Sundance Festival 2025: Das leben ist stärker
»Atropia« © Hailey Gates
Das Sundance Festival ist zu groß geworden für Park City. Von den Filmen konnte man das in diesem Jahr nicht sagen: der amerikanische Spielfilm, die fiktionale Sparte, zeigte Schwächesymptome
Eigentlich stehen in Sundance die Zeichen der Zeit auf Veränderung. Kurz vor dem 50. Jubiläum des Festivals wird es ab 2027 an neuer Stelle stattfinden: Das Ski-Örtchen Park City in Utah ist endgültig zu klein geworden für die rund 25 000 Gäste, die jeden Januar anreisen. Noch in diesem Frühjahr soll bekannt gegeben werden, ob es dann ins nahe gelegene Salt Lake City, nach Boulder in Colorado oder gar nach Cincinnati geht.
Anders als bei der Logistik schien beim – zum zweiten Mal vom neuen Festivalleiter Eugene Hernandez verantworteten – Programm allerdings vor allem Bewährtes angesagt zu sein. Vor Ort klagten zwar einige Besucher*innen darüber, dass in Sundance in diesem Jahr – trotz Jennifer Lopez (»Kiss of the Spider Woman«), Sarah Jessica Parker (»The Librarians«) und Olivia Colman (»Jimpa«) – ein wenig die Star-Power fehlte. Und auch die Film-Einkäufer erwiesen sich als zurückhaltender als sonst. Doch in den Wettbewerben, die auch virtuell Akkreditierten zur Verfügung standen, war business as usual angesagt.
Bei den US-Spielfilmen etwa waren die Schwerpunkte unverändert: Neun von zehn Werken waren Debüts, in sechs Fällen zeichneten Frauen für die Regie verantwortlich, und fünfmal handelten die Geschichten von nichtweißen Protagonist*innen. Dass der Jahrgang trotzdem schwächer wirkte als zuletzt, lag auch daran, dass man interessante Genre-Experimente und inhaltlich Gewagtes vergeblich suchte. Und wo die Grenzen des Konventionellen doch mal ausgelotet wurden, blieb das Ergebnis meist unbefriedigend.
Letzteres gilt nicht zuletzt für »Atropia«, dem die Jury unerwartet den Hauptpreis verlieh. Regisseurin Hailey Gates erzählt in ihrer Satire von einer künstlichen Stadt in Kalifornien, in der das Militär mit viel Aufwand seine Auslandseinsätze übt. Im Zentrum steht dabei eine ehrgeizige Schauspielerin (die immer sehenswerte Alia Shawkat), die dafür in unterschiedlichen irakischen Rollen besetzt wird und ihre Sache ein bisschen zu ernst nimmt, als sie sich in einen der Soldaten (Callum Turner) verliebt. Was als Kurzfilm begann, wäre beinahe eine Dokumentation geworden (Orte wie Atropia betreibt die US-Armee tatsächlich), und beide Formen wären vielleicht besser geeignet als die gewählte. Zumindest scheint Gates nie ganz zu wissen, wohin sie thematisch eigentlich will oder welcher Tonfall der passendste ist.
Ganz ohne Höhepunkte blieb das Festival derweil nicht. »Twinless« von und mit James Sweeney erwies sich als auf schräge Weise witzige und gleichzeitig ziemlich traurige Geschichte über zwei junge Männer, die sich in einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit verstorbenen Zwillingsgeschwistern anfreunden, und erhielt zu Recht den Publikumspreis. Ebenfalls sehenswert, trotz struktureller wie visueller Überfrachtung: »Plainclothes«, Carmen Emmis mit dem Ensemble-Preis bedachter Film über einen Polizisten (stark: Tom Blyth), der in den 90ern schwule Männer auf öffentlichen Toiletten verhaften soll, aber mit seiner eigenen sexuellen Orientierung ringt.
Bei aller Erwartbarkeit und Konventionalität machten außerdem die charmante Sommergeschichte »Love, Brooklyn« von Rachael Abigail Holder oder »Omaha« von Cole Webley, der melancholisch-bittere Roadtrip eines Vaters (John Magaro) mit seinen beiden kleinen Kindern, Freude.
Nicht zum ersten Mal zeigte sich in Sundance 2025 aber auch: Besonders sehenswert im US-Indie-Kino bleibt der Dokumentarfilm. Mit »Seeds«, Brittany Shynes meditativem, in starken Schwarz-Weiß-Bildern gehaltenem Blick auf Schwarze Farmer in den Südstaaten, gewann eine echte Perle den Doku-Wettbewerb. Und anderswo reichte die Vielfalt von gelungenen Promi-Biopics wie »Marlee Matlin: Not Alone Anymore« bis zu »Move Ya Body: The Birth of House« von Elegance Bratton (»The Inspection«).
Als echte Entdeckung erwies sich aber nicht zuletzt »Zodiac Killer Project« des Briten Charlie Shackleton, der nicht nur clever das boomende True-Crime-Genre zerlegt, sondern auch auf spannende Weise zeigt, wie ein Regisseur damit umgehen kann, wenn ihm wegen entzogener Rechte plötzlich der Film wegbricht, den er eigentlich hatte drehen wollen.
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