Nachruf: Alexander Rogozhkin
»Kukushka« (2002)
Regisseur, 3.10.1949 – 23.10.2021
Seine bekanntesten Werke, die Titel, für die ihn in Russland fast jeder kennt, sind im Westen nie angekommen. Seine Burleske über den tiefen Zusammenhang des Trinkens und Jagens unter Männern, »Die Besonderheiten der russischen Jagd« (1995), war im postsowjetischen Raum so erfolgreich, dass mit gleich zwei Sequels ein Franchise daraus wurde . Und mit der Polizei-Serie »Ulitsy rasbitych fonarei« (Streets of Broken Lights) kreierte Rogozhkin in der gleichen Zeit ein Genreformat, das, mit 18 Staffeln und insgesamt 500 Folgen bis 2019, noch heute die russischen Fernsehzuschauer fesselt. Wer daraus nun schließt, dass Alexander Rogozhkin ein »Kommerz-Regisseur« war, der es gut verstanden hätte, sich in den schwierigen Bedingungen des »neuen« Russlands einzurichten, liegt allerdings falsch. Die Kinokarriere des 1949 in Leningrad geborenen Regisseurs war von Beginn an kompliziert, und dann fielen seine aktivsten Jahre ausgerechnet in eine Zeit, als die Filmindustrie seiner Heimat völlig daniederlag.
Der studierte Kunstwissenschaftler kam erst auf dem zweiten Bildungsweg an die Filmhochschule, wobei die VGIK in Moskau nur seine zweite Wahl war. Dort studierte er beim Sowjet-Klassizist Sergej Gerassimov (»Die junge Garde«, »Der stille Don«). Es heißt, er sei nicht gerade dessen Lieblingsschüler gewesen. Für seinen vierten abendfüllenden Spielfilm »Karaul« (Die Wache) erhielt er 1990 auf der Berlinale den Alfred-Bauer-Preis. Das Drama – übrigens nach einem wahren Fall – um einen jungen Soldaten, der zum Mörder wird, weil er sich nicht mehr anders zu helfen weiß gegen die systematische Erniedrigung und Folter in der Armee, besitzt noch heute traurige Brisanz in Russland. Um ein System der Unmenschlichkeit geht es auch in »Tschekist«, mit dem Rogozhkin 1992 in den Wettbewerb von Cannes eingeladen wurde. Was später mit Haneke, Seidl oder Bruno Dumont tonangebend wurde, die unterkühlte Darstellung von Gewaltzusammenhängen, kreidete man dem russischen Regisseur da noch als »Schwarzmalerei« an.
In der unterfinanzierten Filmindustrie der 90er Kino zu machen, war schwer genug, einen Hit zu landen, während der Großteil der Säle geschlossen wurde, kommt einem Meisterstück gleich. Weil der Videomarkt, legal und illegal, in dieser Epoche die theatrale Auswertung fast ersetzte, wird Rogozhkins »Die Besonderheiten der russischen Jagd« gern auch als »VHS-Blockbuster« bezeichnet. Während er eher widerwillig Sequels dazu drehte, schloss Rogozhkin eine Reihe von Arthouse-Filmen an, die seine geistige Unabhängigkeit und seine besondere, von Verständnissinn geprägte Handschrift belegen: In »Blokpost«, den er 1999 auf der Berlinale präsentierte, thematisierte er einmalig ungeschminkt den Tschetschenienkrieg. Mit dem »Friedensfilm« »Kukushka« (2002) gelang ihm ein Festivalerfolg. Vor zehn Jahren verabschiedete er sich, grantig auf die »Unprofessionalität« seiner Umgebung, vom Filmemachen. Am 23. Oktober verstarb der 72-Jährige in St. Petersburg.
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