Kritik zu Sad Jokes
Fabian Stumms zweiter Langfilm erzählt von einem Regisseur und Vater in der Krise. Erzählt? Nicht ganz. »Sad Jokes« entfaltet sich als Serie von Miniaturen – ein Panoptikum emotionaler Aggregatzustände
Die Komödie ist bekanntermaßen eine komplizierte Angelegenheit, sie sei die »Königsdisziplin«, sagt auch Godehard Giese als wunderbar windiger und übergriffiger Produzent einmal. Er, der seinem zahngeschädigten Hund die Salami vorkaut, ist alles andere als begeistert von Josephs (Fabian Stumm) neuem Drehbuch, was der Regisseur aber nicht so recht fassen kann. Er spiele doch bewusst mit Überzeichnungen, erklärt Joseph, etwa beim Suizid einer Figur, die den Kopf in den Ofen stecke und von einem Kind gefunden werde. »Mein Onkel hat sich das Leben genommen«, sagt mit versteinerter Miene der Produzent.
Es ist eine von vielen Situationen aus Fabian Stumms zweitem Film »Sad Jokes«, die so komisch wie traurig ist, so metafilmisch wie naturalistisch, so schräg wie berührend. Der Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur verfolgt nach »Knochen und Namen«, dem Porträt eines schwulen Künstlerpaars im Krisenmodus, seinen Sound weiter und verfeinert ihn noch: seinen im deutschen Kino aktuell einzigartigen Freejazz der Tonalitäten, bei dem sich verspielt mediale Reflexion und ein Hin und Her zwischen Kunst und einer autofiktional aufgeladenen Wirklichkeit gegenseitig ablösen.
»Sad Jokes« erzählt in fein choreografierten, teils langen, ungeschnittenen Szenen von dem Regisseur Joseph, der mit seiner besten Freundin Sonya (Haley Louise Jones) den kleinen gemeinsamen Sohn Pino (Justus Meyer) aufzieht. Joseph hat die Trennung von seinem Ex noch nicht überwunden, arbeitet an einem neuen Film über jemanden, der unter Automatonophobie, der Angst vor großen Statuen, leidet und versucht, Kunst und Alltag unter einen Hut zu bekommen. Sonya hat sich wegen Depressionen zur Behandlung in eine Klinik begeben.
Das klingt nach hartem Tobak und das ist es auf dem Papier auch. Nur sucht Stumm eben nicht das große Drama, sondern die Zwischentöne und die Absurditäten des Daseins. In einer zu Tränen rührenden Szene liest die verzweifelte Sonya ihrem besten Freund eine während der Therapie niedergeschriebene Traumreise zur Geburt des Sohnes vor. Joseph habe ihr, weil alle Läden geschlossen waren, Brötchen, Camembert und Fleischsalat von der Tankstelle mitgebracht. In einer anderen Szene klemmt sich der Regisseur den Finger in einem Essensautomaten ein und das Slapstickpotenzial dieser und weiterer Szenen offenbart, dass Stumm ein feines Händchen für Timing hat.
Er habe, erzählt er im Interview, das Skript zu »Sad Jokes« in Hotels, Zügen und auf Flughäfen geschrieben, dabei das Leben so weit wie möglich einfließen lassen und sich zugleich erlaubt, Realität in Fiktion zu verwandeln. Stumm selbst ist schwul und zieht mit seiner besten Freundin zwei Kinder auf – in »Knochen und Namen« spielte das Mädchen mit, hier nun der Junge. Glücklicherweise zelebriert der Regisseur keine platte autofiktionale Selbstbespielung, sondern versteht es, eigene Lebenserfahrungen in Filme zu überführen, die beides sind: nah am Leben und doch sehr kinematografisch. Auch die Selbstverständlichkeit, mit der er von neuen, queeren Lebens- und Familienentwürfen erzählt, ist im deutschen Film einzigartig.
Einmal erklärt Joseph seiner Zeichenlehrerin (Ulrica Flach) beim Aktmodelzeichnen, dass er sein Bild abstrakt halten wolle. »Es sieht nach Spaß aus. Das ist gut, Spaß ist gut«, sagt Letztere und darin steckt vieles von »Sad Jokes«. Stumm sucht und findet das Abstrakte im Konkreten und er und sein Team, von denen viele schon bei »Knochen und Namen« dabei waren, haben sichtlich Spaß dabei. Beim Filmfest in München wurde er als bester Regisseur in der Sektion Neues Deutsches Kino ausgezeichnet und erhielt darüber hinaus den Kritikerpreis der FIPRESCI-Jury. Was mit einem Reigen trauriger Witze beginnt, entwickelt sich in feinfühlig inszenierten und gespielten Miniaturen zu einem Panoptikum menschlicher Stimmungen und emotionaler Aggregatzustände.
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