Nachruf: Souleymane Cissé
Souleymane Cissé (2009)
21. 4. 1940 – 19. 2. 2025
Am 19. Februar ist Souleymane Cissé im Alter von 84 Jahren in Bamako verstorben. Am Vormittag hatte er noch vor seiner geplanten Abreise nach Ouagadougou, wo er als Jurypräsident für die Spielfilmsektion des Panafrikanischen Film- und Fernsehfestivals (FESPACO) eingeladen war, eine Pressekonferenz gegeben.
Cissé ist wohl der bekannteste Regisseur Malis und mit seinem Gesamtwerk einer der ganz großen Regisseure Afrikas. Geboren wurde er 1940 in Malis Hauptstadt Bamako; er wuchs aber zunächst im Senegal auf. 1960 kehrte er in das unabhängig gewordene Mali zurück. Er organisierte Filmvorstellungen – filmbegeistert war er seit frühester Kindheit – und erhielt ein einjähriges Stipendium, um in Moskau als Filmvorführer und Fotograf ausgebildet zu werden. Danach konnte er an der dortigen Filmhochschule WGIK ein reguläres Filmstudium absolvieren.
1970 kehrte er nach Mali zurück und wurde zunächst vom Informationsministerium als Kameramann angestellt. Sein 1972 realisierter Kurzspielfilm »Cinq jours d’une vie« zählt zu den ersten unabhängig produzierten afrikanischen Filmen überhaupt.
1975 erschien sein erster langer Spielfilm, »Den muso« (Das Mädchen), der die Geschichte eines stummen Mädchens erzählt, das von einem Arbeitslosen vergewaltigt wird. Der Film wurde von Malis Kulturministerium verboten, weil sich Cissé um eine französische Co-Finanzierung bemüht hatte. Aus Gründen der persönlichen Unabhängigkeit und künstlerischen Freiheit hielt er sonst – wie auch Ousmane Sembène – lange Zeit Abstand zum französischen Fördersystem.
Im Zentrum von »Baara – Der Lastenträger« (1978) steht ein Ingenieur, der mit großem Engagement darum kämpft, im postkolonialen Afrika eine gerechte Gesellschaft aufzubauen.
Den Wind des Wandels, der nach dem Ende des Kalten Krieges auch viele afrikanische Staaten erfasste, hatte Cissé schon 1982 in »Finye« (Der Wind) erspürt: Eine brutale Militärdiktatur wird hier durch den öffentlichen Widerstand der Studierenden und den privat-häuslichen der Frauen in die Knie gezwungen.
Mit »Waati« (Die Zeit) erzählt Cissé eine zeitlich und räumlich weit ausgreifende Emanzipationsgeschichte. Die Initiationsreise der Heldin Nandi beginnt noch im Apartheid-Südafrika und führt sie über Namibia und die Elfenbeinküste zu den Tuareg-Nomaden im Norden Malis. 1995, nach der Befreiung Südafrikas fertiggestellt, betont Cissé hier einmal mehr seine panafrikanische Perspektive. Die Intention, im Schicksal Nandis die Geschichte der Unabhängigkeits- und Freiheitsbewegungen des ganzen Kontinents zu spiegeln, vermag leider nicht durchgängig zu überzeugen.
Sein bekanntester und berühmtester Film ist sicherlich »Yeelen« (Das Licht) von 1987. Er wurde mit dem Preis der Jury in Cannes und vielen weiteren Auszeichnungen bedacht. Mit »Yeelen« gelang es Cissé auch, ein breiteres europäisches Publikum für das afrikanische Kino zu interessieren. Der Arsenal-Verleih hat ihn bei uns ins Kino gebracht.
Erzählt wird die Geschichte eines Vater-Sohn-Konflikts in vorkolonialer Zeit. An der Schwelle zum Erwachsensein soll Nianankoro das Wissen und die Fähigkeiten erlangen, die ihn befähigen, die ihn umgebenden Kräfte zu beherrschen. Doch sein Vater, ein mächtiger Magier – hier greift Cissé weit in die westafrikanische Kultur zurück und knüpft etwa an die kaum bekannte Bilderschrift der Bambara an –,sucht die Ebenbürtigkeit seines Sohnes mit allen Mitteln zu verhindern. Er scheint sogar bereit, ihn zu töten. Doch Nianankoros Mutter weiß dies zu verhindern. Sie schickt den Sohn auf eine Reise, auf der er jenes Wissen erwirbt, das es ihm erlaubt, seinem Vater gegenüberzutreten.
Sowohl in »Waati« als auch »Yeelen« stattet Cissé seine Helden auch mit magischen Fähigkeiten aus. Damit eröffnet er eine spirituelle und kulturelle Dimension, die – insbesondere nichtafrikanischen Zuschauern – zunächst fremdartig erscheinen mag. Doch die Souveränität und Bildgewalt, mit der Cissé diese Geschichten erzählt, üben eine Faszination aus, welche diese Filme fast zeitlos erscheinen lässt.
Verschiedene Filme von Souleymane Cissé gibt es auf DVD bei Trigon und als Stream bei Filmingo.
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