dfi-Symposium: »Doing Time«

»Heimat ist ein Raum aus Zeit« (2019). © GM Films

»Heimat ist ein Raum aus Zeit« (2019). © GM Films

Das dfi-Symposium »DOING TIME. Dokumentarische Operationen im Umgang mit Zeit.« fand am 9./10. Januar 2025 im Filmhaus Köln statt

Die Jahres-Symposien der Dokumentarfilminitiative NW sind seit Jahrzehnten Forum und Inspirationsquelle für Fans nicht-fiktiver Formen. Seit Herbst 2023 zeichnet Michelle Koch für das Programm verantwortlich, das Anfang Januar in Köln mit dem Thema »Doing Time. Dokumentarische Operationen im Umgang mit Zeit« in die jüngste Runde ging. Film unterliegt zwar als »zeitbasiertes Medium« selbst der Vergänglichkeit, organisiert und manipuliert aber auch die film-äußere Zeit: Von der unsichtbaren Montage im Realismus zur Zerstückelung durch Zooms und Schnittfolgen, in der Verdichtung durch Zeitraffer und Überblendungen oder der Umkehr. Larry Gottheims »Fog Line« (1970) stand mit fast starrem Blick auf Bäume im Nebel für eine ganze Region der Filmlandschaft, wo spürbare Dauer das Filmerlebnis intensiviert.

Auch »Hotel Monterey«, Chantal Akermans 1972 in einer einzigen Nacht gedrehter erster Langfilm zerdehnt die Zeit in ausgiebigen Shots auf Lobby, Flure und einige Zimmer eines New Yorker Billighotels mit morbiden Charme – und verweigert sich konventioneller Narration. Geradezu konträr Helena Třeštíkovás Versuch, 36 Jahre Lebenszeit in 83 Filmminuten zu packen: »Private Universe« (2012) begleitet seinen Protagonisten ab der Geburt in einer verdichteten Montage aus Archiv-Schichten von Tagebuch-Schnipseln des Vaters bis zu historischen Fernsehbildern. Die Langzeit-Begleitungen der 1949 geborenen tschechischen Regisseurin sind legendär; doch das Fehlen jeglicher Brechung/ Reflexion der väterlichen Perspektive auf die durch familiäre Ereignisse gegliederten Abläufe gibt hier den schalen Geschmack einer patriarchalen Familiensaga.

Solch hetero-normative Sichtweisen seien Standards im Genre der Langzeitbeobachtung, erläuterte die Filmwissenschaftlerin Marion Biet, erzählt würde meist in »reproduktiven Kreisläufen«. Um die Bedeutung anderer »queerer Zeitlichkeiten« (auch für den Umgang mit Archiven) ging es im Gespräch von Natascha Frankenberg mit Regisseur Jasco Viefhues, der in »Rettet das Feuer« (2019) mit der Annäherung an den 1993 verstorbenen Fotografen Jürgen Baldiga auch dessen Nachlass im Archiv des Schwulen Museums Berlin in den Blick setzt. Dies sei für ihn »experimentelle Erinnerungsarbeit", wo der Film am Ende Nebenprodukt sei.

2016 hatte sich die DFI schon einmal mit der Geschichte und dem Aufbewahren befasst (»Bilderströme«) und den Dokumentarfilmer Thomas Heise zu einem »Einwurf« eingeladen. Der sprach dort auch von einem geplanten Filmprojekt (Arbeitstitel »Verschwinden«), in dem er »als letzter seiner Familie« Geschichte an »zukünftige Zuschauer« vermitteln wolle. Nun sollte Heise mit diesem Film in Köln zu Gast sein, starb aber – wie viele wissen – unerwartet im Mai. So war die Frage nach der Zeit im Film mit dem Tod zu sich selbst gekommen. Heises Film »Heimat ist ein Raum aus Zeit« (2019) wurde in Köln von Editor Chris Wright vertreten. Der wies auch darauf hin, dass Heises gewichtiges Vermächtnis zur deutschen Geschichte (mit diesem Verweis auf das Ende der Familie) auch ein Beispiel der diskutierten queeren Zeitlichkeit sei.

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