Interview: Will Smith über »Slow Horses«
Gary Oldman und Will Smith am Set von »Slow Horses«. © Apple/Jack English
Mr. Smith, Sie sind seit Beginn als Produzent und Hauptautor bei »Slow Horses« dabei, als Autor schreiben Sie derzeit jeweils die ersten beiden und die letzten beiden Episoden jeder Staffel. Wie sind Sie zu dem Job gekommen?
Jamie Lawrensen, der Executive Producer bei See Saw Films, sprach mich an, er kannte frühere Arbeiten von mir. Der Roman von Mick Herron mit seiner Mischung aus Suspense und Humor kam mir entgegen. Das Genre ist Spionage. aber die Figuren fühlten sich ganz realistisch an – Menschen mit wirklichen menschlichen Fehlern, die zu kämpfen haben mit Trauer und Alkoholismus, mit Karriereknicken, mit Scheidung. Mick Herron schreibt einfach sehr komisch, seine Bücher sind dramatisch mit komischen Momenten. Die Dramatik steht im Mittelpunkt. Armando Iannucci, mit dem ich an verschiedenen Fernsehserien gearbeitet habe, hat mir einmal gesagt, dass er oft Szenen gestrichen hat, wenn er den Eindruck hatte, die Komik würde in diesem Moment die Figur nicht weiterbringen.
Sie sind während der verschiedenen Phasen der Produktion involviert?
Ja, ich bin Teil des Teams, das über das Casting und die Wahl der Staffel-Regisseure befindet. Ich bin auch für Rewrites zuständig und für die Arbeit mit Regisseuren und Darstellern während der Dreharbeiten.
Jede des bisherigen vier Staffeln wurde von einem anderen Regisseur inszeniert...
Das war von Anfang an der Plan unseres Executive Producers Douglas Sabanski – einen Regisseur zu finden, der der Staffel seinen eigenen Stempel aufdrücken kann. Die Romane spielen zu unterschiedlichen Jahreszeiten, daraus ergibt sich ein unterschiedlicher look und ein jeweils anderes Gefühl. Es kommen ja auch immer neue Figuren hinzu, so muss der Regisseur neue Schauspieler besetzen. Ich denke, das ist spannend für einen Regisseur, aufzubauen auf das, was schon da ist und das dann weiterzuentwickeln, es in neue Bahnen zu leiten.
Zuschauer, die die Buchvorlagen kennen, durften in Staffel 3 überrascht sein von der ersten Szene, noch vor dem Vorspann: eine Verfolgungsjagd in Istanbul und der Tod einer Figur. Beim Anfang von Staffel 4 dagegen haben Sie etwas fortgelassen: das Selbstmordattentat eines Bombenanschlages ist hier sehr verknappt zu sehen, wenn Roderick Ho, einer der Mitarbeiter aus dem Slough House, ein Restaurant verlässt und – während er die Straße hinuntergeht, durch Kopfhörer von seiner Umwelt abgeschirmt – im Hintergrund eine Bombenexplosion zu sehen ist. Das ist sehr ökonomisch erzählt, während es im Roman eine ziemlich drastische Beschreibung der verheerenden Folgen der Bombenexplosion in einem Einkaufszentrum gibt. Ich habe mich gefragt: gibt es Richtlinien, die es verbieten, Akte von Terrorismus zu zeigen, weil das Nachahmer hervorrufen könnte?
Nein, das ist nicht der Fall. Wir hatten ja schon immer auch Opfer in der Serie, aber zu zeigen, dass hier so viele unschuldige Menschen gleich am Anfang der ersten Folge ihr Leben verlieren, schien uns dann doch zu niederschmetternd. Wir hatten tatsächlich eine Szene geschrieben mit einem Wachmann im Einkaufszentrum, zudem hatten wir das Ganze in die Vorweihnachtszeit verlegt, mit Familien beim Einkaufen und dem Auto des Attentäters, das dort hinein fährt. Am Ende war uns das doch zu düster und wir beschlossen, den Schrecken nur anzudeuten. Zudem hatten die beiden vorausgegangenen Staffeln mit neuen Figuren begonnen, die dann starben. Das wollten wir nicht wiederholen und entschieden uns dafür, diese mit einem der 'Slow Horses' zu beginnen, das die Zuschauer bereits kannten. Das war ein anderer Auftakt als zuvor und wir mussten die Zuschauer nicht grundlos in Schrecken versetzen.
Im Pressematerial äußern Sie, dass für Sie das zentrale Thema dieser Staffel der Verlust sei – auch diesmal überlebt eines der »Slow Horses« diese Geschichte nicht. Von einem anderen Verlust, der für mich den eigentlichen Kern der Geschichte ausmacht, erzählt die Beziehung zwischen River Cartwright und seinem Großvater, einem einstigen hochrangigen Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes. Sie verstärken das noch, indem Sie am Ende eine Szene zwischen den beiden einfügen, die sich nicht in der Buchvorlage findet.
Ja, das schien uns ein guter Abschluss dieser Geschichte, bei Mick Herron findet sich diese Szene erst zu Beginn des Nachfolgeromans. Damit endet ja auch ein wesentlicher Erzählstrang, denn bei der ersten Begegnung mit Rivers Großvater im allerersten Roman erleben wir ihn in seinem Landhaus, wo er noch sehr scharfsichtig die Vorgänge im Geheimdienst beurteilt; zu diesem Zeitpunkt verehrt River ihn geradezu. Jetzt hat er zunehmende Demenz, zudem muss River ihn in einem anderen Licht als zuvor sehen und erkennen, dass er nicht der große Held ist. Wir konnten hier auch an die Szene in der vorangegangenen Staffel anknüpfen, in der River erfährt, dass sein Großvater nicht länger Mitglied eines exklusiven Clubs ist, dieser das aber gar nicht begreift. Das Zusammenspiel der beiden Darsteller Jonathan Pryce und Jack Lowden in der Szene hat mich damals umgehauen, die Zärtlichkeit, die dabei zu spüren war – so dass ich das unbedingt noch einmal aufgreifen wollte; am Ende dieser vierten Staffel schien mir dafür der richtige Platz zu sein. Außer seinem Großvater war ja höchstens noch Jackson Lamb eine Vaterfigur für River Cartwright.
Die Staffel steht für mich in einem starken Kontrast zur kommenden, die ja mit Roddy Ho als Protagonisten die mit Abstand unsympathischste Figur unter den Mitarbeitern von Slough House im Zentrum hat. War das für Sie eine besondere Herausforderung – dass Zuschauer nach Staffel 4 vielleicht mehr persönliche Geschichten mit noch mehr Nähe zu den Figuren erwarten, was die dritte Staffel ja für Jackson Lambs Sekretärin Catherine Standish leistete?
Das ist etwas, das ich immer im Kopf behalte – aber mir gefällt auch, dass die Bücher sich durch den Wechsel der beiden Elemente mit unterschiedlichen Akzentsetzungen auszeichnen. In der ersten Staffel ging es um eine Entführung, die zweite war eine eher traditionelle Spionagegeschichte mit einem Rückbezug auf den Kalten Krieg, die dritte bot dann mehr Action, gerade mit dem Schlussteil und seiner ausgefallenen Location. Die vierte ist persönlicher, aber auch brutaler durch die Figur des Schurken, während die fünfte durch den Protagonisten Roddy Ho komische Akzente setzt (aber auch – mit einer anstehenden Wahl – ins Politische geht). Das funktioniert, weil Roddy eine Figur ist, die ihren eigenen Größenwahn hat, aber irgendwie auch etwas von einem großen Kind.
Die »Honigfalle«, in die er in den kommenden Staffel tappt, wird hier in einer Szene schon angedeutet...
Ja, das stimmt. Wir haben in der nächsten Staffel eine große Veränderung vorgenommen, über die ich natürlich heute noch nicht sprechen kann.
Auch das Schicksal des Gegenspielers ist am Ende der vierten Staffel anders als in der Romanvorlage.
Ja, das war zum einen eine logistische Frage – es so zu drehen wie im Roman wäre extrem aufwändig gewesen – und die Szene sollte wegen des persönlichen Elements auch River gehören und nicht einer der neuen Figuren dieser Staffel.
Und Sie haben eine prägnante Szene zwischen dem von Hugo Weaving verkörperten Oberbösewicht und Kristin Scott Thomas als stellvertretende MI5-Chefin hinzugefügt...
Ja, schließlich taucht diese Figur in einem späteren Roman noch einmal auf.
Als Fan des Musikers Nick Drake habe ich mich gefreut, dass ganz am Ende ein Song von ihm zu hören ist.
Das war eine Idee des Regisseurs Adam Randall – der Song mit seiner Melancholie passt genau, fand ich.
Ist schon entschieden, wer bei der fünften Staffel Regie führen wird?
Ja, Saul Metzstein, der auch die dritte Staffel inszeniert hat. Sie ist fast abgedreht, Sie dürfen Sich auf einen Teaser am Ende der laufenden Staffel freuen.
Ist Mick Herron, der mittlerweile acht »Slow Horses«-Romane und eine Reihe kürzerer Arbeiten aus diesem Universum veröffentlicht hat, jemand, der leicht für Änderungen zu gewinnen ist oder müssen Sie da gelegentlich auch harte Kämpfe ausfechten?
Mick ist sehr zufrieden mit dem, was wir gemacht haben, wichtig ist ihm, dass wir dem Geist der Vorlage treu geblieben sind. Er kommt normalerweise zu Beginn, in der Mitte und am Ende der Arbeit in den Writers Room, wo wir ihn über Änderungen und Details informieren. Dann sagt er oft, schade, dass er das nicht so geschrieben hat. Das einzige Mal, dass wir eine größere Debatte hatten, betraf einen Moment in der ersten Staffel, wo wir eine Information zum Hintergrund einer Figur hinzugefügt hatten – als Taverner in ihre Handtasche greift und man das Foto eines schwarzen Ehemannes und Kinder sieht. Da sagte er, er habe sie nicht so geschrieben.
Die finale, sechste Episode der vierten Staffel von »Slow Horses« ist ab 9. Oktober auf Apple TV+ verfügbar.
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