Kritik zu Knochen und Namen

© Salzgeber

In seinem Debütfilm entwirft Fabian Stumm das Porträt eines schwulen Künstlerpaars im Krisenmodus

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Gleich in den ersten Einstellungen von »Knochen und Namen« setzt Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Fabian Stumm den Sound seines Langfilmdebüts. Schauspieler Boris (Stumm) und sein Partner, der Schriftsteller Jonathan »Joni« (Knut Berger), diskutieren im Bett darüber, ob Ersterer in einem neuen Film eine Nacktszene spielen sollte. »Also ich würde mich jedenfalls nicht full frontal vor 'ne Kamera stellen«, sagt Joni, um dann genervt aufzustehen und völlig full frontal an der Kamera vorbeizulaufen. Alles ist hier herrlich meta, jedoch nie verkopft.

Boris arbeitet an einem neuen Film für die französische Regisseurin Jeanne (Marie-Lou Sellem). Darin geht es um einen Mann, der seine Frau (Susie Meyer) für einen anderen Mann (Magnús Mariuson) verlässt. Doppelt aufgeladene Ereignisse, denn die Französin verarbeitet in ihrem Film, wie wir später erfahren, eigene Erfahrungen, und zugleich offenbaren sich in den Proben auch die Krisen zwischen Boris und seinem Partner. Auch wenn ihr Film Dramatisches erzähle, »es ist nicht schwer«, sagt die Regisseurin und kommentiert damit auch »Knochen und Namen«.

Joni ist auf Recherchetour für seinen neuen Roman, der vordergründig von einer »Krankheit und einer Reise« handelt. Er trifft sich mit Menschen, die einen Verlust erlitten haben oder damit ihren Unterhalt verdienen. In einer sehr lustigen Szene lässt er sich von einem Bestatter (Godehard Giese) in einen Sarg stecken, samt Deckel drauf, bevor in der Totenkiste sein Handy brummt.

In zwischenmenschlichen Tableaus, oft vor weißen Wänden mit minimalistischer Inneneinrichtung gefilmt, entwirft der Film das lose Porträt des schwulen Künstlerpaars im zunehmenden Krisenmodus und zugleich einer Gruppe von Suchenden. Jonis Schwester, die alleinerziehende Natascha (Doreen Fietz), eine gelernte Opernsängerin, versucht, sich beruflich neu zu orientieren. Ihre Tochter Josie (Alma Meyer-Prescott) wiederum begegnet dem nahenden Ende ihrer Kindheit mit Schabernack, klaut Apfelshampoo oder verführt ihre beste Freundin zu Scherzanrufen. 

Stumm hat ohne Filmförderung gedreht, weil der Drang, die Geschichte zu erzählen, zu groß gewesen sei, um monatelang auf finanzielle Unterstützung zu warten, erzählte er im Interview. Sein Debüt ist ein kleiner, großartiger Film, und das im besten aller Sinne. Ihm gelingt etwas Seltenes: mit Humor und doppeltem Boden von eigentlich schweren Themen zu erzählen und mit ihnen zu spielen. Er gießt die existenziellen Freuden und Nöte seiner Großstädter, ihre Ängste und Verluste, begleitet von klassischer Musik, in einen höchst unterhaltsamen, sehr menschlichen Film, in dem sich Leben und Kunst berühren und durchdringen.

Als Joni seinem Partner während eines Radiointerviews die Liebe gesteht, ist Boris gerade Kaffee holen. Ja: Es geht auch um Abwesenheit. »Am Ende sind wir doch alle nur Knochen und Namen«, sagt der Bestatter.

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