Netflix: »Apple Cider Vinegar«
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Zu den beliebtesten Subgenres des anhaltenden True-Crime-Booms gehören Scamming-Geschichten, nicht zuletzt dann, wenn im Zentrum junge, attraktive Betrügerinnen stehen. Neben Dokus wie »Bad Vegan« oder »LuLaRich« bieten sich solche Stoffe, gerade wenn sie mit ein wenig Instagram-Glamour und Silicon-Valley-Flair daherkommen, auch für fiktionale Adaptionen an. Und so folgt auf den Netflix-Hit »Inventing Anna« und den Emmyprämierten Mehrteiler »The Dropout« mit »Apple Cider Vinegar« schon die nächste Miniserie dieser Art.
Eine wahre Geschichte, die auf einer Lüge basiere, so lautet die Selbstbeschreibung dieser Serie, wobei zu Beginn jeder der sechs Episoden betont wird, dass einige Namen geändert wurden – und vor allem Belle Gibson keine finanzielle Kompensation im Rahmen der Produktion erhalten habe. Belle Gibson, das ist die junge Frau, um die es hier geht. Anfang der 2010er Jahre wird die Australierin (Kaitlyn Dever) – aus einfachen Verhältnissen stammend und schon als Teenagerin Mutter geworden – mit einer eigenen App zu einem Shootingstar in der damals erst wachsenden Welt der Lifestyle-Influencerinnen.
»The Whole Pantry« bietet Rezepte für alle, die sich bewusst und gesund ernähren wollen, doch das Besondere dabei ist vor allem Gibsons eigene, in einem begleitenden Blog dargelegte Geschichte. Denn nicht zuletzt in ihrer Ernährung sieht die ehrgeizige Unternehmerin den Grund dafür, dass sie trotz Gehirntumor und einer Überlebensprognose von wenigen Monaten auch zwei Jahre später noch am Leben sei. Hunderttausende Follower*innen, ein Kochbuch und eine begeisterte Medienberichterstattung sind die Folgen. Bis ernsthafte Zweifel daran aufkommen, dass Gibson tatsächlich je Krebs hatte.
Showrunnerin Samantha Strauss, die auch schon an »Nine Perfect Strangers« mitschrieb, integriert in diese skandalöse Geschichte auch die trotz Krebserkrankung auf alternative Medizin setzende Bloggerin Milla Blake (Alycia Debnam-Carey), die für Gibson vom Vorbild zur Rivalin wird, deren Freundin und Gibsons spätere Assistentin Chanelle (Aisha Dee) sowie einige andere Figuren. Mancher Schlenker, den sie dabei macht, wirkt etwas überflüssig, genau wie auch das permanente Springen zwischen verschiedenen Zeitebenen häufig so anstrengend wie angestrengt ist.
Davon abgesehen allerdings erweist sich »Apple Cider Vinegar« als nicht nur sehr kurzweilige, sondern auch sehr clever gemachte Serie, die sich geschickt den poppig-bunten Hochglanz-Look der dargestellten Social-Media-Welt zunutze macht und glaubwürdig die Pathologie ihrer Protagonistin nachzeichnet, ohne sie zu glorifizieren. Weil nebenbei ein Schlaglicht geworfen wird auf die Fahrlässigkeit der Wellness- und Alternativmedizin-Gurus sowie der zugehörigen Hofberichterstattung, lässt diese australische Produktion die eingangs genannte Konkurrenz deutlich hinter sich. Wozu auch die exzellente und unverdient noch immer viel zu unbekannte Hauptdarstellerin Kaitlyn Dever beiträgt, die selbst den australischen Akzent überzeugend meistert.
OV-Trailer
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