Kritik zu Rohbau

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Für sein Spielfilmdebüt gewann Tuna Kaptan bei den letztjährigen Hofer Filmtagen den Förderpreis deutscher Film

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Es ist eine dieser Baustellen, wie man sie tausendfach in Deutschland ­antrifft, wo Mehrfamilienhäuser in einem imitierten Bauhausstil entstehen, der mit seinen weißen Fassaden und der betonten Kastenförmigkeit landauf, landab alles gleich aussehen lässt. Meist sind es teure Eigentumswohnungen, die da gebaut werden, auch in der Hoffnung, dass durch die steigenden Mieten die Nachbarschaft gentrifiziert wird. 

Lutz (Peter Schneider) ist der Bauleiter auf einer dieser Baustellen. Und weil Baufirmen ja nicht nur beständig klamm, sondern immer auch zeitlich in Verzug sind, beschäftigt er nachts Schwarzarbeiter, die es richten müssen. Als einer von ihnen bei einem Arbeitsunfall stirbt, entsorgt er die Leiche kurzerhand im Fluss, ohne dass der Film darüber ein großes Aufheben machen würde. 

Die Schwierigkeiten kommen, als die 14-jährige Albanerin Irsa (Angjela Prenci) mit ihrem roten Rucksack auf der Baustelle auftaucht und ihren Vater sucht. Lutz gibt vor, ihr zu helfen, will sie vor allem aber aus dem Blickfeld der Investoren schaffen, von denen er sich auch privat einen neuen Auftrag verspricht. Beide versuchen es mit Lügen, er sagt, dass er ihren Vater nicht kenne, sie, dass sie noch Verwandte in Deutschland habe. 

Aber er kümmert sich um sie, bringt sie bei sich unter, fährt sie nach Albanien zurück, indem er ihr vorlügt, dass ihr Vater als Schwarzarbeiter erwischt und nach Albanien abgeschoben worden wäre. Will er sie einfach nur möglichst schnell loswerden? Oder ist es auch ein Ausdruck von Schuld und Reue? Auf alle Fälle steht das Unausgesprochene, der Tod von Irsas Vater, für uns Zuschauer nachgerade schmerzhaft zwischen ihnen, auch wenn Tuna Kaptan sensibel und behutsam von einer kleinen Annäherung – oder vielleicht nur: Gewöhnung – während der Reise erzählt. 

Wäre Lutz eine literarische Figur, würde man ihn eine provisorische Existenz nennen, ein losgelöster Mensch, geschieden, gescheiterter Architekt, dessen Firma pleitegegangen ist, der nur seinen Van sein Eigen nennt und in einer Musterwohnung seines Bauprojekts lebt – die genauso langweilig wirkt wie solche Häuser von außen. Peter Schneider spielt ihn statuarisch, ziemlich verhärmt. Aber am Ende wird dieser Lutz ganz skrupellos seine Chance nutzen. 

Man kann »Rohbau« auch als eine Art Antwort auf Peter Thorwarths Bauarbeiter-Klamotte »Was nicht passt, wird passend gemacht« aus dem Jahr 2002 sehen, in der der – fingierte – Tod eines Schwarzarbeiters zum Ausgangspunkt einer Prollkomödie wurde. »Rohbau« ist viel zugespitzter und auch böser. Und er zeigt auch, neben den gesichtslosen Fassaden neuen deutschen Bauens, jene Unorte, wo sich »die im Dunkeln« (Brecht) aufhalten müssen, die matschigen Baustellen, die Parkplätze, die Gegenden, in denen Laster neben Containern stehen. Der ausbeuterische Umgang mit illegaler Arbeit ist nicht das Thema dieses Films, aber er schwingt immer mit.

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