Disney+: »The Bear: King of the Kitchen«
»The Bear: King of the Kitchen« (Serie, 2022). © Disney+
Mit Serien ist es wie mit Restaurants: Vor allem anfangs ist es für sie sehr schwer, aus dem Überangebot herauszustechen und sich einen Namen zu machen. Zu viel Konkurrenz, zu viel Mittelmaß. Für die US-Dramedy »The Bear« gilt das gleich zweifach. Darin kehrt der junge Koch Carmy Berzatto (Jeremy Allen White) aus einem Sternerestaurant nach Chicago zurück, um das Familienlokal zu übernehmen. Eine in die Jahre gekommene Sandwichbude namens »The Original Beef of Chicagoland«, die er nach dem Tod seines Bruders wieder auf Zack bringen will, auch gegen die widerspenstige Belegschaft.
Ein strauchelnder Burgerladen? Die Geschichte klingt zunächst wenig einladend. Doch mit acht atemlosen Folgen ist es »The Bear« im Juni gelungen, in den USA innerhalb kürzester Zeit zum Phänomen zu werden. Das liegt nicht zuletzt am Tempo, mit dem man als Zuschauer unvermittelt in diesen aufgeheizten Mikroorganismus Gastroküche hineingeworfen wird, zusammen mit der jungen und ambitionierten Sydney (Ayo Edebiri), die neu in den Laden kommt und vom ersten Moment mit anpacken soll.
Zu tun gibt es in einer Großküche immer. Karotten müssen gehackt, ein Braten gewendet, Geschirr gespült, Ware bestellt werden. Die Uhr tickt unerbittlich. Der Ablauf ist hochtourig getaktet und ebenso schwindelerregend rasant inszeniert. Für Erklärungen ist keine Zeit, die Figuren hauen sich Kurzbefehle um die Ohren, »Yes, chef!«, »Corner!«, »Hands!«. Es dauert eine Weile, bis man ihre Sprache versteht und sich zurechtfindet in diesem Hexenkessel, wo immer gerade etwas zischt oder überkocht. Adrenalin und Angst sind ständige Begleiter. Nur strikte Planung und Disziplin helfen, das Chaos zu beherrschen und trotz des extremen Drucks und Dauerstresses nicht in Panik zu geraten.
Innegehalten wird in der von Christopher Storer (»Ramy«, »Dickinson«) kreierten Serie immer nur kurz, etwa wenn im Hinterhof eine Zigarette geraucht wird, wo Carmy von seiner Schwester Sugar (Abby Elliott) dazu gedrängt wird, sich seiner Trauer zu stellen. Er will den Schmerz über den toten Bruder lange nicht zulassen, weiß nicht, was er fühlen soll. Er weiß nur, dass die Dinge anders laufen müssen als unter seinem Bruder, als neben italienischen Rindfleischbrötchen im Restaurant auch Drogen umgeschlagen wurden.
Die Bear-Crew ist ein wilder Haufen, allen voran Richie (Ebon Moss-Bachrach), der Michaels bester Freund war und als inoffizieller Manager zu cholerischen Ausbrüchen neigt. Und doch raufen sie sich zusammen, nicht zuletzt beim täglichen Teamessen; man ist schließlich Familie.
Die vielleicht beste, sicherlich atemberaubendste Episode ist die siebte, die in einer 20 Minuten langen, scheinbar ungeschnittenen Sequenz von Krise zu Krise hetzt, bis einem schier die Spucke wegbleibt. Zum Glück kann man dank Streaming gleich noch mal von vorne mit der Serie anfangen. Und genau wie bei einem exzellenten Restaurant entdeckt man in »The Bear« beim zweiten Besuch neue Nuancen, die den Genuss noch steigern. Und auch Nachschlag ist bereits bestellt, Staffel 2. Thank you, chef!
OV-Trailer
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns