Kritik zu Adam

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Die Gassen von Casablanca: Hoch konzentriert und feinfühlig erzählt die Regisseurin Maryam Touzani in ihrem Debüt von einer schwangeren jungen Frau, die in äußerster Not von einer alleinerziehenden Bäckerin aufgenommen wird

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Eine kleine Bäckerei in den Straßen von Casablancas Altstadt. Die junge, hochschwangere Samia und die Witwe Abla verrichten ihre tägliche Arbeit, kneten Teig, drapieren Gebäck in der Auslage. Samia legt eine Kassette in das Radio ein, sehnsuchtsvolle Zeilen eines arabischen Liedes erfüllen den Raum. Abla erstarrt, wird wütend und befiehlt Samia, sofort die Musik abzuschalten. Diese weigert sich, beide geraten aneinander. Samia hält Abla entschlossen fest und zwingt sie, zuzuhören. Eine Großaufnahme konzentriert sich darauf, wie sich nach heftiger und erfolgloser Gegenwehr Ablas Gesichtszüge verändern und weicher werden, bevor schließlich auch ihr Körper eine vorsichtige Bewegung im Rhythmus der Musik wagt. Sie schließt die Augen, gibt sich dem Takt hin und beginnt zu weinen.

Wie Lubna Azabal dieses Aufbrechen der inneren Verbitterung und das Knacken des äußeren Schutzpanzers verkörpert, ist große Kunst. Die Szene markiert zugleich den Wendepunkt in der Geschichte. Ein paar Tage zuvor hatte Abla die mittellose Samia, die eines Abends vor der Tür stand, nur widerwillig aufgenommen. Am nächsten Morgen sollte sie eigentlich verschwunden sein. Spätestens nach dieser Szene ist klar: Samia wird bis zur Geburt des Kindes, das sie danach zur Adoption freigeben will, bei Abla und ihrer Tochter Warda bleiben.

Die Außenwelt dringt nur selten in diese Gemeinschaft auf Zeit. Regisseurin Maryam Touzani, die eine ähnliche Geschichte selbst erlebte, als ihre Eltern eine schwangere fremde Frau aufnahmen, hält störende Elemente bewusst heraus. Sie konzentriert sich auf ihre Figuren und gibt nur preis, was nötig ist, um ihr Handeln zu verstehen. Vermittelt durch die lebenslustige achtjährige Warda, die Samia direkt ins Herz schließt, kommen die drei einander näher, solidarisieren sich und helfen sich gegenseitig in der größten Not. 

Bildgestalterin Virginie Surdej findet selbst in den engen Zimmern von Ablas Wohnung Möglichkeiten, die Distanz zwischen den ungleichen Frauen zuerst aufzubauen und dann nach und nach wieder aufzulösen. Je näher sich die beiden kommen, desto heller erscheinen die Räume, als hätte jemand die schwarzen Vorhänge der Trauer aufgerissen. Viele der Konflikte zwischen den Figuren fängt Surdej in Großaufnahmen ein und schafft so bildliche Entsprechungen für Sprachlosigkeit und Verzweiflung, aber auch für Empathie und Zuversicht. Die filigrane Zubereitung arabischer Köstlichkeiten und das sinnliche Kneten des Teiges sind visuelle Analogien zu Ablas allmählich wiedererwachendem Gefühlsleben. 

Im letzten Drittel des bis dahin stark besetzen und inszenierten Debüt-Spielfilms setzt die Regisseurin den Fokus zu stark auf die Mutterschaft. Eigentlich will Samia ihren neugeborenen Sohn so schnell wie möglich weggeben, ist aber gezwungen, zwei weitere Tage mit ihm zu verbringen. Erwachende Mutterinstinkte werden hier als Naturgewalt gezeigt, der sich keine Frau entziehen kann, was die berührende Geschichte weiblicher Solidarität nur ein wenig trübt.

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