Kritik zu In den Uffizien
Die Dokumentarfilmer Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch porträtieren im Stil von Frederick Wiseman zugewandt und geduldig die Arbeit in und an der berühmten Kunstsammlung. Eindrucksvoll: die Kameraführung »am Gemälde«
Seit 2015 leitet der Deutsche Eike D. Schmidt die Uffizien in Florenz, eines der bedeutendsten Museen der Welt. Ein 500 Jahre altes Bürogebäude, in dem die Medici 1581 erstmals Kunst ausstellten und das heute Hauptwerke der italienischen Renaissance beherbergt. Als Schmidt das ehrwürdige Haus vor sechs Jahren übernahm, gab es noch nicht einmal eine Website. Er versucht seitdem eine schwierige Gratwanderung, die sowohl der renommierten Sammlung und ihren unschätzbaren Werken gerecht werden als auch ein junges, medienaffines Publikum gewinnen soll, durch Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst etwa. So soll eine Skulptur des englischen Bildhauers Antony Gormley gezeigt werden, und der Film nimmt sich lange Zeit zu zeigen, wie dafür die richtige Stelle gefunden wird. Eine der prägnantesten Szenen fängt der Film ein, als Dutzende Besucher sich um Caravaggios weltberühmte »Medusa« scharen und alle ihre Smartphones zücken, statt das Werk und den Moment wirken zu lassen.
Der Dokumentarfilm, ein gemeinsames Projekt von Corinna Belz (»Gerhard Richter – Painting«) und Enrique Sánchez Lansch (»Rhythm Is It!«, zuletzt »A Symphony of Noise«), wechselt immer wieder geschickt vom großen Ganzen ins Kleine, von der Institution zu einer der vielen Personen, die dort arbeiten, von der Totalen in die Großaufnahme; er hält das Umwerben amerikanischer Kunstförderer ebenso fest wie Schmidts Insistieren beim Finden des richtigen Grüntons für die Wand, vor der Tizians »Venus von Urbino« erstrahlen soll – bereits zwölf Farbschichten wurden aufgetragen. Dieser Blick hinter die Kulissen gelingt freilich nur mit dem Einverständnis der Mitwirkenden, und so ist das Regieduo auch weit davon entfernt, die Uffizien als Institution oder seine Macher kritisch zu hinterfragen. Der Ansatz ähnelt eher dem von Dokumentarfilmlegende Frederick Wiseman; auch hier beobachten die Filmmacher über einen längeren Zeitraum zugewandt die Abläufe, tauchen ein, ohne viel einzugreifen. Statt arrangierter Interviews, in denen die Protagonisten Statements abgeben, entwickelt sich der Diskurs meist über reale Situationen, wenn etwa eine Kunstpädagogin staunende Schüler durch die Säle führt oder wenn ein Historiker im Archiv Fotografien von 1943 sichtet, als die Nazis wichtige Werke raubten.
Neben dem täglichen Treiben und der kulturhistorischen Einordnung fokussiert der Film immer wieder auf einzelne Kunstwerke, von den Kameramännern Johann Feindt und Thomas Riedelsheimer kenntnisreich wie erkenntnisbringend eingefangen. Sie zoomen nicht einfach auf einen Ausschnitt, sondern führen den Blick kontemplativ an Linienführungen entlang auf einzelne Aspekte, tasten sich so intim heran, wie es beim realen Museumsbesuch kaum möglich wäre. Allein Commodis »Engelssturz« en détail überlebensgroß auf der Kinoleinwand zu sehen, wird zu einer fast spirituellen Seherfahrung. Und auch wenn der Film Einblicke gewährt, die bei einer physischen Visite kaum möglich wären: Lust auf eine Reise nach Italien macht er allemal.
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