Disney+: »The Dropout«
© 2021 Hulu
Auf dem Papier klingt die Idee so gut, dass man an ihr Scheitern kaum glauben mag. Die damals 19-jährige Elizabeth Holmes gründete 2003 das Unternehmen Theranos, um ein ambulantes Gerät zu entwickeln, mit dem sich preisgünstig und praktisch Bluttests durchführen lassen. Keine aufwendigen Arztbesuche, keine teuren Labore, kein zeitfressender Informationsaustausch zwischen Arzt, Labor und Patient. Wer würde nicht darauf anspringen? Kein Wunder also, dass es Holmes gelang, das nötige Investitionskapital aufzutreiben. Das größere Wunder war, dass es zwölf lange Jahre dauerte, bis an die Öffentlichkeit kam, dass Theranos noch 2015 weit davon entfernt war, das beworbene Gerät überhaupt zu bauen. Der Wert der Firma stand da noch bei neun Milliarden US-Dollar. Kaum ein Jahr später korrigierte Forbes seine Schätzung des persönlichen Vermögens von Holmes – auf null.
»Aufstieg und Fall« – in diesem Muster liegt eine quasiexistenzielle Spannung, mit der man wenig falsch machen kann. So ist an der Oberfläche nichts wirklich neu in »The Dropout«, der Serie über den Fall Theranos und Elizabeth Holmes. In der vermeintlichen Gegenwartsebene beantwortet eine konsternierte Holmes (Amanda Seyfried) die Fragen eines Staatsanwalts. Von da schneidet der Film immer wieder in die Chronologie der Geschichte: Da ist Elizabeth, die empfindsame Tochter, die miterleben muss, wie ihr Vater wegen einer Betrugsverwicklung der Firma, für die er arbeitet, alles verliert. Dann ist da Elizabeth, die nerdige Sprachstudentin, die in Peking ihre Mitstudenten dafür verachtet, dass sie untereinander noch englisch reden. Und da ist die alles kalkulierende Elizabeth, die vor dem Spiegel übt, wie man sich sozial kompatibel präsentiert: »Hey Leute, das sieht nach Spaß aus!«
Die besten Erklärungen für den unternehmerischen Erfolg, den diese alle gängigen Geschäftsklischees unterlaufende junge Frau hatte, liegen auf der Hand: Die Idee klang gut, Holmes konnte sie hervorragend in ein »Narrativ« verpacken, viele der Geldgeber hatten schlicht Angst, die große Gelegenheit zu verpassen – Was, wenn Theranos das neue Apple, Amazon, Google wäre? – und klopften sich zusätzlich auf den Rücken dafür, so aufgeschlossen zu sein, dass sie ihr Vertrauen in eine blonde junge Frau setzten, die ihr Studium in Stanford abgebrochen hatte und in Sprechweise und Kleidung – schwarzer Rollkragenpullover – Steve Jobs nachahmte.
Was »The Dropout« über das Offensichtliche hinaus interessant macht, ist eine geschickte Verdrehung der Perspektive: Die Protagonistin im Zentrum, von Seyfried mit irritierender Konsequenz opak gehalten, bleibt ein Rätsel. Stattdessen geht es meist um die Gefühle derer, deren Leben Holmes negativ berührte oder sogar total zerstörte. Jede Folge offenbart so einen anderen Blickwinkel auf den Betrug und die langen Schatten, die er auf die verschiedensten Existenzen warf, von Chemikern und Ingenieuren, Marketing- und Finanzmenschen, Freunden und Familie.
OV-Trailer
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns