12/2021

In diesem Heft

Tipp

Atomare Tragödie: Das russische Epos »Tschernobyl 1986«
Fast vierzig Jahre danach kann man die Geschichte noch weniger glauben: »Faking Hitler« fiktionalisiert den Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher im »Stern« 1983
Im Mehrteiler »Westwall« findet sich eine Polizeischülerin im Fadenkreuz rechtsnationaler Terrornetze wieder
Ganz in der Tradition skurril-surrealer französischer Tragikomödien: die Arte-SWR-Koproduktion »Nona und ihre Töchter«
Nicht nur Sonnenschein und gute Laune in der Karibik: Die französische Serie »Deadly Tropics« ist ein naher Verwandter des Erfolgstitels »Death in Paradise«. Und doch ein bisschen anders
Besonders wirksam, ohne abhängig zu machen, so wurde Oxycontin zu Anfang angepriesen. Der Mehrteiler »Dopesick« zeichnet die Taktiken der Pharmaindustrie nach, die zur heutigen Opioid-Krise führten
In der RBB-Degeto-Produktion »Legal Affairs« bereinigt eine ausgebuffte Anwältin Sitten- und Medienskandale
Berlin, 11.12. – Die 34. Verleihung des Europäischen Filmpreises wird in Berlin stattfinden. Der Preis wird von der Europäischen Filmakademie vergeben. Die Ehrenpreisträger stehen schon fest: SteveMcQueen, Márte Mészáros und Susanne Bier. Als beste Filme sind nominiert: »Compartment No 6«, »Quo Vadis, Aida?«, »The Father«, »The Hand of God« und »Titane«. »Herr Bachmann und seine Klasse« konkurriert als beste Doku.
Berlin, 2.12.–11.12. – Die 16. Ausgabe des Filmfestivals »Around the World in 14 Films« findet nun verspätet Ende dieses Jahres in Berlin statt. Schon seit 2006 zeigt das Festival die kreative Vielfalt des aktuellen Weltkinos mit 14 außergewöhnlichen Werken und Sonderaufführungen. Die Filme stammen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen und zeigen eine Art »Best of« des Jahres. Auch dieses Mal wird wieder der »ARRI Media-Preis« an einen Regisseur bzw. eine Regisseurin für die beste Regie mit einem Voucher im Wert von 5000 Euro vergeben.
Bremen/Berlin, 2.12.–5.12. – Nach zwei Corona-bedingten Absagen startet nun das achte Favourites Film Festival in Bremen und Berlin. Es werden Filme aller Genres und Längenformate gezeigt, allesamt Gewinner internationaler Publikumspreise. Dabei stehen Regionen im Vordergrund, deren Produktionen nur selten auf deutschen Leinwänden zu sehen sind. Die Filme sollen einen neuen Blick auf gesellschaftliche Fragestellungen werfen und durch ihre starken Bilder, Figuren und Erzählkünste hervorstechen.
Frankfurt, 1.12.–3.12. – Beim LICHTER Filmfest 2018 fand zum ersten Mal ein Kongress zur Zukunft des deutschen Films statt, aus dessen Diskussionen sich das Papier »Frankfurter Positionen« herauskristallisierte. Diesmal kommen Vertreter*innen aus europäischen Ländern zu einer filmpolitischen Debatte. »Was können europäische Länder voneinander lernen?« ist dabei die leitende Frage, über die aus europäischer Perspektive gesprochen wird. Der Kongress soll physisch mit der 2G-Regel stattfinden.
Maryam Touzanis Debüt-Spielfilm erzählt mit reduzierten Mitteln und starken Schauspielerinnen eine berührende Geschichte über weiblicher Solidarität in der Altstadt Casablancas
Gewissermaßen in eigener ­Sache: Zeitlich passend zum Kongress »Film Restored« eröffnete das Filmmuseum Berlin seine Ausstellung zum Thema Filmrestaurierung, »Frame By Frame«
Im melancholischen Roadmovie »Finch« kreiert Tom Hanks eine Ersatzfamilie, um in einem postapokalyptischen Amerika zu überleben
Nach einer autobiografischen Vorlage: »Maid« bietet ungeschönte Einblicke in das Leben unterhalb der Armutsgrenze. Es spielen Andie McDowell und ihre Tochter Margaret Qualley
Jane Campions »The Power of the Dog« wird seit seiner Premiere in Venedig als einer der großen Oscarfavoriten der Saison gehandelt. Die Geschichte um zwei Brüder, eine Frau und ihren Sohn entwickelt sich so langsam wie intensiv
Rebecca Hall verfilmt mit »Passing« den gleichnamigen Nella Larsen-Roman, der vom afroamerikanischen Leben im New York der 1920er erzählt. Zwei Frauen, die mit ein wenig Verkleidung als »weiß« durchgehen, erfahren die Grenzen von Soziotop und Rollenspiel
Close up: Schöne Texte zu guten Filmen.
Ozaphan kommt von »Zellophan«. Und war ein günstiges Filmmaterial für den Heimkinomarkt, mit einer kleinen Blüte in den 30ern und 40ern.
Dystopien auf DVD und Blu-ray: »The Stand«, »The Last Journey«, »A Quiet Place 2« und »Fukushima« in Special Editions.
Am 19.12. spricht Andreas Kleinert im Kino des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums mit epd-Film-Autorin Anke Sterneborg über seinen Film »Lieber Thomas«
Ein Ritt durch 43 Jahre: Josef Schnelle stellt das Werk von Werner Herzog vor.
Die Filmproduzentin Alice Brauner zeichnet die Geschichte ihrer Eltern Artur und Maria nach.
Das prachtvolle »Star Wars Archiv«, neue Lieferung. Jetzt zur zweiten Trilogie (Episoden I–III. 1999–2005), die einer neuen Technik-Ära angehört: der digitalen.
Stylish, sexy, brutal: Paul Verhoevens »Basic Instinct«, digtal restauriert.

Thema

Kunst imitiert Leben: Zurzeit häufen sich im Kino Filme nach wahren Geschichten – vom Kriminalfall über die Sozialstudie bis hin zu VIP-Movies wie »Spencer« und »House of Gucci«
Erlebt das Filmmusical ein Revival? Im Dezember startet Steven Spielbergs Version von Leonard Bernsteins »West Side Story«. Sie wird sich am berühmten Vorgänger messen lassen müssen
Die seltsamen Actionfilme um John Wick sind Kult. Und in der »Matrix«-Serie, demnächst wieder im Kino, wird auch mit harten Bandagen gekämpft. Trotzdem gilt Keanu Reeves als nettester Star, der je auf Erden wandelte. Wie es dazu kam
Jennifer Hudson ist ganz bei sich, wenn sie nicht nur spielen, sondern singen kann wie in ihrem Debüt »Dreamgirls«. Jetzt spielt sie Aretha Franklin, die Queen of Soul, in dem Biopic »Respect« – und hebt den eher konventionellen Film auf eine andere Ebene

Meldung

Die Nordischen Filmtage in Lübeck fanden in diesem Jahr hybrid statt – nach der digitalen Ausgabe im letzten Jahr – und konnten 25 000 Besucher in die Kinos und vor die Bildschirme ziehen
Diskussionen sind ein wichtiger Bestandteil der Duisburger Filmwoche, die dieses Jahr zum 45. Mal stattfand. Nach jedem Film wird ausgiebig und mitunter unerbittlich geredet
HOF heißt »Home of Films«, hat Wim Wenders gesagt. Und die 55. Ausgabe der Filmtage im fränkischen Hof erwies sich wieder mal als hervorragende Heimstatt für den deutschen (Nachwuchs-)Film

Filmkritik

Impresario Buster Moon und seine Truppe hoffen diesmal auf einen Auftritt in der Showbusiness-Metropole. Doch mit einem einflussreichen Musikmogul geraten sie an einen schwierigen Partner. Die Fortsetzung des Animationserfolges »Sing« überzeugt durch ihr präzises komisches Timing, vor allem aber durch die Choreografie eines aufwändigen Science-Fiction-Musicals
Britische Contenance und Etikette treffen in betörender Weise auf französisches Flair in dieser Verfilmung eines Romans von Graham Swift durch die französische Schauspielerin und Regisseurin Eva Husson
Eine Architektin gewinnt auf magische Weise einen prestigeträchtigen Wettbewerb und rutscht umso tiefer in eine Lebenskrise: mal gedrechselte, mal poetische Komödie von und mit Valérie Donzelli
Ein reicher Mann verschleppt prachtvolle alte Bäume aus dem öffentlichen Raum in seinen Privatgarten, Verwüstung nicht nur in der Landschaft, sondern auch in jenen hinterlassend, die mit den Bäumen lebten
Ein Theaterregisseur wird im Nachklang eines persönlichen Schicksalsschlags mit der Inszenierung von Tschechows »Onkel Wanja« beauftragt. Eine so geheimnisvolle wie berührende Adaption von Haruki Murakamis Kurzgeschichte. Von Ryusuke Hamaguchi mit zurückhaltender Eleganz inszeniert
Ein Kunstmarkt-Dokumentarfilm als packende Mischung aus Farce und Thriller, der den Weg des Leonardo da Vinci zugeschriebenen Gemäldes »Salvator mundi« vom anonymen Schnäppchen zum teuersten Kunstwerk der Welt rekonstruiert
Faszinierende Langzeitbeobachtung über einen jungen Mönch aus Bhutan, dessen spirituelles Leben von der schockartigen Digitalisierung ausgehöhlt wird
Warum müssen sich unerschütterlicher Glaube und gelebte Sinnlichkeit widersprechen, fragt Paul Verhoeven am Beispiel eines historisch verbrieften Falls, und trifft damit ins Herz aktueller Missbrauchsdebatten, kann die extremen Gegensätze aber dennoch nicht versöhnen, was möglicherweise auch an der ganz irdischen Schönheit von Virginie Efira liegt
Ein lebendiges Porträt des legendären Streetart-Urvaters, das seine Arbeit im gesellschaftlichen Kontext ohne hagiographische Anwandlungen würdigt
Den klassischen Maßstäben eines »guten Films« wird Ridley Scott nicht wirklich gerecht. Dafür lässt er sein Ensemble zu hemmungslos chargieren. Aber es ist auch amüsant, Lady Gaga, Jared Leto und Co. dabei zuzusehen, wie sie jede Subtilität über Bord werfen. Und an prächtigen Schauwerten, von den Kostümen bis zu den Locations, mangelt es auch nicht
Derb, drastisch und überdreht: Srdjan Dragojevics Satire bekräftigt munter die Folklore des Balkankinos. Ihr Blick auf drei Jahrzehnte postsozialistischer Mentalitätsgeschichte ist schwarzhumorig, lässt als Parabel aber grotesken Feinschliff vermissen
Valérie Lemerciers Popstar-Biopic, deutlich inspiriert vom Leben Céline Dions, hätte eine alberne Parodie wie aus »Saturday Night Live« werden können, entpuppt sich aber als charmante und amüsante Liebeserklärung an eine Sängerin, die neben einer Jahrhundertstimme immer auch mit sehr menschlichen Eigenwilligkeiten ihre Fans auf der ganzen Welt begeisterte
In seinem völlig überdrehten Action-Splatterfilm über eine unbesiegbare Auftragskillerin (Karen Gillan), die plötzlich an allen Fronten kämpft, berauscht sich der israelische Regisseur und Drehbuchautor Navot Papushado an Ästhetik und Action. Etwas mehr Tiefe hätte ihm gutgetan
Krawallige Fabel, in der der Dieb einer Jesus-Krippenfigur und der Pater auf dessen Fersen sich ins Palästina des Jahres Null versetzt sehen und dort mancherlei Verwirrung stiften sowie Lektionen fürs Leben lernen. Ein Weihnachtsfilm der eher seltsamen Art, doch mit dem Herzen am rechten Fleck
Der glänzend recherchierte Dokumentarfilm setzt den Opfern der Frankfurter Homosexuellen-Prozesse der Jahre 1950/51 ein Denkmal
Andrea Segre erkundet in seinem während des Lockdowns 2020 gedrehten persönlichen Filmessay die Magie des leeren Venedig und spürt seinem verstorbenen Vater nach
Deutlich ernster als ihrer Vorgängerfilme und ein bisschen zu ambitioniert kreist Karoline Herfurth Selbstoptimierungswahn und Geschlechterdiskriminierung mit komödiantisch gefärbter Verzweiflung und einem tollen Ensemble ein
Am letzten Tag vor der Schließung feiert eine Kneipenfamilie aus Gestrandeten im »Roaring 20s« in Las Vegas feuchtfröhlich Abschied. Die Bar ist nicht in Vegas, die Trinker:innen wurden gecastet. Was daherkommt wie einfühlsames Direct Cinema ist ein eigensinniges filmisches Experiment über Wahrheiten im Dokumentarfilm
Ein gelungene Bilderbuchadaption mit zauberhaften Momenten, die schon für kleine Kinder geeignet ist, und der Vorlage sehr nahe kommt
Leos Carax ist zurück, mit einem Musical von unendlicher Schönheit und grenzenloser Schwärze. In grandios gefilmten Sequenzen porträtiert er einen Künstler, der alles um sich herum nur zerstören kann. Wer darin ein Selbstporträt Carax' erkennt, irrt sicher nicht. Aber dieser Film ist noch viel mehr, ein Panorama unserer Zeit und unserer Kultur, das die Lüge feiert und mit jedem Bild die reinste Wahrheit sagt
Paolo Sorrentino erzählt seine Jugend im Neapel der 1980er als fellinesken Bildungsroman: opulent, warmherzig und mit groteskem Humor fabulierend
Aufwühlend erzählen die israelischen Filmemacher Doron und Yoav Paz nach wahren Begebenheiten von dem jüdischen Geheimbund Nakam, der sich mit dem Tod von sechs Millionen Deutschen rächen wollte. Filmisch eher konventionell, wirft das Drama einen neuen und wichtigen Blick auf die deutsche Nachkriegsgeschichte
Maryam Touzanis Debüt-Spielfilm erzählt mit reduzierten Mitteln und starken Schauspielerinnen eine berührende Geschichte über weiblicher Solidarität in der Altstadt Casablancas
Mit den zehn Eternals wird eine ganze Horde Marvel-Superhelden gleichzeitig in die Kinos entlassen. Die Bodenhaftung, die die frisch gekürte Oscarpreisträgerin und Chronistin amerikanischer Außenseiter Chloe Zhao den Marvel-Helden verschafft, verpufft schnell wieder im Überfluss der Helden, Monster, Mythen und Zeiten
In einer kolumbianischen Großfamilie hadert Teenager Maribel damit, dass sie als Einzige nicht mit einer magischen Gabe gesegnet ist. Animiertes Disney-Musical, das die Wichtigkeit der Familie betont und zugleich die Gefahren einer alles überdeckenden Harmonie thematisiert
Das Leben der Freunde Hannes und Moritz ändert sich plötzlich, als Hannes nach einem Motorradunfall im Koma liegt. Moritz versucht, dessen Lebensfaden weiterzuspinnen. Hans Steinbichler hat aus Rita Falks Romanvorlage einen anrührenden, aber nie sentimentalen Coming-of-Age-Film gemacht
Dokumentarfilm über das weltberühmte Kunstmuseum in Florenz, der Einblicke in die Institution gewährt und zugleich einzelnen Kunstwerken im Detail näherkommt, als es bei einem Besuch möglich wäre
Inspiriert von einer wahren Begebenheit erzählt Peeter Rebane von der Liebe zwischen einem Soldaten und einem Oberst, die in Zeiten des Kalten Krieges auf einem Luftwaffenstützpunkt der UdSSR entbrennt. Ein vollmundiges, großspurig melodramatisches Debüt, das mit den großen Drama à la Shakespeare schwanger geht
Eine unheilbare Krebserkrankung und die Frage, wie man damit umgeht, dass ist das Zentrum dieses Films, der alles möglich macht, doch letztlich eines eben nicht zulässt, Hoffnung
Arg braves und konventionelles Biopic über Aretha Franklin und wie aus einer Predigertochter aus Detroit die Queen of Soul wurde. Hauptdarstellerin Jennifer Hudson reißt es mit einer oscarreifen Performance raus
Im zweiten computeranimierten Film um die 1938 von dem Zeichner Charles Addams ersonnene »Addams Family« begibt sich die Familie mit der Vorliebe fürs Morbide auf eine Rundreise durch die USA. Die soll den Familienzusammenhalt stärken, nachdem sich Tochter Wednesday von ihren Angehörigen entfremdet hat. Überzeugt der Film wiederum mit einem ansprechenden Design, so kommen doch die spezifischen Stärken dieser Familie dabei zu kurz

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