Berlinale: Kitchen-Overkill
Dass es in der Küche heiß hergeht und dass sie ein Ort sein kann, an dem sich ganze persönliche Geschichten manifestieren, an dem sie ausgefochten werden und explodieren, dafür steht die Serie »The Bear« (vor allem die erste Staffel…) wie keine zweite. Für alle, die die mit Preisen überhäufte Serie gesehen haben, muss Alonso Ruizpalacios' Wettbewerbsfilm »La Cocina« schal schmecken – auch hier gibt einmal eine Bon-Maschine mit Bestellungen den stampfenden Rhythmus vor.
Der mexikanische Regisseur zieht das Serienprinzip auf Spielfilmlänge: eine Küche in Manhattan (nicht Chicago), zwischenmenschliche Dramen, Hektik, Gebrüll, allerdings gefilmt in neorealistischem Schwarzweiß im 4:3-Format und angereichert um viele migrantische Themen und Probleme. Die Küche sei so international wie die UN, so ein Witz. Eine Arbeitserlaubnis haben die wenigsten.
Wir kommen mit einer jungen Mexikanerin im »The Grill« an. Sie kriegt den neuen Job, weil sie den Koch Pedro kennt und steht kurze Zeit später neben ihrem Verwandten an seiner Brat- und Chicken-Masala-Station. Pedro, ein Krawallbruder sondergleichen, sich für keinen Streit zu schade, hat eine Affäre mit Kellnerin Julia, die ungewollt von ihm Schwanger ist und erwägt, abzutreiben. In diesem Trubel muss auch noch ein Dieb gefunden werden, denn in der Kasse fehlen rund 800 Dollar. Die Angestellten werden nach und nach zur Zeugenaussage ins Büro gerufen.
Es ist technisch in jedem Fall virtuos, wie Ruizpalacios das Geschehen in Szene setzt: lange, umgeschnittene Einstellungen, eine Choreografie aus Mirko- und Makrodramen, wirbelnden Köchen und Kellnerinnen, zerbrochenen Tellern, Tränen, Träumen und Anekdoten. Der Film, der auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Arnold Wesker basiert, will dem oft ungesehenen Working-Class-Milieu eine Hommage sein, will quasi die Kunst des existenziellen Alltagskampfes in filmische Kunst übersetzen.
Doch wird dem virtuosen Film seine eigene Virtuosität auch zum Verhängnis. Es wirkt zu gewollt großspurig, wie Ruizpalacios seine durchweg sehr menschlichen Held:innen in Szene setzt zwischen all dem Chaos. »La Cocina« leidet an einem too much von vielem: zu viel Drama, zu viele angeschnittene Themen, zu viel kalkulierte Eskalation und ein zu großer Ästhetisierungsdrang. Wirklich nahe gehen die Held:innen in diesem Overkill nicht.
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