Kritik zu Megalopolis
Irgendwo zwischen Opulenz und Geschmacklosigkeit, Hektik und Langeweile, Hinterbühne und Megaverse: Francis Ford Coppolas Film war lange Jahrzehnte in der Entwicklung und benötigt wahrscheinlich eine ähnlich lange Zeit, um entgegen den schlechten Kritiken bei der Premiere doch noch Kultstatus zu erlangen
In der Kulturgeschichte gibt es das Phänomen des filmischen Flops, der nach Jahren, oft Jahrzehnten, zum Kultfilm avanciert. Manchmal liegt das an einer gewissen Visionarität – das Publikum, dessen Verhalten an der Kinokasse als Kriterium für Qualität gemessen wird, war »noch nicht reif« für eine revolutionäre, später erst moderne Form oder Aussage. Hal Ashbys schwarzhumoriger Liebesfilm »Harold and Maude« wurde bei seinem Erscheinen 1971 von Kritik und Zuschauenden gleichermaßen verachtet, den Schauspieler*innen attestierte man eine gruselige Aggressivität, das Drehbuch sei dagegen zu träge. Seit den 80ern taucht der Film jedoch regelmäßig in Bestenlisten auf und wird leidenschaftlich gehuldigt: Wie offen, frei und anarchistisch Hal Ashby nach dem Drehbuch von Colin Higgins hier eine Beziehung illustriert, fiel anscheinend dann erst auf.
Bei Ridley Scotts »Blade Runner« von 1982 kritisierte man dagegen eine zu schwache Handlung sowie »unterentwickelte« Charaktere. Genau jene Coolness von Harrison Ford und den Replikanten-Kumpels machten die Geschichte zehn Jahre danach zur Blaupause für eine ganze Reihe Sci-Fi-Werke. Neben diesen Filmen mit offensichtlichen, wenn auch zögerlich entdeckten Qualitäten, erfahren vor allem günstige B-Movies oft ein spätes »Cult Following« – hier feiert man mit liebevollem Nerdblick den Mut, einfach irgendwelchen Quatsch zu machen, auch wenn nichts richtig funktioniert und das Monster an deutlich sichtbaren Fäden hängt.
Eventuell war Francis Ford Coppola all das klar, als er sich entschloss, seinen in den 80er Jahren gedanklich begonnenen Weg zu »Megalopolis« weiterzugehen. Der mittlerweile 85-Jährige könnte von Anfang an darauf spekuliert haben, dass sein Film belächelt, bekrittelt, gering geschätzt wird – weil er dessen Aufstieg zum Kultfilm antizipiert.
Anders lässt sich die ermüdende Tollkühnheit von »Megalopolis« kaum erklären: Coppolas 23. Kinofilm ist ein – vielleicht – bewusst schlecht verrührter Mix aus Opulenz und Geschmacklosigkeit, Hektik und Langeweile, Allegorie und Überdeutlichkeit, »Male Gaze« und Schauspielkunst.
Angesiedelt in der Zukunft einer Metropole, die architektonisch und farblich an eine hochglänzende Luxusuhr-Werbeanzeige aus einem Modemagazin erinnert, will ein Architekt namens Cesar Catilina (Adam Driver) die »City of New Rome« mit visionären Bauideen überziehen. Der Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) versucht, das zu verhindern. Zudem plagen Cesar Liebesprobleme – die eine Modelschönheit, eine Moderatorin namens Wow Platinum (Aubrey Plaza) will zu viel von ihm, die andere, Julia Cicero (Nathalie Emmanuel), Tochter des Bürgermeisters, zu wenig.
Coppola hat noch einige Schauspieler (Jon Voight, Shia LaBeouf) und Handlungsstränge mehr in seiner Geschichte verheddert, von denen niemand, inklusive Regie, wirklich zu wissen scheint, wozu sie dienen. Seine Darsteller*innen klingen zuweilen wie eine Laienspieltruppe, die eifrig Texte deklamiert, während die Ästhetik zwischen Hinterbühne und Megaverse pendelt. Dazu kommen großartige Ideen wie eine Pressekonferenz, in der Cesar bei jedem Screening des Films (!) von einem realen Menschen außerhalb der vierten Wand, von einem Platz vor der Leinwand angesprochen werden muss oder ein an Méliès' »Reise zum Mond« erinnerndes wunderschönes Mondgesichtsbild.
Richtig anstrengend wird der Film, wenn Coppola das hineinwirft, was er vermutlich als »Humor« definiert: derbe, sexistische Szenen, die man natürlich als Parodie verstehen kann – allerdings ist es schwer, herauszufinden, worauf. Dass doch nur ein weltfremd gewordener, nicht mehr besonders komischer, alter Mann dahintersteckt, der sich gönnt, seine Ideen einfach fließen zu lassen, wäre durchaus eine mögliche Interpretation.
Aber man kann es auch anders lesen. Denn vielleicht wandelt sich die schwere Goutierbarkeit des Films ja auch ab ungefähr 2034 immer mehr in Innovation, vielleicht verstehen spätere Zuschauer*innen das Zukunftsweisende, Wahre, Weise in der Geschichte. Oder sie feiern einfach nur mit liebevollem Nerdblick, dass das Monster an deutlich sichtbaren Fäden hängt.
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