Kritik zu Firebird

© Salzgeber

Schwule Liebe im archaischen Männerzirkus: Auf einem Luftwaffenstützpunkt der UdSSR zetteln Regisseur Peeter Rebane und sein Co-Autor Tom Prior ein emotional und metaphorisch überladenes Männer-Melo an

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Dass Filme über gleichgeschlechtliche Liebe mal mehr, mal weniger explizit politische Statements sind, liegt in der Natur der Sache. Es gilt auch kinematografisch zu kämpfen für das Recht auf freie Liebe in allen erdenklichen Kontexten – wie zuletzt etwa in Levan Akins »Als wir tanzten« um ein schwules Erwachen im klassischen georgischen Tanz oder in Céline Sciammas »Porträt einer jungen Frau in Flammen«, der Geschichte einer verbotenen lesbischen Liebe im Frankreich des 18. Jahrhunderts.

In »Firebird« geht es um eine schwule Liebe im maximal archaischen Männerzirkus: der russischen Armee zu Zeiten des Kalten Krieges. Peeter Rebane, selbst schwul und ein Kämpfer für die Gleichberechtigung der LGBT-Gemeinschaft in Estland, ließ sich für sein Spielfilmdebüt von den Memoiren des russischen Schauspielers Sergei Fetissow inspirieren. Am Drehbuch mitgeschrieben hat Hauptdarsteller Tom Prior.

Rebanes Film, dessen Titel sich nicht auf Düsenjets, sondern auf Strawinskys Ballett »Der Feuervogel« bezieht, erzählt im Kern eine Dreiecksgeschichte zwischen dem jungen Soldaten Sergey (Prior), dessen Jugendfreundin Luisa (Diana Pozharskaya) und dem Oberst Roman (Oleg Zagorodnii). Es ist das Jahr 1977, und die drei sind auf einem Luftwaffenstützpunkt der UdSSR in Estland stationiert. Luisa würde gerne mit Sergey anbandeln, doch der verliebt sich in Roman. Über die Fotografie, für die sich beide interessieren, kommen die Männer einander näher, begleitet von der Angst, denn der KGB klebt ihnen an den Fersen. 

Wie in Sebastians Meises Meisterwerk »Große Freiheit« spielt auch hier ein Paragraf eine Rolle: Fünf Jahre Haft oder Straflager droht den Liebenden laut Paragraf 121, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellt.  Auch wenn homosexuelle Handlungen Anfang der 90er in Russland legalisiert wurden, befeuern Entwicklungen wie das 2013 verschärfte Gesetz gegen »homosexuelle Propaganda« die Diskriminierungsmaschinerie. 

Rebane reagiert darauf mit einem vollmundigen Film und ästhetischem Aktivismus. Subtil ist wenig in »Firebird«; Rebane zieht alle Register, um seinem Ansinnen Nachdruck zu verleihen. Die Bilder sind direkt und auf das Offensichtliche aus, die Farbtemperaturen wechseln je nach Stimmung von düsteren Tönen hin zu unnatürlich strahlendem Sonnenschein, und die Musik tut ihr Übriges. Etwa beim ersten sexuellen Intermezzo: Die beiden Männer kommen sich hinter einem Felsen im Meer näher, und beim Höhepunkt fliegen zwei Düsenjets über das Paar hinweg. Donnerwetter!

»Firebird« ist ein Melo, das ins Große und Hohe zielt. Warum wohl die Klassiker in der Ausbildung gelesen werden, fragt ein Lehrer von der Schauspielschule, auf der der Träumer und Freigeist Sergey später angenommen wird. »Weil die Charaktere in diesen Geschichten keine Intellektuellen sind. Sie sind lebendige, atmende, fühlende Wesen.« Auch »Firebird« wimmelt von gewollt großen Gefühlen und fühlenden Wesen, deren Geschichte, ganz theatral, mit einem fallenden Vorhang endet.

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