Kritik zu Alien: Romulus

© 20th Century Studios

Mit der Inszenierung eines »Alien«-Films erfüllt Fede Alvarez sich einen Kindheitstraum. In Personalunion von ehrgeizigem Fan und gelehrigem Schüler will er der moribunden Saga neues Leben einhauchen

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Manch althergebrachter Trick funktioniert auch in ferner Zukunft und auf entlegenen Planeten noch. Bergleute nahmen traditionell Vogelkäfige mit in die Grube. Wenn ihre Bewohner plötzlich von der Stange fielen, war dies ein untrügliches Zeichen, dass giftiges Gas ausströmt. Dieses Frühwarnsystem scheint es auch auf dem Planeten zu geben, den Weyland Industries kolonisiert haben, um dessen Bodenschätze auszubeuten. Anfangs jedenfalls ist im Vorbeigehen ein solcher Käfig beiläufig zu sehen. Fede Alvarez ist kein Regisseur, dem irgendetwas absichtslos unterlaufen würde. Keine Idee darf verschwendet werden, jede Warnung muss sich als fatal erweisen.

Rain (Cailee Spaeny) möchte diesen Ort, an dem nie die Sonne scheint, lieber heute als morgen verlassen, nicht ohne ihren Adoptivbruder Andy (David Jonsson), einen freundlichen Androiden mit leichten Programmierungsdefiziten. Aber der finstere Konzern hat das Arbeitspensum heraufgesetzt und ihre Heimkehr um Jahre verschoben. Also schließt sie sich einem Trupp von Freunden an, die von einer ausgemusterten Raumstation erfahren haben, auf der es Cryo-Pods gibt, jene Tiefschlafkapseln, die genug Energie besitzen, um zu einem erfreulicheren Planeten zu gelangen. An Bord stoßen sie jedoch auf eine andere, verheerende Hinterlassenschaft von Weyland Industries.

Auf der Zeitleiste der »Alien«-Saga ist Romulus zwischen dem ersten und zweiten Teil angesiedelt. Mithin ist nicht darauf zu hoffen, dass die Spezies diesmal ausgerottet wird. Die Spannung entsteht wiederum aus der Frage, wer von den Weltraumfreibeutern überleben wird. Alvarez und sein bewährter Co-Autor Rodo Sayagues scheinen auf Anhieb genau die Richtigen zu sein, um der Saga neuen Elan zu geben. In ihren geradezu skrupellos effizient erzählten Horror- (»Evil Dead«) und Thriller-Etüden (»Don't breathe«) verfolgen sie ehrgeizig das Projekt einer Genre-Erneuerung; zudem besitzen sie ein Faible für klaustrophobische Dramaturgien. Sie sind fürwahr unbarmherzige Fallensteller.

Frisch ist die Erfahrung, sich eines schier unbesiegbaren Monsters erwehren zu müssen, allerdings nur für die Figuren: Sie entdecken, was wir längst kennen. Das Ungeheuer hat seine todbringenden Methoden nicht geändert (warum sollte es auch?), es wächst lediglich schneller heran als in den vorangegangenen Teilen. Alvarez und Sayagues befolgen streng die Regeln, die Ridley Scott und seine Autoren im ersten Film etabliert haben: die sich langsam anschleichende Spannung, die pünktlichen Schockmomente und die verzweifelt findige Gegenwehr der todgeweihten Protagonisten. Ihnen genügt es, eine Anthologie der bewährten Motive anzulegen, gleichsam ein Best-of-Album der Saga. Ihrer Episode fehlt, was ein vernünftiger »Alien«-Film unbedingt braucht: das Unterbewusste. Sie verheddern sich im Geflecht der smarten Verweise, schürfen aber nicht tief in den Gruben der Mythologie, liebäugeln nur ein wenig mit der Sexualisierung der Attacken – ein Mitglied der Räubercrew ist schwanger, was weniger von metaphorischer Tragweite als Anlass für spektakuläre Spezialeffekte ist. Das große Problem der Saga, das eigentlich nur noch James Cameron in »Aliens« löste, kristallisiert sich in Romulus endgültig heraus. Das Publikum ist längst gewöhnt an das Antlitz der Bedrohung, nach Jahrzehnten der Sichtbarkeit hat es gehörig an Schrecken eingebüßt. 

Die letzte Volte, in welcher Weylands Plan zu einem Upgrade der Menschheit sich entsetzlich Bahn bricht, bleibt eine ratlose Ausflucht. Ein Geniestreich indes gelingt dem Gespann. In höchster Gefahr entdeckt Rain einen Knopf, mit dem sie von der Schwerkraft zur Schwerelosigkeit umschalten kann. Unversehens wird der Überlebenskampf zu einem fulminanten Ballett. Warum nur ist in den vergangenen 45 Jahren nicht früher jemand auf diese Idee gekommen?

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich finde den Charakter Andy problematisch. Er wird als kindlich, grundgut, aber eben auch als leicht beschränkt dargestellt. Ich fühlte mich unangenehm an die Sklaven in "Vom Winde verweht" und ähnlichen Filmen erinnert. Folgt Andy als einzige schwarze Hauptperson mit seiner "Schwester" Rain nicht dem gleichen Muster? Auch als Andy im Laufe der Geschichte sein Upgrade bekommt, wird er natürlich sofort böse. Ein Sklave mit Verstand? Das kann ja nichts gutes sein.

Das ist eine ziemlich rassistische Aussage von dir/der/das/In, eine farbige HAUPTFIGUR (in dem der Schauspieler eine grandiose Arbeit macht mal nebenbei gesagt) gleich als Sklave und böse zu sehen. überhaupt ihn wegen seiner Hautfarbe irgendwie einzuordnen.. Nicht tolerant von ihnen*in!

Scheinbar habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich meinte, dass der Film rassistische Stereotype (ähnlich wie im Film "Vom Winde verweht") reproduziert, indem der einzige schwarze Charakter in Alien eben so dargestellt wird, wie er dargestellt wird.

"Warum nur ist in den vergangenen 45 Jahren nicht früher jemand auf diese Idee gekommen?"

So alt ist Star Trek VI nun auch wieder nicht...

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