Apple TV+: »Slow Horses« Staffel 4
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Normalerweise sind Agenten beinahe wie Übermenschen. Woran Normalsterbliche kläglich scheitern, das schaffen diese hoch spezialisierten Einzelgänger mit links. Nicht so die Mitarbeiter des »Slough House«, ein Abstellgleis für gescheiterte Spione des britischen MI5. Sie haben Mist gebaut und dürfen nach ihrer Degradierung nur noch Akten sortieren und Müll durchwühlen. Die preisgekrönte Apple TV+-Serie »Slow Horses« ist eine Hommage an diese liebenswürdigen Versager.
Die vierte Staffel des kultverdächtigen Mehrteilers basiert auf der Buchvorlage »Spook Street« aus der Romanreihe des britischen Autors Mick Herron. Sie variiert das durchgehende Grundthema menschlicher Schwächen, Fehlgriffe und des Alterns. So macht River Cartwright (Jack Lowden), der sich nach seiner Strafversetzung im Slough House allmählich ein Standing verschafft hat, zunehmend Sorgen um seinen 80-jährigen Großvater David (Jonathan Pryce). Der pensionierte Vizechef des MI5 leidet inzwischen an Altersdemenz.
Als River nach dem Rechten sehen will, legt der alte Herr mit der Schrotflinte auf ihn an. Glücklicherweise erwischt er nicht den Enkel, sondern nur jemanden, der ihm verblüffend ähnlich sieht. Wie kann das sein? Die Spur führt in ein französisches Dorf, wo sein Großvater in der Vergangenheit stets »Urlaub« zu machen pflegte. Durch die Folgen jener amourösen Begegnungen, die er hier hatte, wird der junge Agent von einer Vergangenheit eingeholt, von der er lieber nichts erfahren hätte.
Schon dieser kurze Abstecher über den Kanal ist ein cineastisches Kabinettstück. Mit beiläufiger Präzision fängt die Kamera ein stilvoll verwittertes Château und ein trostloses französisches Dorf ein. Unversehens befindet River sich auf der Flucht vor einer blutrünstigen Meute – und hofft inständig, dass das klapprige Mofa schnell genug ist, damit der hinterherrennende Kampfhund ihm nicht doch noch in den Allerwertesten beißt. Komik entsteht in der kurzweiligen Serie nicht allein durch britischen Humor, sondern auch durch verschwenderisch in Szene gesetzte Materialschlachten, die ihre eigene Absurdität spielerisch hervorkehren. Diesmal legt ein unbesiegbarer Superagent das komplette Slough House in Schutt und Asche. Und warum das Ganze? Weil die ebenso arroganten wie unfähigen Agenten des MI5 einmal mehr einen peinlichen Fehler vertuschen wollen – und so das gesamte Chaos erst lostreten. Indirekt verschuldet der unfähige Inlandsgeheimdienst sogar einen Selbstmordanschlag mitten in London.
Um die Dinge wieder ins Lot zu bringen, muss Jackson Lamb – Gary Oldman in der Rolle seines Lebens – wieder einmal zu fiesen Tricks greifen. Mit dieser unnachahmlichen Mischung aus Action, Slapstick und den stilvoll fotografierten Locations zählt dieser Agenten-Blues zu den derzeit besten Serien. Die fünfte Staffel ist bereits abgedreht. Eine gute Nachricht.
OV-Trailer
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