkoa ist jegliche Individualität ausgelöscht, die Menschen müssen ihre Gesichter mit Papiertüten bedecken. Aber findet sich jenseits der Landesgrenzen in Konthaqa wirklich das Paradies? Eine diskussionswürdige Dystopie entwirft Ishan Shukla in seinem Animationsfilm, dessen faszinierende Bilder auf Techniken aufbauen, die in der Game-Industrie entwickelt wurden.
Felix Maria Bühlers Film aus dem Inneren des deutschen Klimaaktivismus ist besonders eindrücklich, weil er neben Demos und Auseinandersetzungen auch Konflikte und Zweifel seiner Helden und Heldinnen zeigt.
Die sensible Annäherung jenseits reißerischer True Crime-Formate gibt einen seltenen Einblick in die Gefühlswelt der trauernden Eltern eines Mörders, wäre aufgrund der filmischen Form auf dem TV-Bildschirm besser aufgehoben als im Kino.
Basierend auf einem wahren Fall zeichnet Regisseurin Stéphanie Di Giusto das Porträt einer Frau mit starker Körperbehaarung, die der Gesellschaft ihrer Zeit die Stirn bietet. Unkonventionelles, aber am Ende dann doch eher zahmes Historiendrama.
Julia von Heinz erzählt die Geschichte einer Spurensuche in Polen 1991. Der Film nähert sich mit Leichtigkeit und Humor, manchmal auch mit dokumentarfilmisch anmutender Distanz Themen wie Weiterleben und Tod – ohne jemals ihre existenzielle Wucht und Würde anzutasten.
Rund drei Jahre lang hat Dokumentarfilmerin Ruth Beckermann eine Wiener Grundschulklasse begleitet. Herausgekommen ist ein so differenzierter wie hoffnungsvoller Blick in eine diverse, durch eine engagierte Lehrerin zusammengeschweißte Schulklasse.
Aufwühlender Dokumentarfilm über die Mühsal und die andauernde Ungerechtigkeit, was die Aufarbeitung von Missbrauch in Kinderheimen betrifft.
Blutige Body-Horror-Satire über den Sexismus und Jugendwahn der ­Unterhaltungsbranche, die mit Starbesetzung, grellen Schockeffekten und lautem Getöse aufwartet, in ihrer Kritik aber merkwürdig substanzlos bleibt.
In ihrem Regiedebüt serviert Zoe Kravitz eine Cinderella-Story mit finsterem Twist und mischt das neue Feld feministischer Thriller mit neuen Ideen und tollem Ensemble auf.
In der von Eli Roth inszenierten Realfilm­adaption des Videogames schaut man ein paar tendenziell spannenden Charakteren dabei zu, wie sie um sich ballern, nur ohne Belohnung. Das ist genauso lahm, wie es klingt.
Gestern für tot erklärt, heute wieder auferstanden: Das Superhelden-Genre zeigt erneut, dass selbstironisches Geplänkel in Kombination mit den bewährten sympathischen Helden und ein bisschen Action-Getue für einen Kinoerfolg ausreicht.
Mit seiner Mischung aus invertiertem Thriller und schwarzer Komödie inszeniert M. Night Shyamalan einen filmischen Bluff, der nicht durchweg überzeugt.
Die »Alien«-Saga ist ziemlich in die Jahre gekommen: So einfach ist es nicht mehr, sich das Publikum zur Beute zu nehmen. Fede Alvarez und sein Co-Autor Rodo Sayagues versuchen es dennoch. Das kardinale Problem des Franchise, dass die gefährlichste Kreatur des Universums als vertrauter Anblick ihren Schrecken verloren hat, lösen sie nicht.

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