Jens Balkenborg
Filmkritiken von Jens Balkenborg
Seiten
Jeanne Herry erzählt über eine begleitete Gesprächsgruppe aus verurteilten Tätern und Opfern und einen konkreten Fall von der Restorative Justice. 2014 in Frankreich eingeführt, bietet sie die Möglichkeit, in sicheren Einrichtungen ins Gespräch zu kommen. Eine dialogische Tour de Force mit universeller Botschaft: Den Sprechenden kann geholfen werden.
Die Familie der siebenjährigen Sol wuselt geschäftig durch ein großes Haus, um eine letzte Geburtstagsparty für ihren krebskranken Vater vorzubereiten. Meisterhaft verflechtet Lila Avilés viele Figuren, schamanische Rituale und einen sinnlichen Naturalismus zu einem zarten Drama über den Tod, das das Leben feiert.
Philipp Jedicke taucht ein in die Wiener Underground-Musikszene. Eine subjektiv anarchische Ode an die Subkultur und zugleich eine filmische Bühne, auf der sich die Charakternasen austoben dürfen.
Marta, die in Madrid mit Leo lebt, kommt ihrem Ex beim Sommerurlaub in der Heimat wieder näher. Der spanische Regisseur Diego Llorente erzählt sozialrealistisch und zugleich poetisch von einer Frau, die zwischen zwei Lebenswelten und Männern hin- und hergerissen ist.
In der brandenburgischen Provinz des Jahres 1997 gerät eine Nachwuchsjournalistin nach dem Tod der Oma an ehemalige KZ-Aufseherin. Sylke Enders erzählt davon, wie wichtig Kommunikation für die Aufarbeitung von Traumata ist. Nur geht die Spiegelung zwischen Generationen und Systemen wegen wenig authentischer Dialoge und fehlender künstlerischer Ideen leider nicht auf.
2007 wurde die Studentin Reyhaneh Jabbari in Teheran wegen Mordes zum Tode verurteilt, nachdem sie den Täter beim Vergewaltigungsversuch erstach. Steffi Niederzoll rekonstruiert den Fall und den beispiellosen Kampf einer Mutter. Ein so furioser wie erschreckender Dokumentarfilm.
Die 12-jährige Sofia verbringt unfreiwillig die Sommerferien mit der Oma bei ihrer Großtante auf der kroatischen Insel Hvar. Radivoje Andrić erzählt eine education sentimentale, an deren Rand Traumata der Jugoslawienkriegen eine Rolle spielen. Ein liebevoll-überdrehter Sommerfilm über ein Mädchen in der Selbstfindungsphase und darüber, dass miteinander reden alte Wunden heilen kann.
Am Genfersee trifft die 14-jährige Margaux auf das siebenjährige Heimkind Juliette und den Fischer Joël. Mit poetischem Naturalismus lässt sich Jenna Hasses Debüt empathisch auf seine junge Heldin ein und erzählt von einer zarten Education sentimentale.
In einem türkischen Provinzinternat, in dem begabte Kurden unterrichtet werden, kümmert sich Yusuf um seinen kranken, kaum ansprechbaren Freund Memo. In Ferit Karahans kühlem Drama wird die Bildungsinstitution zum Brennglas einer von starken Machtgefällen durchzogenen Gesellschaft.
Emad Aleebrahim Dehkordis entwirft das Porträt zweier unterschiedlicher, innig verbundener Brüder, die auf ihre je eigene Weise mit dem Tod der Mutter umgehen. Das Debüt erzählt von neureichen jungen Erwachsenen Teherans, von Drogen, Liebe und dem Umgang mit Trauer.
Seiten
Weitere Inhalte zu Jens Balkenborg
Tipp
Mit der Miniserie »The Underground Railroad« gelingt Barry Jenkins eine wunderbare filmische Umsetzung des mehrfach preisgekrönten Romans von Colson Whitehead
Tipp
Die amerikanisch-chinesische Regisseurin Chloé Zhao hat mit »Nomadland« große Chancen auf den ein oder andren Oscar. Mubi zeigt nun ihren Debütfilm: »Songs My Brothers Taught Me«
Thema
Robert De Niro porträtierte in Scorseses Klassiker einen Männertypus, der heute erst richtig ins Gerede gekommen ist: den Incel
Tipp
Gesellschaft in Bewegung: Cathy Yans Debütfilm »Dead Pigs« als Mubi-Release
Tipp
Mit ihrem Film »Beginning« (Dasatskisi) lieferte die georgische Regisseurin Dea Kulumbegashvili ein viel beachtetes Debüt im Corona-Festivaljahr 2020. Die sperrige Emanzipationsgeschichte räumte unter anderem in San Sebastián groß ab
Tipp
In Darius Marders »Sound of Metal« spielt Riz Ahmed einen Musiker, der einen Hörsturz erleidet. Der Film ist aber keine Auseinandersetzung mit dem Wesen der Musik, sondern mit der Unfähigkeit zur Ruhe
Tipp
Athina Rachel Tsangari (»Attenberg«) entstaubt in ihrer ersten Serie, dem Achtteiler »Trigonometry«, das abgekaute Thema der Ménage-à-trois
Tipp
Mit Elyas M'Barek in der Hauptrolle erzählt der Oscarkandidat »Was wir wollten« von einem Paar, das sich auf Sardinien von dem unerfüllten Kinderwunsch zu erholen versucht
Thema
Mit nur drei Spielfilmen hat Eliza Hittman sich als eine der wichtigsten amerikanischen Independent-Regisseur:innen etabliert. Ihre Spezialität: die Erfahrungen von Jugendlichen. Jetzt kommt das subtile Drama »Niemals Selten Manchmal Immer« ins Kino, das von einem Schwangerschaftsabbruch erzählt
Blogeintrag
Mit »Never Rarely Sometimes Always« startet ein Film in den Wettbewerb, der diese Sprache ganz famos beherrscht. Sundance-Gewächs Eliza Hittman hat sich mit ihren beiden vorherigen Filmen »It Felt Like Love« und »Beach Rats« den Ruf als eine der aktuell aufregendsten Independent-Regisseurinnen erarbeitet. Und ihr neuer Film gehört ganz sicher zu den großen Favoriten dieses 70. Berlinale-Jahrgangs.