Jens Balkenborg
Filmkritiken von Jens Balkenborg
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Zwischen exponiertem Paranoia-Modus und gewollter Theaterhaftigkeit schaukelt sich Jurijs Saules Film zu einem stilistisch subversiven und inhaltlich kontroversen Zwei-Personen-Kammerspiel hoch.
DDR 1989: Hannah will Profischwimmerin werden, währen ihre Freunde Andreas und Jens mit dem System anecken. Sarah Neumann verfilmt den gleichnamigen Jugendroman von Dorit Linke als teils ostalgisch gefärbten, klassich auserzählten Film voller Jugendbuch-Vibes, der von seinen Hauptdarstellern lebt.
Der schwule Regisseur Joseph zieht mit seiner an Depressionen leidenden besten Freundin Sonya den gemeinsamen Sohn auf und arbeitet an seinem neuen Film. In seinem zweiten Film verfeinert Fabian Stumm seinen im deutschen Kino aktuell einzigartigen Freejazz der Tonalitäten, bei dem sich verspielt mediale Reflexion und ein Pingpong zwischen Kunst und Wirklichkeit die Klinke in die Hand geben.
Rund drei Jahre lang hat Dokumentarfilmerin Ruth Beckermann eine Wiener Grundschulklasse begleitet. Herausgekommen ist ein so differenzierter wie hoffnungsvoller Blick in eine diverse, durch eine engagierte Lehrerin zusammengeschweißte Schulklasse.
Die Iranerin Narges versucht in Deutschland ihren zweiten Nachnamen »Shahid« loszuwerden, der übersetzt Märtyrer bedeutet. Narges Kalhors Mashup aus Dokumentar- und Spielfilm, Musical und Theater verhandelt tragikomisch Themen wie Zugehörigkeit, Identität und Integration und reflektiert das Filmemachen selbst. Ein experimentell in alle Richtungen flirrender, wagemutiger Film.
Mona nimmt die aus dem Süden des Sudans stammende Julia als Dienstmädchen bei sich auf, weil sie für den Tod ihres Mannes mitverantwortlich ist. Mohamed Kordofani erzählt eine sozialrealistische Parabel, in der sich das Politische des kulturell und religiös gespaltenen nordostafkrikanischen Landes im Privaten spiegelt.
Die 11-jährige Ama lebt illegal mit den aus dem Senegal geflohenen Eltern in Rotterdam. Als Mutter und Bruder verhaftet werden, macht sie sich, begleitet von einem riesigen Stachelschwein, auf die Suche nach ihrem Vater. Mit magischem Realismus erzählt Sander Burger kindergerecht und zugleich komplex von der Kraft von Mitmenschlichkeit und Empathie.
Seit 15 Jahren sind Yasemin und Ilyas ein Paar, bis sie im Café der Familie erschossen wird. Kanwal Sethi erzählt auf zwei Zeitebenen von der Beziehung, dem Schmerz der Hinterbliebenen und den polizeilichen Ermittlungen. Ein brandaktueller Film über strukturellen Rassismus, der leider seinen Bildern nicht traut und arg formelhaft und didaktisch daherkommt.
In einem Pflegeheim kommen sich Maria, eine sehr korpulente Pflegerin, und der querschnittsgelähmte Alex näher. Mit zwei fantastischen Hauptdarstellern inszeniert Claudia Rorarius so explizit wie sensibel eine Choreografie multipler Berührungen und verhandelt Fragen zu Körpernormen, Sexualität und Machtgefälle.
An einer englischen Eliteschule bringt eine guruhafte neue Lehrerin für achtsamer Ernährung ihre Schüler:innen dazu, das Essen gleich ganz aufzugeben. Jessica Hausner erzählt formal sachlich von Selbstzerstörung und triggert aktuelle Themen. Doch wird der toll inszenierte und ausgestattete Film ein Stück weit von seinem konzeptionellen Ansatz gefressen und lässt kalt.
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Thema
Mit Audiodeskription und Live-Verdolmetschung in Gebärdensprache: Könnte Kino standardmäßig barrierefrei sein? Das ist eines der Inklusionsthemen, mit denen sich das Interfilm-Festival in Berlin in diesem Jahr beschäftigt.
Meldung
Dass es mit der Liebe und der Sexualität keine leichte Angelegenheit ist, davon erzählten gestern drei Filme im Wettbewerb: »Babygirl«, »Trois amies« und »Leurs enfants après eux«, Ludovic und Zoran Boukhermas Coming of Age in einer französischen Kleinstadt – dazu an anderer Stelle mehr.
Meldung
Die dunklen Seite der Geschichte sind allgegenwärtig bei den deutschen Produktionen, die beim Filmfest in Venedig ihre Premiere feierten.
Tipp
Das Deutsche Filminstitut & Filmmuseum präsentiert in seiner neuen, breit angelegten Ausstellung den deutschen Film zwischen 2000 und 2023.
Thema
Eine zärtlich-verrückte Beziehungsgeschichte unter den rauchenden Schloten des Kohlereviers . . . Vielleicht hätte Fassbinder so was machen können. Im aktuellen deutschen Kino wirkt »Alle die Du bist« wie ein kleines Juwel, funkelnd und einzigartig. Eine Begegnung mit dem Regisseur und Autor Michael Fetter Nathansky und der Hauptdarstellerin Aenne Schwarz.
Blogeintrag
Auf der Berlinale ist Renate Reinsve in größeren Nebenrollen in gleich zwei Filmen im Wettbewerb zu sehen, zwei sehr unterschiedlichen Filmen: in Aaron Schimbergs grotesker Komödie »A Different Man« und in Piero Messinas Science-Fiction-Drama »Another End«.
Blogeintrag
Dass es in der Küche heiß hergeht und dass sie ein Ort sein kann, an dem sich ganze persönliche Geschichten manifestieren, an dem sie ausgefochten werden und explodieren, dafür steht die Serie »The Bear« wie keine zweite. Für alle, die die mit Preisen überhäufte Serie gesehen haben, muss Alonso Ruizpalacios' Wettbewerbsfilm »La Cocina« schal schmecken.
Blogeintrag
Bis zur Berlinale 2023 tummelten sich deutsche Nachwuchsfilme in der Sektion Perspektive deutsches Kino. Die Perspektive ist (leider) Geschichte, aber immerhin sind in diesem Jahr einige junge deutsche Regisseure in anderen Sektionen vertreten. In der Sektion Berlinale Special etwa ist Tilman Singers zweiter Langspielfilm »Cuckoo« zu sehen.
Thema
In den nuller Jahren war Yorgos Lanthimos Teil einer neuen Welle im griechischen Kino. Seit »The Favourite« ist er Anwärter auf die ganz großen Preise. Gebändigt hat ihn der Erfolg nicht, wie seine grelle Romanadaption »Poor Things« zeigt.
Meldung
Der dritte Tag auf dem Lido stand, zumindest was die Filmtiteln anging, im Zeichen der Musik. An diesem Tag feierten Bradley Coopers Leonard Bernstein-Biopic »Maestro« – ja, hier ging es auch um Musik – und Stefano Sollimas »Adagio« Premiere.