46. Filmfestival Max Ophüls Preis
»Ungeduld des Herzens« (2025). © Jan David Gunther
Das Filmfestival Max Ophüls Preis ist das wichtigste Forum des deutschsprachigen Nachwuchsfilms. Der Wettbewerb der 46. Ausgabe überzeugte durch seine Schärfe
Früher hieß es, das Schwerste für junge Filmemacher sei immer der zweite Film. Man brauche dafür eine lange Zeit, und bis die Förderungen greifen, wäre die Luft raus. Aber schaut man sich die 13 Filme an, die im Wettbewerb des Filmfestivals Max Ophüls Preis in Saarbrücken liefen, scheint schon der erste Film eine produktionstechnische Hürde. Dass die Situation für den Nachwuchs durch die Neuordnung der Filmförderung besser wird, ist zu bezweifeln. In Saarbrücken jedenfalls liefen jede Menge Low-, Lowest- und No-Budget-Filme.
Selbst eine hervorragende Literaturadaption wie »Ungeduld des Herzens« musste sich mit einem Produktionsbudget von 160 000 Euro zufriedengeben – ungefähr ein Zehntel der Kosten für einen TV-Tatort. Regisseur Lauro Cress hat die Rahmenhandlung des Romans von Stefan Zweig, eine Liebesgeschichte zwischen einer Frau mit Behinderung und einem Soldaten, von der k. u. k. Armee ins Bundeswehrmilieu verlegt, andere Schwerpunkte gesetzt und den schwiemeligen Schluss des Romans angenehm modernisiert. Es ist auch eine Beziehung über Klassengrenzen hinweg, präzise inszeniert und hervorragend gespielt, vor allem von Giulio Brizzi in der Rolle des Soldaten, der Rauheit (gerade in den seltsamen Ritualen der Soldaten) mit einer großen Einfühlsamkeit verbindet. »Ungeduld des Herzens« gewann den Hauptpreis des Festivals und Giulio Brizzi zusammen mit Ladina von Frisching (die die querschnittsgelähmte Edith spielt) den Preis für den besten Schauspielnachwuchs.
Aber, auch das zeigte der Wettbewerb, die Filmemacherinnen und Filmemacher nutzen den Umstand, dass ein beschränktes Budget vielleicht auch weniger Reinreden bedeutet, für Freiheit und Kompromisslosigkeit, ablesbar an dem österreichischen Roadmovie »Callas, Darling« der Schauspielerin Julia Windischbauer und der über mehrere Jahre erzählten Lebens- und Liebesgeschichte »Ninja Motherf*cking Destruction« von Lotta Schwerk.
Überhaupt setzte das Programm in diesem Jahr auf Wagnisse. In »Scham«, der mutigste und experimentellste Film, konfrontiert Lukas Röder einen traumatisierten 30-Jährigen mit seiner Mutter. Sie haben sich jahrelang nicht gesehen, und Aaron mit seinen pädophilen Neigungen wirft seiner Mutter Gewalt und Desinteresse vor. Die wiederum bezeichnet ihr Kind als Monster und berichtet von dem Leid, das auch sie erleben musste. Beide filmen sich gegenseitig mit ihren Handykameras, in pixeligen und verwackelten Bildern, mit Splitscreen zusammenmontiert. Scham hat durchaus Schwächen, er argumentiert monokausal und schiebt der Mutter die »Schuld« zu, beeindruckt aber durch emotionale Unerbittlichkeit. Die Ökumenische Jury hat ihm ihren Preis gegeben. Mutig kam auch der Film mit dem provokantesten Titel daher: Ich sterbe. Kommst Du? von Benjamin Kramme (Preis für den gesellschaftlich relevanten Film) erzählt vom Sterben einer jungen Frau im Hospiz, die sich nichts sehnlicher wünscht als den Kontakt mit ihrem Sohn – der sich aber, auch aufgrund ihrer körperlichen Veränderungen, fremd bei ihr fühlt.
Einen kühnen historischen Bogen spannt »Rote Fahnen überm Feld« von Laura Laabs, der einzige dezidiert politisch angelegte Film. Nach einer Aktion auf dem Dach des Reichstags, wo Tine (Hannah Ehrlichmann) mit ihrer Gruppe die Deutschlandfahnen durch rote austauschte, taucht sie bei ihrem Vater in Bad Kleinen unter, ausgerechnet. Und als eine Leiche im Moor gefunden wird, verbindet der Film ein Jahrhundert deutscher Geschichte, von der Nazizeit und der DDR (die etwas allzu idyllisch geschildert wird) über den Terrorismus bis zu den Neonazis von heute. Rote Fahnen überm Feld ist ein Feuerwerk an Ideen und Stilmitteln, das auch vor kabarettistischen Einlagen nicht haltmacht. Er wurde von der Filmkritikjury ausgezeichnet.
Wer bei den vielen verhandelten Problemen im Wettbewerb nach etwas Ausgleich suchte, war bei dem schweizerisch-US-amerikanischen »Sew Torn« von Freddy Macdonald gut aufgehoben. Es geht um die Jagd nach dem großen Geld, immer mit demselben Personal, in Episoden, die immer anders enden. Eine wichtige Rolle spielt die Profession der Hauptfigur, eine mobile Näherin (Eve Connolly), die den Gangstern mit Nadel und Faden Fallstricke legt. Natürlich bleibt »Sew Torn« an der Oberfläche, aber er fasziniert durch sein Vertrauen in die kinetische und kinematografische Mechanik. Da läuft alles gewissermaßen wie am Schnürchen ab.
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