Black Horror Cinema

Die Zombies sind nicht das Problem
»Get Out« (2017). © Universal Pictures

»Get Out« (2017). © Universal Pictures

Wer hinter wem her ist, woher das Böse kommt und wie man damit fertig wird: Das ist im Black Horror Cinema ziemlich kompliziert. Georg Seeßlen über ein blühendes Subgenre, das den Mainstream herausfordert

Rassismus ist auf Seiten der Täter immer eine Mischung aus purem Willen zur Macht und Interesse an Ausbeutung einerseits, aus psychotischer Verkennung und einer »kaputten« Wahrnehmung von Menschlichkeit andererseits. Und was die Opfer anbelangt, ist Rassismus eine doppelte Erfahrung: Traumatisierung und Rebellion. Den anderen nicht als gleichwertigen Mitmenschen zu sehen und vom anderen nicht als gleichwertiger Mitmensch gesehen zu werden, das macht nicht nur die Menschen, sondern ihre gesamte Umwelt krank. Rassismus erzeugt auf beiden Seiten Angst, wenngleich in sehr unterschiedlichen Formen. Die Täter leiden nicht nur an einer unterschwelligen, durch Projektionen und Denunziationen abgetöteten Angst vor dem Aufstand der Versklavten, Verjagten, Unterdrückten, sie leiden auch, in aller Regel eher unbewusst, unter einem Gefühl von Schuld. Und die Opfer leiden nicht nur ganz direkt unter Gewalt und Unterdrückung, sondern auch unter einem Empfinden der Scham, die aus Herabsetzung und Entwürdigung kommt. In beiden Reaktionen, der Identifikation mit den Unterdrückern und der rächenden Revolte, zwischen Uncle Tom und Black Panther, steckt das Dilemma, ebenso wie in Rechtfertigung und Kritik aus der Täterkultur: Rassismus ist eine Krankheit, die nie ganz ausgeheilt werden kann.

Denn dies alles sind soziale und kulturelle Erbschaften, die nicht einfach durch Gesetze, Sprachregelungen oder Verhaltenscodes beseitigt werden können. Und dann mäandern zwischen Tätern und Opfern noch mythische, religiöse, ideologische und ästhetische Verbindungen, kreativ, wo auf Erfahrungen des Rassismus eine »kreolische« und universalistische Gegenbewegung folgt, kritisch, wo es um eine kulturelle Gegenbewegung geht, und destruktiv in allen Formen von »Apartheid« und Ressentiment. Rassismus ist eine Krankheit, die sich ausbreitet, und die, in mancherlei Gestalt, auch jene erfasst, die sich auf der Ebene von Vernunft und Moral als antirassistisch verstehen wollen. So gilt es, einen Antirassismus, der praktisch und formal an der Oberfläche bleibt, von einem zu unterscheiden, der tiefer gehen muss, dahin, wo der Schmerz noch lange nicht aufhört, auch wenn die Wunden geheilt scheinen. Rassismus ist ein nie versiegendes Empfinden von Unheimlichkeit, und so findet er auch seinen Ausdruck in dem dafür zuständigen Genre, dem Horror. 

Das Genre ist immer auch ein Besetzungsspiel; Rollen mit einer fixen Funktion innerhalb der Dramaturgie werden entweder im Sinne des Stereotyps oder gelegentlich dagegen besetzt, und manchmal dreht ein Besetzungswechsel auch die Funktion um. Zum Beispiel standen Voodoo-Zauber und Zombifizierung lange Zeit – in Filmen der Tarzan- und Jungle-Girl-Art oder in der Mystery à la »Black Moon« (1934) – für schwarze, heidnische Bedrohung der weißen, christlichen Kultur, bis sie etwa mit Victor Halperins »White Zombie« (1932) oder »Revolt of the Zombies« (1935) zu Symbolen der Unterdrückung und Ausbeutung durch weißen Kolonialismus werden konnten. Das Afrikanische in den Horrorfilmen vor dem Zweiten Weltkrieg, einschließlich der bizarren Liebesgeschichte von »King Kong« (1933), zeichnet sich durch seltsame Ambivalenz, durch mehrfache Lesbarkeit aus: Im Kontext einer afroamerikanischen Filmgeschichte werden diese Filme immer wieder Neuinterpretationen unterzogen. Nur eines ist offensichtlich: Es ist eine weiße Traumfabrik, die auch die Bilder von Schwarzen entwirft. Und der Horror ist ein weißes Genre, das zaghaft hier und manisch dort Rollen und Symbole der Blackness zulässt. Erst über eine lange cineastische und kritische Entwicklung konnte aus einer weißen Projektion ein schwarzes Bild werden. 

Opfer, Rächer und Erlöser

Es ist eine Geschichte der Revisionen und Umkehrungen, die das Genre prägt. Für das in den siebziger Jahren durchaus provokative Genre des Slasher-Movies galt so sehr wie die Verteilung von good girl und bad girl: The black guy dies first!, was sich erst in der metatextuellen Renaissance der »Scream«-Filme änderte. Und wenn sich in der ersten Filmversion von Clive Barkers »Candyman« 1992 noch die Ambivalenz des schwarzen Monsters austoben durfte, ist das Remake von 2021 ein sehr genauer Reflex auf die Traumata der Black Community. Filme wie dieser veränderten nicht nur die Perspektive auf den Schrecken, sie gaben einer neuen Generation von afroamerikanischen Filmemachern die Möglichkeit, mehr Zuschauer zu erreichen. Auch die Filme der neuen Welle von Black Horror Movies leiden unter dem »schwarzen Dilemma«: Um eine ökonomische Basis zu bekommen, muss man immer auch ein weißes Publikum ansprechen. »Get Out« (2017) zum Beispiel, Jordan Peeles Schlüsselwerk für die schwarze Renaissance im Horrorfilm, wurde erst durch den Erfolg in Europa zu einem kommerziellen Modell. Mit dem neuen Black Horror wird allerdings etwas möglich, was zuvor höchstens indirekt zur Sprache kam. Es geht nicht mehr um die »Angst vorm schwarzen Mann«, nicht mehr darum allein, dass schwarze Darstellerinnen und Darsteller jenseits der Revolte in den Filmen erscheinen können, sondern um den Horror, der aus der Geschichte und der Aktualität des Rassismus entsteht. Black Horror, das ist eine Art von Schreckensbild, in dem, wie Jordan Peele sagt, das schlimmste aller Monster die Gesellschaft ist. Black Horror ist demnach auch eine Möglichkeit für ein weißes Publikum, die eigene – die gemeinsame – Gesellschaft besser zu verstehen. Aber all dies hat eine cineastische Vorgeschichte. 

»Get Out« (2017). © Universal Pictures

Die Bezugspunkte des Horrors sind die Wiederkehr des Verdrängten und der Vorschein der Apokalypse, also gehört zum zunächst so »weißen« Genre zugleich die Wiederkehr der Seelen und Kulte der Kolonisierten und der Vorgriff auf die »wissenschaftliche« Fähigkeit, einen neuen Menschen zu erzeugen. Die Mumie wird wieder lebendig, die man aus den ägyptischen Gräbern raubte, und Frankensteins Monster weist auf eine Seinsweise hin, in der die Macht des Unterdrückers und der Zorn der Unterdrückten verschmelzen. Der haitianische Zombie ist zugleich der total versklavte Mensch und das Gespenst, das sich dafür rächt. 

So war auch die Erfahrung von Rassismus als Monster von beiden Seiten her zu sehen. Von »King Kong« bis zu »I Walked with a Zombie« wurde die Angst vor einer rächenden Wiederkehr unterdrückter Wesen oder Kulturen in den Horrormetaphern vermutet, aufbereitet für eine hegemoniale, neurotische weiße Mehrheit. Und in der langen Geschichte der »Planet der Affen«-Filme spielte auch die Frage nach dem Rassismus und seiner Überwindung eine zentrale Rolle. Sam Fuller drehte das Monstermotiv 1982 in »White Dog« um: Der mörderische weiße Hund war das Inbild des weißen Rassismus und seiner Grausamkeit. George A. Romero setzte in »Night of the Living Dead« 1968 nicht nur einen schwarzen Helden gegen die Untoten ein, er zeigte auch die weiße Ignoranz, die ihn am Ende doch zum Opfer macht. Schwarze Moses-Figuren, Führer aus der Hölle in eine möglicherweise bessere Welt, tauchen dann auf in »Day of the Dead« (1985) oder in Serien wie »Fear of the Walking Dead« und »From«. Und wie dem biblischen Moses bleibt ihnen selbst oft das gelobte Land (der Freiheit) versagt: Neben das Opferbild des Jungen, der als Erster sterben muss, und das Monsterbild des schwarzen Rächers tritt ein Bild vom Befreier, ein schwarzes. In Stanley Kubricks »Shining« (1980) ist diese Figur so ausformuliert, dass es noch einmal ein besonderer Schock ist: Der Schwarze (Scatman Crothers), der die Gefahr am schnellsten erkennt, stirbt zuerst. 

Alles Humbug?

Der Horrorfilm als cineastische Weiterentwicklung der viktorianischen Schauergeschichte, der »American Gothic« von Poe zu Lovecraft und der »New American Gothic« von J. D. Salinger, Shirley Jackson und schließlich Stephen King, ist zunächst ein ziemlich weißes Genre. Es beschreibt das Unbehagen in einer scheinhaft geordneten, aufgeklärten Welt, und wie die Bediensteten im bürgerlichen Schauerroman haben Schwarze und andere ethnische Minderheiten andere Sorgen und andere Geister als die bürgerlichen Eliten in ihren selbst gefertigten luxuriösen Gefängnissen. Wenn es um den Spuk geht, ist der Platz für schwarze Darsteller in der amerikanischen Fantastik vor allem der des komischen Sidekicks, der sich in kindlicher Angst vor dem eigenen Schatten fürchtet. Willie Best war der Kerl, der augenrollend seine abergläubische Furcht vor Geistererscheinungen zeigen musste, die dann von den weißen Helden – einschließlich Laurel und Hardy in »A-Haunting We Will Go« (1942) – als Humbug entlarvt wurde. Best drehte unabsichtlich zum ersten Mal den Spieß um, als er in »The Ghost Breakers« (1940) immer wieder aus dem Dunkeln kommend Bob Hope so erschreckt, dass der eine Umkehr des Blackfacing androht: »Wenn das so weitergeht, muss ich dein Gesicht weiß anmalen.« Vier Jahrzehnte später wird Grace Jones sich in »Vamp« durch Whitefacing zur Königin der Vampire machen.

Als erster Film, der afroamerikanische Protagonisten in einem Horrorsetting präsentiert, gilt »Son of Ingagi« (1940), entstanden als eines der »Race Movies«, die mit einem all black cast populäre Genres nachspielten. In der klassischen Art postkolonialen Horrors geht es um eine Erbschaftsgeschichte und ein dunkles Geheimnis aus einer Afrikareise: einen mächtigen Affenmenschen namens N'Gina (Zack Williams). Seine Herrin braut eine Mixtur, mit der sie der Menschheit zum Guten verhelfen will, doch als N'Gina davon trinkt, gerät er in Furor und tötet seine Herrin. Dann wird er zum Spuk für die Nachfolger in ihrem Haus, verschleppt die neue Hausherrin in seinen Keller und wird überwältigt, als er versehentlich Feuer entfacht. Ingagi (der schon vorher in »Ingagi – Son of the Wilderness« aufgetaucht war) bezieht sich angeblich auf eine afrikanische Legende um einen Affenmann, der Frauen entführt, um mit ihnen zu schlafen. Die einzige, aber durchaus wirksame Pointe dieses Films besteht freilich darin, dass es schwarze Darsteller sind, die typische Rollen des postkolonialen, des Gothic-Horrors übernehmen.

Umgekehrte Appropriation

Die Story, die als Stoff für den Film dient, »House of Horror«, stammt übrigens von Spencer Williams, der Anfang der 50er mit der »Amos 'n Andy Show« berühmt wurde, der ersten TV-Serie mit schwarzen Hauptpersonen. Zeichen der Veränderung zeigten sich in der Popkultur, während der Alltag noch von unbarmherziger Restriktion gekennzeichnet war. In dieser Zeit beschäftigte sich Hollywood vielleicht zum ersten Mal ernsthaft mit dem Rassismus in Filmen wie »The Well« (1951, Leo C. Popkin / Russell Rouse) oder schilderte Probleme in schwarzen Communitys wie in »Bright Road« (1953, Gerald Mayer). Und aus den melodramatischen Verwicklungen der Identität in Douglas Sirks »Imitation of Life« und John Cassavetes' »Shadows« entwickelte sich eher ein utopisches als horribles Fantasiebild: Harry Belafonte scheint in »The World, the Flesh and the Devil« von Ranald MacDougall der letzte Überlebende der Apokalypse zu sein, bevor er auf eine weiße Frau (Inger Stevens) und einen weißen Mann (Mel Ferrer) trifft und schließlich, vielleicht, einen Neubeginn der Menschheitsgeschichte ermöglicht – ohne Waffen, ohne Rassismus.

Schöne Idee. Von weißen Autoren und Regisseuren erdacht. Ein Jahrzehnt später sah die Sache mit der Apokalypse und dem Neuanfang anders aus. Weiße und schwarze GIs hatten in Vietnam gemeinsam die Hölle erlebt und trotzdem bei ihrer Rückkehr keine gemeinsame Zukunft gefunden. Eine Reaktion darauf waren die Horrorfilme der »Fauves« von Off-Hollywood, roh, blutig und nihilistisch wie »The Texas Chainsaw Massacre«, der ultimative Film über den white trash, oder eben Romeros »Night of the Living Dead«, der bewusst einen schwarzen Helden in eine Geschichte einführt, die vom Drehbuch her eher eine weiße Identität nahelegt. In Jack Hills »Spider Baby, or The Maddest Story Ever Told« ist dieses schwarze Opfer dagegen nach dem Motto »Black Guy Dies First« geradezu emblematisch inszeniert, sozusagen als Vorspiel zur eigentlichen Handlung. Der schwarze Protagonist stirbt zuletzt versus der schwarze Protagonist stirbt zuerst. Nur überleben, das scheint für ihn noch ausgeschlossen. 

Einige Jahre später entwickeln sich Blaxploitation Movies zu einem Erfolgsmodell. Den Hauptstrang bilden Action- und Gangsterfilme, mit Seitenlinien von Komödie, Western und eben Horrorfilm. Im Kern besteht die Attraktion der Filme wohl in der Konstruktion eines schwarzen Maskulinismus als Geste der Selbstermächtigung (selbst Pam Grier verschafft sich Respekt, weil sie sich wehren kann »wie ein Mann»). Womöglich deswegen blieben die schwarzen Horrorfilme hinter der Popularität der Actionfilme zurück. 

Programmatisch setzten die meisten dieser schwarzen Horrorfilme das Black in den Titel, wie bei »Blacula« (1972), der als »Dracula's Soul Brother« annonciert wurde, aber auch als »The Black Avenger«. Es folgte »Black Frankenstein« (auch »Blackenstein«, 1973), wo das Monstergeschehen bemerkenswerterweise noch mit einem Vietnam-Hintergrund versehen wurde. Der Film von William A. Levey stochert im Motiv-Nebel klassischer Horrorgeschichten und Rassismusbilder (kulminierend im Ende des schwarzen Monsters durch Bluthunde) und gehört dementsprechend zu den Blaxploitation-Horrorfilmen, denen in den Studien zum afroamerikanischen Film mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Im Grunde ging es in allen diesen Filmen um black avenge, Rache. Und dann durfte auch dies nicht fehlen: »Dr. Black & Mr. Hyde«, wo sich ein schwarzer Wissenschaftler in ein weißhäutiges Monster verwandelt. Die Pointe solcher Umkehrungen war rasch verbraucht; das Konzept einer schwarzen Usurpation des Genres hatte seine dramaturgischen Grenzen. »Abby« (1974) von William Girdler ist das schwarze Pendant zu »The Exorcist« und setzte durch den Rechtsstreit, der auf seinen erfolgreichen Kinostart folgte, dem Konzept der dreisten Schwarzfärbung im Genre ein Ende. 

Einer der bizarrsten Filme des Blaxploitation-Horrors ist »The Thing with Two Heads« (1972), in dem der Kopf eines rassistischen Mediziners (Ray Milland), um sein Wissen zu erhalten, auf den Körper eines verurteilten Schwarzen (Roosevelt Grier) genäht wird. Was als »Flucht in Ketten« in Form von Body-Horror hätte verstanden werden können, entpuppte sich als Witz, den die Macher offensichtlich selbst nicht verstanden. Die Blaxploitation-Horrorfilme waren in der Mehrzahl weder künstlerisch noch handwerklich besonders bemerkenswert; sie waren schnell, billig und oft genug auch von weißen Produzenten und Regisseuren für einen speziellen Markt produziert. Die Auseinandersetzung mit dem Rassismus fand eher unterschwellig statt, stattdessen herrschte der Gestus einer umgekehrten Appropriation – hier »stahl« die afroamerikanische Kultur so schamlos von der weißen Tradition, wie man es ansonsten in umgekehrter Richtung gewohnt war. 

Es war ein Statement und ein Akt des Widerstands, als George A. Romero in »Night of the Living Dead« einen Schwarzen als Helden präsentierte. Ben (Duane Jones) wird am Ende von weißen Zombiejägern erschossen: Näher konnten fantastischer und realer Horror einander nicht kommen. Im Hauptberuf war Jones übrigens Professor für englische Literatur und einer der führenden Köpfe in der Black Theatre Alliance. Sein zweiter bedeutender Film im Genre war Bill Gunns »Ganja & Hess« (1973), mittlerweile als einer der wichtigsten Vorläufer der neuen Black Horror Movies anerkannt. 

Jones spielt den Archäologen Dr. Hess Green, der an der Erforschung eines alten afrikanischen Blutkultes arbeitet. Sein Haus scheint ein Museum afrikanischer Kunst, aber vielleicht auch der richtige Ort für den Selbstmord, den sein Assistent George Meda versucht. Nachdem Green ihn davon abgehalten hat, verwandelt George ihn mit einem zeremoniellen Dolch des Kultes in einen blutdürstigen Vampir. Dass er sich ausgerichtet in Ganja, die Witwe seines Assistenten, verliebt, führt schließlich dazu, dass er auch sie verwandelt. Aber das Vampirleben wird ihm rasch verhasst, er kehrt in den Schoß der christlichen Kirche zurück und opfert sein ewiges Leben im Zeichen des Kreuzes, während Ganja das vampirische Leben fortsetzt. Der Vampirismus erscheint als ein Plot Point in der Geschichte von Rassismus, Assimilation und Emanzipation. Er zeichnet sich nicht durch lineares Drama, sondern das sonderbare Dazwischen aus: Was macht diese Situation mit den Menschen, die nicht ganz der einen und nicht ganz der anderen Kultur angehören? Folgerichtig gibt es auch keine Charakterisierung von gut und böse oder falsch und richtig, und viel mehr als die Blaxploitation-Filme versuchte Gunn, nicht nur eine andere Geschichte zu erzählen, sondern sie auch anders zu erzählen, in den Rhythmen der Bilder, in einer Art visuellem Jazz. Der Film ist zweifellos ein vergessenes Meisterwerk des schwarzen Independent Cinema und in seiner waghalsigen Struktur seiner Zeit voraus. Das konnte auch Spike Lees Remake aus dem Jahr 2014 nicht ändern; selbst in der Behandlung der Frauenfigur ist Gunns Version moderner geblieben.

Wes Craven, ein weiterer weißer Regisseur aus dem Umfeld der »Fauves«, hat mehrmals die schwarze Seite des Horrorfilms erforschen wollen, zunächst in »The Serpent and the Rainbow« (1988), wo er die üblichen weißen Forscher in die Voodooszene von Haiti führt und diese ernster nimmt als gewohnt. Im Übrigen nimmt er Bezug auf einen der »echten« Zombies in der Geschichte des Landes, Clairvius Narcisse, der 1962 gestorben und 18 Jahre später in erschreckendem Zustand wieder aufgetaucht war: Er sei, behauptete er, von den Toten auferstanden und habe auf einer Plantage als Sklave arbeiten müssen. Dem Unglauben seiner Mitmenschen begegnete er mit einem Wissen über seine Kindheit, das nur er und seine Schwester teilten. Für die schwarze Bevölkerung in Haiti ist dieser Schrecken sehr real. 

Mit »The People Under the Stairs« (1991) nähert sich Craven heftiger der amerikanischen Wirklichkeit an: Der schwarze Junge Poindexter, genannt Fool, beteiligt sich aus Sorge um seine kranke Mutter an einem Einbruch ins Haus der lokalen Immobilienbesitzer, die sich als wahre Monster erweisen; sie halten Kinder gefangen, die sich in der Isolation zu Kannibalen entwickelten. Fool wird ihr Retter: Aus dem Black Guy, der zuerst oder zuletzt sterben muss, ist der erlösende Held geworden. Das schwarze Kind, das den Tod besiegt, sollte zwei Jahrzehnte später eine wiederkehrende Figur im Genre werden. Mit sehr viel weniger Ernst war Craven bei »Vampire in Brooklyn« (1995) bei der Sache, der sich auf das Comedytalent von Eddie Murphy verlässt. In Cravens späteren Horrorfilmen wie »My Soul to Take« (2010) oder »Scream 4« (2022) spielen zwar schwarze Darsteller und Darstellerinnen prominente Rollen. Aber an ihnen lässt sich exemplifizieren, dass »Blacks in Horror Movies« nicht gleichbedeutend mit »Black Horror Movies« ist. 

Der Durchbruch: »Get Out«

Im Superheldenuniversum von Marvel gab es inzwischen auch den schwarzen Helden einer Horrorserie: Wesley Snipes spielt in »Blade« (1998) einen Halbvampir, der sich als »Daywalker« der Jagd auf die Geschöpfe der Nacht widmet. »Blade« wurde eine Filmserie, in der es um Effekt und Stil mehr geht als um die Auslotung des Vampirmythos oder gar um schwarze Geschichte. Wieder scheint schwarzer Maskulinismus über alle Widersprüche zu triumphieren, was die Filme zugleich unterhaltsam und ein wenig leer macht. Schließlich wurde auch eine TV-Serie daraus. Und in diesem Jahr soll es ein »Blade«-Reboot geben. Es gäbe möglicherweise einiges zu revidieren.

Mit Jordan Peeles »Get Out« wurde 2017 aus dem Konzept Blacks in Horror der Black Horror: Chris Washington (Daniel Kaluuya) ist weder Monster noch Heroe, scheint weder zum Täter noch zum Opfer prädestiniert: ein ganz normaler Kerl (nicht zufällig Fotograf von Beruf), der sich in eine weiße Frau verliebt hat und mit ihr deren reiche Familie besucht, wie man das eben so macht. Rose hat den Ihren noch nichts von seiner Hautfarbe gesagt, aber sie versichert ihm: Das sind keine Rassisten. Und dann beginnt der Alptraum. Experimente und Transformationen, Gewalt und Wahnsinn und vor allen Dingen die Empfindungen von Verrat, Demütigung und Ohnmacht. Dieser Schrecken hat tiefe Wurzeln in der Geschichte, es scheint kein Entkommen daraus zu geben. Und keiner der Beteiligten scheint den Klischees zu entsprechen, weder denen des Horrorgenres noch denen der Geschichte von Sklaverei und Rassismus. Wie jeder wirkliche Horror beginnt auch der von »Get Out« in einer Welt der allfälligen Normalität und führt umso zwingender unter die Oberfläche. 

Mit »Us« (2019) exploriert Peele die Figur des schwarzen Mädchens, das in einer Mischung aus Neugier und Unschuld ihrer Umwelt eine Frage nach der eigenen Identität stellt und dafür bestraft wird. Die Frage »Wer bin ich?«, die in »Us« mit einem labyrinthischen Spiegelbild beginnt, stellt sich auch für die jugendlichen Protagonistinnen in der archaischen Fantasy von »Beasts of the Southern Wild« (2012) von Benh Zeitlin und in der Frankenstein-Variation »The Angry Black Girl and Her Monster«, die Bomani J. Story 2023 inszenierte. Es scheint da immer, als würde eine schwarze Alice die seltsamen Macht- und Bedeutungsspiele eines grausamen Wunderlands erforschen. Und die Sache mit der Selbstermächtigung ist vielleicht doch nicht so einfach. »Bist du so schlau, weil du auf diese weiße Schule gehst?«, wird das angry black girl Victoria gefragt. »Diese weiße Schule ist so schlau, weil ich dorthin gehe«. Freilich hat man sie, wie weiland den Baron Frankenstein, wegen ihrer unkonventionellen Ansichten zu Themen wie Tod und Krankheit aus dem Unterricht entfernt. Und nachdem sie ihren Bruder wiederbelebt hat, hat sie, wie so viele Wissenschaftler im Genre, das Problem, die Geister, die sie rief, wieder loszuwerden. Auch hier ist das Fantastische nur eine Ebene der Bilderzählung; mindestens so wichtig sind Schilderungen der Lebensumstände am Rande einer Gesellschaft, die keine Abweichungen duldet, die Erfahrung von Polizeigewalt und das Elend der Drogen. Menschen mit dunkler Hautfarbe haben das Zentrum des Horrors erreicht: den Ort des (scheinbar) Normalen, das durch den Einbruch des Fantastischen eine brüchige Ordnung verliert. 

Wie sehr die Gesellschaft das eigentliche Monster ist, zeigt sich in der Serie »Them«, deren erste Staffel, »Covenant« (2021) in die frühen Fünfziger zurückführt. Eine schwarze Familie zieht in ein »weißes« Wohnviertel in East Compton, und bald weiß man nicht mehr genau, was schrecklicher ist, die fiese Aggression von außen oder die monströsen Kräften im Inneren des Hauses. Die zweite Staffel, »The Scare« (2024), springt ins Jahr 1991 und führt eine Polizeidetektivin immer tiefer in die Abgründe eines alten Falles. Beide Erzählungen verbinden schwarze und weibliche Perspektive: Der Beginn des Schreckens liegt im Bemühen, als normaler Mensch, als »normale Amerikanerin« anerkannt zu werden. Offenbar ist es einfacher, eine schwarze Superheldin zu werden als eine schwarze Nachbarin. »Them« ist der erste Horrorfilm, der den Schrecken aus der Perspektive einer schwarzen Frau entwickelt. Man wird Zeuge, wie nach der Außen- auch ihre Innenwelt zusammenbricht. Rassismus führt in die Psychose, das Reich, in das man gelangt, wenn die Wirklichkeit unerträglich geworden ist.

Der Horror der verfehlten Normalisierung findet sich mittlerweile auch schon in der Metaebene der Genreparodie: »Meet the Blacks« (2016) ist eine komödiantisch überdrehte Mischung aus Rassismus-Satire und »The Purge«: Die Familie von Carl Black kommt nach Beverly Hills, wo sie sich mit nicht ganz ehrlich verdientem Geld (man hat einen Drogengangster beklaut) ein Haus gekauft haben; der ebenfalls schwarze Polizist vor Ort will sich und Carl den Stress ersparen, weil »hier nun mal keine Nigger leben«. Man reiht Klischee an Klischee (nebenbei wird der Rassismus innerhalb der afroamerikanischen Bevölkerung aufs Korn genommen: Wann ist schwarz zu schwarz und wann nicht schwarz genug?); die Widersprüche zwischen sozialem und »biologischem« Rassismus finden sich ebenso wie Anspielungen auf »Blacula« oder »Der Prinz von Bel-Air«. Die Metaebene tangiert auch »The Blackening« (2022), ebenfalls eine Black Horror Comedy: Eine Gruppe von schwarzen Teenagern ist mit einem Mörder zusammen gefangen und wehrt sich durch die Kenntnis von Horrorfilmen: »Der Schwarze stirbt immer zuerst« – was aber, wenn alle schwarz sind? 

Black Horror ist einerseits eine dramatische Folie für die mehr oder weniger realistische, mehr oder weniger magische Deutung einer im Inneren immer noch rassistischen Gesellschaft. Frank Wilderson, ein Vertreter des sogenannten Afropessimismus, hat es mir in einem Interview einmal so erklärt: Es gibt keinen Rassismus in dieser Gesellschaft, diese Gesellschaft ist aus dem Rassismus entstanden. Und andererseits ist das Genre ein Erzähl­modell für die Suche nach einer Identität. Noch deutlicher als im weißen Horrorfilm stehen hier Blicke, Bilder und Spiegel im Vordergrund. Blick- und Perspektivwechsel sind nicht nur Themen, sondern Methode des Genres. 

Aber die Entwicklung des Genres geht weiter, und dazu gehört die Auseinandersetzung der dissidenten eigenen Perspektive mit den Anforderungen des Mainstreams. Mit »Nope« (2022) gelingt es Jordan Peele in einem wunderbaren Genremix, sein Thema von der Wahrheit und der Täuschung im Blick auszuweiten und dem Spektakelkino eins auszuwischen. Vielleicht öffnet sich da vom Black Horror eine Tür zu einem neuen Black Surrealism. Sicher dagegen scheint immer noch die Mischung aus Maskulinismus, Action und Effekt, für die etwa der Regisseur Ryan Coogler und sein Lieblingsdarsteller Michael B. Jordan stehen. Um Identität geht es allerdings auch in ihrem neuen Film »Blood & Sinners«. Hier spielt Jordan eine Doppelrolle als Brüderpaar, das einen Haufen Mist hinter sich lassen will, um in der alten Heimatstadt neu zu beginnen. Das kann nicht nur nach den Regeln des Genres kaum gelingen. 

»Wenn du ständig mit dem Teufel tanzt, dann folgt er dir eines Tages nach Hause«: Unter diesem Motto dreht sich der Black Horror noch einmal um. Das Böse lauert nun im Verlangen nach Identität selbst. Es gibt nach der Erkenntnis, das wahre Monster sei die Gesellschaft, immer noch den einen, letzten Schritt zum radikalen Horror: Ich bin das Monster. 

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