Kritik zu The Substance

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Coralie Fargeats Film ist eine blutige Bodyhorror-Satire über den Sexismus und Jugendwahn der Unterhaltungsbranche, der mit Starbesetzung – Demi Moore und Margaret Qualley – und grellen Schockeffekten aufwartet. In Cannes wurde er fürs Drehbuch ausgezeichnet
 

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Wer hat nicht schon mal davon fantasiert, sein eigenes, unzulängliches Selbst zu optimieren oder gar durch eine bessere Version zu ersetzen? Jünger, sportlicher, schöner, erfolgreicher. Gäbe es doch nur ein Mittelchen dafür … Das ist die schlagende Ausgangsidee des zweiten Films der französischen Regisseurin Coralie Fargeat, den sie passend »The Substance« betitelt. Und: Achtung, da knallt es! Schon der Name der Protagonistin ist ein lautmalerischer Kunstgriff. Elizabeth Sparkle (Demi Moore) heißt sie und ist TV-Aerobic-Ikone. Einst eine oscarprämierte Schauspielerin mit eigenem Stern auf Hollywoods Walk of Fame, hat sie ihren Ruhm mit harter Arbeit am eigenen Körper und blitzend-stählernem Lächeln mit einer Fitnessshow zu Geld gemacht, viel Geld. Doch nun ist sie 50 und soll aussortiert werden, zumindest wenn es nach ihrem toxisch-schmierigen Produzenten Harvey (Dennis Quaid) geht. Der will seinen Altstar feuern und durch eine jüngere Vorturnerin ersetzen.

Da kommt das dubiose Angebot gerade recht, mit Hilfe einer per Telefon bestellten Substanz, injiziert in den eigenen Körper, ein Frischfleisch-Alter-Ego zu klonen. Und so verwandelt sich Elisabeth in Sue (Margaret Qualley) und bekommt prompt den Job als neue Aerobic-Queen. Ihr alter Körper liegt derweil ohnmächtig im Bad und wird durch einen Schlauch mit giftgelbem Saft am Leben erhalten. Nach einer Woche ist Schichtwechsel, Elisabeth wird reaktiviert und Sues lebloser Leib künstlich ernährt. Dann beginnt das Spiel von Neuem. Theoretisch, denn bald ist das Dasein im perfekten Körper zu verlockend und Elisabeth/Sue werden zu Gegenspielerinnen einer gespaltenen Persönlichkeit. Der Kampf gegeneinander wird zum Kampf gegen sich selbst. Missbraucht sie als Sue die Substanz, altert sie als Elisabeth umso rapider. Ist erst nur ein Finger plötzlich verkümmert, fallen ihr bald Haare aus, wird der ganze Körper zerbrechlich. Je länger Sue im Scheinwerferlicht erstrahlt, desto monströser entstellt wird Elisabeth. Der pervertierte Prozess der Selbstoptimierung lässt den sich potenzierenden Selbsthass schließlich im kollektiven Blutbad enden.

Verkörpert wird Sparkle von Demi ­Moore, in den Neunzigern einer der größten weiblichen Kinostars und die bestbezahlte Schauspielerin ihrer Zeit. Für »Striptease« erhielt sie eine Gage von 12,5 Millionen Dollar. Später konnte sie nicht mehr an Erfolge wie »Ghost – Nachricht von Sam« und »Ein unmoralisches Angebot« anschließen. Für die Rolle in »The Substance« ein Besetzungscoup also; die 61-Jährige wird seit der Weltpremiere in Cannes für ihren selbstreferenziellen Einsatz gefeiert, »mutig« und »furchtlos« sei er, sie gilt als sichere Kandidatin für eine Oscarnominierung.

An der Croisette erwies sich das Werk als Crowd-Pleaser und wurde am Ende von der Jury mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. In ihrem zweiten Spielfilm nach dem Vergewaltigungsrache-Thriller »Revenge« (2017) bedient die 1976 in Paris geborene Fargeat genreaffine Affekte, mit schnellen Schnitten und extremen Close-ups, mit wummerndem Sounddesign und gore galore. Doch wirklich subtil oder überraschend ist diese popfeministisch-gespiegelte »Dorian Gray«-Variation mit ihren blutrünstigen Splatterelementen und schockigen Schauwerten nicht. Als Körperhorror-Satire über Sexismus, Jugendwahn und eine Medienwelt, die auf Aussehen und Äußerlichkeiten fokussiert ist, bleibt der Film in seiner Kritik merkwürdig substanzlos. Wenn die Kamera erst die straffen Beine und Brüste in Nahaufnahmen taxiert und sich später am Körperexzess des deformierten Monsters ergötzt, kann »The Substance«, bei aller entgegengesetzten Intention, nicht verhindern, den Voyeurismus und Sexismus, den er anklagt, zugleich zu bedienen. An den Kinokassen könnte sich die gespaltene Lesart indes womöglich auszahlen.

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