Nachruf: Gene Hackman

»Night Moves« (1975)

»Night Moves« (1975)

30. 1. 1930 – Februar 2025

Als »least likely to succeed« wurden er und ein Kollege während ihrer ersten Schritte zu einer Schauspielkarriere einmal eingestuft. Der Klassenkamerad war Dustin Hoffman. Ohne die entsprechenden Rollen in Filmen, die außerhalb des Spektrums des klassischen Hollywoodkinos lagen, Filmen, die unglamouröse Figuren zeigten, wären beide wohl auf ewig character actors geblieben. New Hollywood allerdings machte aus character actors Stars. Für Hoffman waren Asphalt Cowboy und »Die Reifeprüfung« die Karrierebooster; Hackman fiel zunächst auf durch seine Nebenrolle als Warren Beattys Bruder in »Bonnie & Clyde« (1967) und erlebte seinen Durchbruch als Polizist »Popeye« Doyle in William Friedkins »The French Connection« (1971) – er bekam dafür seinen ersten Oscar. Es war allerdings ein später Start; Hackman war bereits zwanzig Jahre im Geschäft und hatte in 17 Filmen und noch mehr Fernsehserien vor der Kamera gestanden.

In eigentlich all seinen Filmen war der in Kalifornien geborene Hackman, der als Marinefunker gedient und als Journalist beim Rundfunk gearbeitet hatte, der Professional, ein Mann, der durch seinen Beruf definiert ist und dabei am Ende oft den richtigen Instinkt hat. Für den Beruf war er bereit, alles zu geben, auch Grenzen zu überschreiten – was ihn an den Rand seiner Leistungsfähigkeit brachte. Bei der Verfolgung des Killers in den Straßen von New York in »The French Connection« gerät er ins Keuchen, in der Fortsetzung French Connection II ist er in Marseille ein stranger in a strange land und wird immer mehr zum Einzelkämpfer, der schließlich die Legalität hinter sich lässt und das tut, wozu er am Ende des Vorgängerfilms noch nicht bereit war.

Die professionelle Hartnäckigkeit dieses Typus tendiert immer wieder zur Verbissenheit, etwa wenn Hackman als Polizist in Cisco Pike versucht, einen Musiker wegen Drogenvergehens festzusetzen. Es ist seine letzte Chance, bevor ein Gesundheitscheck seine Karriere beendet und er drei Jahre vor der Pension vor dem Nichts steht.

Diese Verbissenheit prägt auch zwei seiner schönsten Rollen in zwei seiner besten Filme: den Abhörspezialisten Harry Caul in Francis Ford Coppolas »The Conversation« (Der Dialog, 1974) und den Privatdetektiv Harry Moseby in Arthur Penns »Night Moves« (Die heiße Spur, 1975). Beide Filme zeigen ihn am Ende in ziemlich auswegloser Situation, im Bewusstsein des eigenen Scheiterns. Bei Coppola bläst er selbstverloren in sein Saxofon, nachdem er seine eigene Wohnung auseinandergenommen hat, bei der vergeblichen Suche nach einer versteckten Wanze. Bei Penn treibt er – in einer nicht enden wollenden Kreisbewegung – angeschossen in einem Motorboot auf dem Wasser.

Ist Harry Caul ein in seiner Verschlossenheit fast autistischer Charakter, so ist Harry Moseby von geradezu verletzender Offenheit. Seine Äußerung, einen Film von Eric Rohmer anzuschauen, sei wie Farbe beim Trocknen zuzusehen, bleibt im Gedächtnis, auch einem Zuschauer, der Rohmer-Filme eigentlich mag.

Hackman war kein family man in seinen Filmen. In »Mississippi Burning« (Alan Parker, 1988) antwortet er auf die Frage seines Kollegen, ob er selbst verheiratet sei: »Es hat nicht lange gehalten. Ich war nie zu Hause.« Gefühle zu investieren, das lohnt sich nicht. Aber in manchen Momenten, wenn er einer Frau näherkommt, merkt man auch, dass dahinter eine enorme Verdrängungsleistung steht, ein selbst gewählter Panzer, den er eigentlich durchbrechen möchte.

Hackman hat sich 2004 aus dem Filmgeschäft zurückgezogen; zuletzt litt er unter Alzheimer, und man möchte hoffen, dass sein tragischer Tod neben seiner Frau die Erinnerung an seine Karriere nicht überschattet. In seinen späten Filmen zeigen sich die Emotionen seiner Parts zunehmend destruktiv, seine Figuren besitzen jetzt jene institutionalisierte Macht, die das Ausleben gefährlicher Gefühle zulässt, ohne dass sie dafür einen Preis zahlen müssen. Da ist der sadistische Sheriff in Clint Eastwoods »Unforgiven« (Erbarmungslos, 1992, sein zweiter Oscar). Und da sind diese Politiker: der US-Verteidigungsminister in Roger Donaldsons »No Way Out« (1987) und der US-Präsident in Clint Eastwoods »Absolute Power« (1997). In beiden Filmen kommt eine Frau durch ihn zu Tode, weil er sich nicht unter Kontrolle hat. Und beide Male hat er ergebene Mitarbeiter, die alles daransetzen, die Tat zu vertuschen. Heute, im Jahr 2025, kommt einem das höchst real vor.
 

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