Kritik zu Petra Kelly – Act Now!

© Real Fiction Filmverleih

2024
Original-Titel: 
Petra Kelly – Act Now!
Filmstart in Deutschland: 
12.09.2024
L: 
105 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Doris Metz würdigt in ihrem material­reichen Dokumentarfilm Petra Kelly als eine der einflussreichsten Aktivistinnen der 80er und 90er Jahre 

Bewertung: 4
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Sie habe nie Angst vor Männern gehabt, sagt Petra Kelly aus dem Off, »Gott sei Dank!«. Dennoch seien die Auftritte im Bundestag wegen der chauvinistischen Häme dort für sie eine Qual gewesen. Dann zeigt die Kamera die ersten Reihen des Plenarsaals, wo die Männer der Fraktionen rechts von den Grünen sich bei ihrer Rede gerieren wie die Lümmel von der letzten Bank. Das deutsche Parlament, so zeigt diese Szene deutlich, war auch schon vor dem Einzug der AfD kein Hort gepflegter politischer Kommunikation. Und auch gezielte Hasskampagnen gegen Frauen in der Politik mit sexistischen und auch antisemitischen Anfeindungen tobten schon vor Internet und Social Media, wie verschiedene Berichte und archivierte Schmähbriefe in aller Schärfe zeigen.

Heute nicht unwichtige Nebenschauplätze eines Films, der in der Hauptsache eine Frau würdigt, deren Wirken nicht nur in Deutschland politische Substanz und Kommunikation revolutionierte, in der Erinnerung aber durch ihre Ermordung 1992 und deren Umstände überlagert wird. Die verschaffte dem Paar Kelly / Bastian wiederkehrend eher sensationalistische mediale Aufmerksamkeit. Doch nun gibt es mit »Act Now!« einen Kino-Dokumentarfilm, der sich dem politischen Lebenslauf der Aktivistin widmet – auch wenn dabei (ganz nach dem Diktum von der politischen Dimension des Privaten) auch ihre familiären Beziehungen in den Blick kommen. Dieser privat-politische Komplex hatte Regisseurin Doris Metz schon 2005 in ihrem Doppelporträt von Matthias Brandt und dem Sohn des Kanzler-Agenten Günter ­Guillaume (»Schattenväter«) beschäftigt. Nun ist es vor allem Petras Verhältnis zur Großmutter, die als weibliches Role Model und Managerin ihrer Enkelin fungierte. 

Die »Legacy« von Petry Kelly sei weniger ihre Geschichte als die »Samen, die sie in die Welt gesetzt habe«, sagt »Fridays for Future«-Sprecherin Luisa Neubauer im Film: das aus ihrer US-Jugend geschulte Zusammendenken von Abrüstung, Anti-Atom-Bewegung, Ökologie, Feminismus und Menschenrechten im globalen Rahmen. Unter anderen Protagonist*innen des klassisch aus Archivmaterial und Interviewstücken montierten Films sind neben Bruder John die US-Friedensaktivistin Cora Weiss und erstmals auch Bastians ehemalige Bonner Büroleiterin Ina Fuchs. Besonders viel Raum gehen an Otto Schily und vor allem den ehemaligen Mitstreiter Lukas Beckmann, der auch Kellys – keineswegs von allen goutiertes – unterstützendes Verhältnis zur DDR-Opposition um Bärbel Bohley akzentuiert.

Das Ende des Films fixiert sich dann aber so sehr auf Fragen nach Stasi-Unterlagen, dass die wichtigere Frage nach dem Fiasko des erhofften »Dritten Wegs« leider untergeht. Eine andere zentrale Leerstelle des vielschichtigen und materialreichen Films bleibt die Frage nach dem Scheitern eines weitgehend idealistischen Engagements im parteipolitischen deutschen Alltag. So bleibt am Ende der spirituelle Raum. Und der betagte Milo Yellow Hair vom gegen den Uranabbau kämpfenden Volk der Lakota in South Dakota gibt seiner Mitstreiterin Jahrzehnte nach deren Tod Abschiedsgebete mit auf den Weg.

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