ARD-Mediathek: »Seconds«
© NDR/Herkki Erich Merila/Fire Monkey
Den Ersthelfern bietet sich ein Bild des Grauens. Ein Zug ist entgleist, ein Tankwagen explodiert, das komplette Bahnhofsgebäude ist abgebrannt. Am Vorabend hatten Jugendliche dort eine Geburtstagsfeier abgehalten. Nur einer von ihnen hat überlebt, mit so schweren Verbrennungen, dass er vorerst nicht identifiziert werden kann.
In solchen Fällen werden die Unfallermittlerin Marita Kaila und ihr Team herangezogen. Sie arbeiten unabhängig von anderen Institutionen und geben den Ton an, was häufig zu Reibungen führt. Trotz langjähriger Erfahrung, die Schicksale der Beteiligten lassen die Expertinnen und Experten keineswegs kalt. Jenni Louhipelto, Maritas Kollegin und beste Freundin, hat eine Angststörung entwickelt, Marita selbst trägt Geister der Vergangenheit mit sich herum. Genauer gesagt einen Geist, den ihrer Schwester, die als Kind beim Schwimmen ertrank.
Das Unglück gibt Rätsel auf. Was setzte die fatale Ereigniskette in Gang – der Brand, die Explosion, die Entgleisung? Eine Brandstiftung aus Rache kommt in Betracht, auch fällt ein beißender Geruch auf, der die Atemwege angreift. Die Bahn erprobt gerade ein neues KI-System, das den Lokführer arbeitslos machen könnte, aber noch Probleme bereitet. Ein Sabotageakt, ein Attentat? Aber wer würde einen Anschlag dieser Größe weitab im kleinen finnischen Örtchen Pyhäniemi verüben? Die Stilllegung der Strecke verursacht Kosten. Die Wirtschaft wird ungeduldig und mobilisiert die ehrgeizige Verkehrsministerin.
In der finnischen Serie »Seconds«, eine Koproduktion mit dem Norddeutschen Rundfunk, ereignen sich Verbrechen. Doch das Schöpferteam Roope Lehtinen, Mikko Pöllä und Laura Suhonen löst sich von bekannten Schablonen des Krimigenres. Einer der Unterschiede liegt darin, dass die Unfallermittler die Ergebnisse ihrer Befragungen nicht an die Polizei weiterreichen dürfen. Die Gespräche mit Beteiligten, Betroffenen, Zeugen verlaufen anders als Vernehmungen durch Vollzugsbeamte.
In »Seconds« ist der (Scandic-)Noir-Aspekt weit deutlicher ausgeprägt als in Serien, deren Autoren Spannungseffekte über exzessive Gewaltdarstellungen zu erzielen suchen. Vergleichbar mit Produktionen wie »Plötzlich Alles Anders« und »Wenn die Stille einkehrt«, geht die Erzählung in bestem Sinne in die Breite. Da ist das keineswegs konfliktfreie soziale Gefüge einer dörflichen Gemeinschaft, das politische Milieu, der buchstäblich mörderische Konkurrenzkampf in der IT-Branche. Diverse Gruppendynamiken, auch innerhalb der Behörde, werden einfühlsam examiniert, auch die psychischen Befindlichkeiten Einzelner.
Marita Kaila führt Gespräche mit ihrer verstorbenen Schwester, Rückblenden zeigen sie an Orten des Geschehens, an denen sie nur in Gedanken anwesend ist, aber mit tatsächlich Beteiligten spricht, sich Dinge zeigen lässt, auf Vorkommnisse reagiert. Solcher manieristisch wirkender Szenen hätte es nicht bedurft.
Fortsetzung folgt, Dreharbeiten zur zweiten Staffel stehen bevor.
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