Buch-Tipp: Katrin Schneider – Lichtspieltheater in der Provinz

Das Licht im Hinterland

Sie heißen Traumpalast, Phantasia, Orpheum oder Schauburg. Sie liegen in Wurzbach, Quernheim, Gangkofen oder Dreieich. Untergebracht sind sie in denkmalgeschützten Altbauten, zweckmäßigen Flachbauten, metallenen Hallen oder Scheunen aus Holz, sogar ein ausrangierter Wasserturm ist dabei sowie der ehemalige Speisesaal eines Abtes. Dort hängt ein mächtiges Kruzifix an der Wand, das den Raum bestimmt, doch nicht das Programm. Vielgestaltig sind die Kinos, die Karin Schneider in dem reichhaltigen Fotoband »Cinema Provinziale. Lichtspieltheater in der Provinz« vorstellt, so unterschiedlich wie die Orte, in denen sie beheimatet sind, und so verschieden wie die Menschen, die sich aus Überzeugung und mit Ideen um sie kümmern, programmieren, lebendig erhalten. Gleich sind sie sich in ihrem Wesenskern als Heimat lichter Träume.

Vorgestellt werden die Spielstätten jeweils mit knappem Text zu Geschichte und Gegenwart sowie einigen Fotos von Fassade und Innenraum. Wobei auffällt, wie wenig spektakulär, ja oftmals abweisend das Außen wirkt und wie heimelig noch in der Opulenz das Innere. Dort steht dem Blick Richtung Leinwand der Blick Richtung Vorführkabine gegenüber, woraus sich ein guter Gesamteindruck des Kinosaals ergibt. Meist sieht der dann auch nicht soviel anders aus als einer in der Großstadt, denn schließlich bedeutet provinziell nicht rückständig. Von winzig bis riesig ist alles dabei. Manche Kinos ähneln Schläuchen, andere wirken eher multifunktional, eines sieht aus wie die Kommandobrücke eines Raumschiffs und in einem anderen wird der Loungesessel von der Liege getoppt. Rot und blau sind die bevorzugten Farben; ein beliebtes Ecken-Dekorationsobjekt ist der mit der Digitalisierung obsolet gewordene analoge Projektor; an den Wänden immer wieder Fotos, auf denen immer wieder Humphrey Bogart, Marilyn Monroe, Charles Chaplin und James Dean vom Glamour lang vergangener Zeiten künden.

In der Menge betrachtet, kristallisiert sich aus Ähnlichkeit und Differenz des Abgebildeten der Kulturraum des Kinos, der viel beschworene Ort einer Gemeinschaft stiftenden, einer sozialen Praxis. Die Menschen haben das schon damals am Lagerfeuer gemacht: Die einen bieten etwas dar, ihre Schatten tanzen an der Wand der Höhle, und die anderen vergessen über ihrer Betrachtung eine Weile, dass sie mühselig und beladen sind. Also, wenn Sie das nächste Mal am Lande unterwegs sind und auf ein Kino treffen: Gehen Sie hinein, schauen Sie und staunen, und tragen Sie zum Überleben bei; es steht mehr auf dem Spiel als nur ein Saal voller Sessel.

Katrin Schneider: Cinema Provinziale. Lichtspieltheater in der Provinz Bildband 245 x 200 mm Schüren Verlag Marburg 2024. 312 Seiten. Über 300 farb. Abb. 34,00 €.

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