Wenn ich »Hell's Angels« von Howard Hughes, dessen 4-K-Restaurierung im Rahmen der "Berlinale Classics" läuft, ein heroisches Fiasko nenne, was wiegt dann schwerer in Ihren Augen: das Hauptwort oder das Adjektiv? Für Martin Scorsese steht die Antwort fest. Ich bin ihr nach langem Schwanken beim Wiedersehen zumindest einen großen Schritt näher gekommen.
Francois Truffaut sprach gern vom "großen Geheimnis", wenn er über Regisseure schrieb, die ihr Handwerk noch in der Stummfilmära gelernt hatten und seitdem nie vergaßen, wie es ist, eine Geschichte rein visuell zu erzählen. In »Shen nu« (The Godess/ Die Göttliche), dem diesjährige Stummfilm im Programm der Berlinale Classics, kommt man diesem Geheimnis gleich in den ersten Bildern auf die Spur.
Der Gedanke, dass ihr Mann gleich fort sein wird, bereitet Okane nachgerade körperliche Schmerzen. Sie taumelt verzweifelt durchs Haus, hastet von Raum zu Raum, lehnt sich an die Wände, die ihr keinen Halt bieten, krallt sich schluchzend an ihnen fest. Um jeden Preis will Okane verhindern, dass Seisaku wieder in den Krieg zieht.
Anders als die Retrospektive, die besser eines hätte, kommen die Berlinale Classics ohne Konzept aus. Für die Zusammenstellung der kleinen Reihe braucht es eigentlich nur einen Überblick der aktuellen Restaurierungen weltweit, dazu Geschmack sowie ein scharfes Auge und waches Ohr.
Meinen ersten Eindruck vom Faszinosum, das Panama für die USA darstellt, gewann ich als junger Zuschauer von »Arsen und Spitzenhäubchen«. Damals wusste ich noch nicht, dass es vor allem ein Begehren ist. Ich hielt es eher für ein kurioses Trauma.
Es kommt nicht mehr so häufig vor, dass man an Claude Chabrol denkt. Seine Weggefährten von der Nouvelle Vague scheinen die cinéphile Phantasie nachhaltiger zu beschäftigen. Truffauts Großzügigkeit bleibt verlockend; es ist noch immer amüsant, wie bei Rohmer das Einfache kompliziert wird – und Godard wird uns ohnehin ewig heimsuchen. Aber Chabrol hat aufgehört, ein Adjektiv zu sein.
Ein namhafter, in Österreich ziemlich berühmter Mineralwasserhersteller bewirbt eines seiner Produkte mit dem hübschen Adjektiv "frivolisiert". Auch wenn damit keine unbotmäßige Lockerung der Sitten gemeint ist, klingt es doch erheblich animierender als das französische "gazeuse"; von unserem "mit Kohlensäure" mal ganz zu schweigen. Prickelnd hätte es natürlich auch getan. Aber in diesem Eintrag soll es um eine Weltläufigkeit gehen, die vorzugsweise an den Ufern der Donau heimisch ist.
Der gestrige Tag war für mich, wie für die meisten von Ihnen, ein besonderes Datum. Für die Aufgabe, einen solchen Gedenktag am besten zu begehen, gibt es keine Patentlösungen. Er verlangt nach einem Innehalten. Dafür existieren Konventionen und Formeln. In Auschwitz, im Bundestag und anderswo fielen wohlerwogene Worte über die historische Verantwortung. Als ich am Abend in die Philharmonie ging, ahnte ich nicht, welche Botschaft mich dort erwartete.
Die Zelluloidkopie von „Der Brutalist“, die zur Premiere nach Venedig verschifft wurde, wog sage und schreibe 140 Kilo. Brady Corbets Film ist nicht nur ästhetisch ein Koloss. Ich nehme jedoch an, die 70mm-Kopie, die ab heute im Berliner Delphi in Previews gezeigt wird, ist erheblich leichter. Es handelt sich um die einzige, die im deutschsprachigen Raum existiert. Das Delphi spielt sie ab dem offiziellen Kinostart eine Woche lang, danach gastiert sie im Gartenbaukino in Wien.
Ein kleiner Sport, der durchaus in die Zuständigkeit der Kritik gehört, ist die Frage, ob einem Film eventuell Anachronismen unterlaufen sind. Man kann ihn ohne Schadenfreude ausüben. So war ich beispielsweise beruhigt, dass die Vokabeln "Fabrik" und "Tourist" bereits in den 1830er Jahren existierten und Robert Eggers bei „Nosferatu“ diesbezüglich kein Fehler unterlaufen ist.
Bei der Jubiläums-Berlinale weist ein Publikumszuwachs zwar in die richtige Richtung, doch in einem schwachen Wettbewerb gibt es nur einen Favoriten: »The Blue Trail«, eine Farce auf alternde Gesellschaften. Am Samstag werden die Bären verliehen.
Berlinale 2025: Fünf Jahre nach dem Hanau-Attentat zeigt eine Dokumentation den Kampf der Hinterbliebenen um Aufarbeitung. Außerdem: Richard Linklaters Wettbewerbsbeitrag »Blue Moon«.