Venedig: »Willst du meine Cookies?«

»Babygirl« (2024). © Constantin Film

»Babygirl« (2024). © Constantin Film

Dass es mit der Liebe und der Sexualität keine leichte Angelegenheit ist, davon erzählten gestern drei Filme im Wettbewerb: »Babygirl«, »Trois amies« und »Leurs enfants après eux«, Ludovic und Zoran Boukhermas Coming of Age in einer französischen Kleinstadt – dazu an anderer Stelle mehr

50 Shades of Nicole Kidman

In Sachen Sex jedenfalls ist Halina Reijns Erotik-Dramedy »Babygirl« eine erwartungsvolle Gänsehaut vorangegangen: Nicole Kidman und Harris Dickinson in einem Film um eine sexuell unzufriedene Frau, die Befriedigung findet, wenn sie sich einem wesentlich jüngeren Mann unterwirft? Und ja: Kidmans Figur leckt hier in einer der vielen schönen Szenen des Films auf allen vieren eine Schale mit Milch leer und lässt sich auf dem Bauch liegend mit der Hand befriedigen.

Der Film beginnt und endet mit einem Stöhnen, wobei ersteres nicht von Befriedigung erzählt. Gleich nach dem Sex mit ihrem Mann (Antonio Banderas) schleicht Romy (Kidman) in einen Nebenraum, um zu einem Unterwerfungsporno zu masturbieren. Klar dass die Frau gleich einen crush auf Samuel (Dickinson) hat, der auf der Straße einen wilden Hund zähmt. Die verheiratete CEO lässt sich auf den wesentlich jüngeren Samuel ein, als der in ihrer Robotikfirma als Praktikant auftaucht – die Frau, die ihre Roboter und überhaupt alles dominiert, will selbst dominiert werden. 

Kidman und Dickinson brillieren in dem Wettbewerbsbeitrag. Sie spielt die Frau, die gerne seine Cookies als Leckerli bekommt, mit selbstbewusstem Augenzwinkern und intensiver Offenheit, er gibt den jungen Typen mit offensivem Charme.

»Babygirl« ist eine poppig inszenierte weibliche (sexuelle) Emanzipationsgeschichte, die ambivalent zwischen alberner Komödie, Psychoduell und Drama changierend Machtverhältnisse thematisiert und mit Referenzen auf die Erotikfilme der 90er-Jahre à la »Basic Instinct« den Male Gaze unterminiert. Das macht Spaß und steckt voller denkwürdiger Szenen, doch so provozierend, wie er tut, ist der Film nicht, und wirklich tief lotet er sein Thema dabei nicht aus.

Liebesreigen

Gegenüber »Babygirl« erscheint Emmanuel Mourets »Trois amies« geradezu keusch. Sein Film ist very french: drei Freundinnen, eine hat sich entliebt, die andere auch, nimmt das aber hin, die Dritte hat eine Affäre mit dem Mann der zweiten. Es wird viel geredet, über die Liebe, das Leben und, nachdem jemand stirbt, der als Off-Erzähler durch die Geschichte führt, auch über den Tod.

Die Darsteller:innen tragen diesen auf seine Art charmanten, im Drama das auch komische, menschliche suchenden Film, der Erinnerungen an Éric Rohmer bewusst weckt. Der Film arbeitet sich an den komplizierten Liebes-Irrungen und -Wirrungen der drei Freundinnen ab und verhandelt auch das Geschichtenerzählen selbst. Nur weiß »Trois amies« außer ein paar Liebes- und Lebensweisheiten nicht viel daraus zu ziehen. Irgendwann blubbern die immer komplizierter sich gestaltenden Beziehungsgeflechte vor sich hin: ein Liebesreigen ohne wirkliche Dringlichkeit mit einem nicht durchweg überzeugenden Erzählmodus – inklusive einer Begegnung mit dem Jenseits.

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