Kritik zu Das Land der tausend Weine
Hier wird getrunken: José Luis López-Linares' Loblied auf die spanische Weinbauregion Rioja ist eher ein informativer Image- denn ein nachdenklich stimmender Dokumentarfilm
Dieser Film ist weder etwas für Biertrinker noch für trockene Alkoholiker. Dieser Film ist etwas für Liebhaber des göttlichen Tropfens Wein, in dem bekanntlich die Wahrheit liegt. Allerdings muss man ihn sich etwas schön trinken.
»Das Land der tausend Weine« von José Luis López-Linares porträtiert die Rioja: ein berühmtes Weinbaugebiet im Norden Spaniens, das entlang des Flusses Ebro in den Provinzen La Rioja, Baskenland und Navarra eine Anbaufläche von etwa 60 000 Hektar umfasst. Der Weinbau kann in dieser Region auf eine sehr lange Tradition zurückblicken; das älteste Dokument, das die Existenz von Trauben dort belegt, stammt aus dem Jahr 873. Selbst wer von spanischen Weinen keine Ahnung hat und normalerweise Wasser trinkt, hat doch vom Rioja schon gehört, dem kräftigen, sonnenträchtigen Tiefroten mit der klaren Ansage. Dessen Herkunftsgebiet zu erkunden, verspricht Erkenntnisse, spiegelt sich doch im Wein auf unvergleichliche Weise auch immer die Erde, die ihn hervorbringt. Und die ist selten nur eine schöne Landschaft.
Während also auf der einen Seite die Männer in Gewölben in Becken steigen, um die Trauben mit den Füßen zu zerstampfen und den Saft anschließend in Holzfässer oder Tonkrüge zu füllen, wird auf der anderen Seite in riesigen Hallen das kostbare Nass vollautomatisch von Schläuchen in Betonbehälter gepumpt. Althergebrachte Handwerkstradition steht neben modernsten Fertigungsverfahren, die klassische, rötlich-ockerfarbene Ziegelstein-Bodega neben dem vom Architekten Frank O. Gehry entworfenen Weingut-Hotel-Restaurant-Komplex (in Elciego). Und immer und überall finden sich gut gelaunte Leute, die mit einem Glas in der Hand von der Geschichte und Gegenwart ihres Vinifizierungsmetiers erzählen und ihren Hoffnungen für die Zukunft Ausdruck verleihen.
Nur leider fehlt der rote Faden, und vor allem die unermüdlich vor sich hin sinfonierende Musik von Jorge Magaz trägt dazu bei, dass einem »Das Land der tausend Weine« doch allzu oft wie eine Auftragsarbeit für das dortige Tourismusbüro vorkommt. Also erfährt man vom Sortenreichtum der Rotweine und dass es in der Rioja auch Weiße gibt. Man staunt darüber, dass der Inhalt einer Flasche von 1862 immer noch trinkbar ist. Man nimmt zur Kenntnis, dass mancherorts auch biodynamisch angebaut wird und zunehmend Frauen als Winzerinnen und Önologinnen tätig sind. Man freut sich darüber, dass das Konzept der Einzellagenweine immer mehr Zuspruch findet und Familienbetriebe keine Seltenheit sind.
Doch all diese Informationen bleiben Flickwerk und folgen ohne raumzeitliche Einordnung aufeinander – ein Verfahren, das einer Kulturtechnik mit zweitausendjähriger Geschichte schlicht nicht gerecht wird. Es ist, als würde der für seine kulturhistorischen Dokumentarfilme vielfach geehrte López-Linares – Jahrgang 1955 und hierzulande am bekanntesten wohl für »Hieronymus Bosch – Garten der Lüste« (2016) – Impressionen im angeschickerten Zustand liefern. Schwungvoll montierte Vignetten, denen es nicht darauf ankommt, dass oder was hängenbleibt, solange nur der Wein nicht ausgeht.
Kommentare
Das Land der tausend Weine
Danke für diese zutreffende Rezension. Ich war am Ende außerdem sehr genervt davon, dass noch einige Nebenkapitel eröffnet wurden, z.B. die Gourmet-Küche und der Gemüse-Anbau. Die Weinprobe mit uralt-Weinen war interessant, brachte aber eigentlich keine tiefere Erkenntnis. Mich hätte interessiert, wieviel die Teilnehmer an der Weinprobe dafür bezahlen müssen...
Ich habe versucht herauszufinden, wer die Geldgeber für diesen Film sind. Ist mir leider nicht gelungen. Der Film macht tatsächlich en Eindruck, vom Rioja-Weinbauverband und Tourismusverband gesponsort zu sein. Kritische Stimmen gab es ja kaum (Lagenbezeichnungen wurden von einem Winzer als übertrieben/überrflüssig beurteilt, oder täusche ich mich?).
Grüße
Claudia Baygan
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