Kritik zu Das Ende des Schweigens
In seinem Langfilmdebüt rekonstruiert Van-Tien Hoang ein beklemmendes Stück Zeitgeschichte: die Frankfurter »Homosexuellenprozesse«, in deren Verlauf gegen mehr als 200 Männer ermittelt wurde – eine regelrechte Hexenjagd
Prostitution in Frankfurt in der Nachkriegszeit? Da drängt sich der bis heute ungeklärte Fall der sogenannten Edelprostituierten Rosemarie Nitribit auf. Weniger bekannt sind die Homosexuellenprozesse der Jahre 1950/51. Im Zuge dieser regelrechten Hexenjagd wurde, erstmals nach der Niederschlagung der Naziherrschaft, wieder eine Minderheit verfolgt. Und zwar mit einer alptraumhaften Systematik. In seinem dokumentarischen Film erinnert der Regisseur Van-Tien Hoang an das Schicksal jener Männer, deren Leben dabei ruiniert wurden. Und die zum Teil sogar in den Suizid getrieben wurden.
Frankfurt galt seinerzeit als »Hauptstadt der Homosexuellen«. Das ist nicht der einzige Grund für die Verfolgung von Schwulen in der Mainmetropole. Mit der Verhaftung des 19-jährigen Prostituierten Otto Blankenstein fielen der übereifrigen Justiz Namen und Adressen zahlreicher Kunden in die Hände. Binnen zehn Monaten ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen über 200 Männer. 75 von ihnen wurden verhaftet, darunter der damals 33-jährige Wolfgang Lauinger. Die Schilderungen dieses einzigen Zeitzeugen, der 2017 verstarb, verdeutlichen das perfide Vorgehen der Gerichtsbarkeit in Zusammenarbeit mit der Polizei.
So wurden, wie bislang nicht bekannt, Verdächtige demonstrativ am Arbeitsplatz festgenommen. Diese Vorführung war in der damaligen Zeit eine soziale Hinrichtung. Hinzu kam im Fall einer Verurteilung ein Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis. Betroffene bekamen dadurch keine Jobs mehr. Sie verloren ihren Führerschein und konnten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht einmal mehr Taxi fahren. Sogar Doktortitel wurden aberkannt. Auf diesem Weg trieb man Verfolgte systematisch in die Altersarmut. In den Gesprächen mit Wolfgang Lauinger ist diese Praxis noch zu erahnen.
Aktivisten und Historiker, darunter Christian Setzepfandt und Gottfried Lorenz, verdeutlichen im Film, dass diese Jagd auf Homosexuelle damals geltendem Recht entsprach. Legalisiert wurde die akribische Verfolgung von Schwulen und Bisexuellen, weil die juristische Grundlage des Paragrafen 175, eigentlich ein Relikt aus der Kaiserzeit, nach der Niederschlagung des Hitler-Regimes von den Alliierten nicht als NS-Unrecht eingestuft wurde. Obergerichtsrat Kurt Ronimi und Staatsanwalt Fritz Thiede, die dafür bekannt waren, dass sie bereits unter den Nazis massiv gegen Homosexuelle vorgegangen waren, nutzten nach dem Krieg diese Rechtslage systematisch aus für ihren homophoben Kreuzzug, der vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn (SPD) ausdrücklich gebilligt wurde.
Um die schwulenfeindliche Stimmung zu illustrieren, greift der Film im Stil eines Dokudramas auf Reenactment zurück. Mit Schauspielern nachgestellte Szenen in einer Schwulenbar oder während eines typischen Polizeiverhörs sind hier und da allerdings gewöhnungsbedürftig. Die Darstellung von Schwulen kommt nicht ganz ohne Klischees aus. Dennoch gelingt es dem Regisseur, der sein Langfilmdebüt unter anderem mit Hilfe einer Crowdfunding-Aktion realisieren konnte, ein beklemmendes Stück Zeitgeschichte eindrucksvoll zu rekonstruieren.
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