Nahaufnahme von Jennifer Hudson
Jennifer Hudson als Aretha Franklin in »Respect« (2021). © Quantrell D. Colbert
Jennifer Hudson ist ganz bei sich, wenn sie nicht nur spielen, sondern singen kann wie in ihrem Debüt »Dreamgirls«. Jetzt spielt sie Aretha Franklin, die Queen of Soul, in dem Biopic »Respect« – und hebt den eher konventionellen Film auf eine andere Ebene
Was Leinwanddebüts angeht, kann man es wohl kaum eindrucksvoller machen als Jennifer Hudson. Genau 15 Jahre ist es in diesem Dezember her, dass ihre Schauspielkarriere im Kino-Musical »Dreamgirls« von Bill Condon begann. Oder vielleicht müsste man doch eher sagen: explodierte. Anders lässt sich vor allem jene Szene kaum beschreiben, die damals das Publikum von den Sesseln riss: »And I'm Telling You I'm Not Going«, klagte sie als von ihren Kolleginnen und ihrem Lebensgefährten und Manager hängengelassene Girlgroup-Sängerin Effie – und sang sich die Seele aus dem Leib.
Gleich für ihren ersten Film wurde Hudson, die zwei Jahre zuvor in der Casting-Show »American Idol« Siebte geworden, aber ansonsten ein unbeschriebenes Blatt war, mit dem Oscar als Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet; neben ihr verblasste selbst Grammy-Gewinnerin Beyoncé, die in »Dreamgirls« der eigentliche Star war. »Ein Debüt, das an die von Barbra Streisand in »Funny Girl« oder Bette Midler in »The Rose« erinnert«, schwärmte das Branchenblatt »Variety«. »Nur mit einer Stimme wie die der jungen Aretha Franklin.«
15 Jahre später nun spielt Hudson in »Respect« erneut eine Sängerin – eben jene Aretha Franklin. Dazwischen liegt eine Karriere, die so wechselhaft verlief, wie sie rasant begonnen hatte. Drei Alben mit R&B- und Popsongs nahm die 1981 geborene Chicagoerin auf; alle landeten in den US-Top-Ten, doch eine echte Hitsingle wollte Hudson nicht gelingen. Auch im Kino blieb der ganz große Wurf aus. Sie übernahm Nebenrollen im ersten »Sex and the City«-Film, außerdem in der Bestseller-Verfilmung »Die Bienenhüterin« und in Spike Lees »Chi-Raq«. Aber ausgerechnet das Biopic »Winnie«, in dem sie als Winnie Mandela erstmals Hauptdarstellerin sein durfte, erwies sich als Flop. Der Film von Darrell Roodt wurde von Mandela selbst ebenso verrissen wie von der Presse, in den Kinos fand er quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt (und war in Deutschland bis heute nie irgendwo zu sehen).
Am erfolgreichsten – und sehenswertesten! – war und ist Hudson, die auch Jurorin in der Fernsehshow »The Voice« war und bereits mit 31 Jahren ihre Autobiografie veröffentlichte, tatsächlich immer dann, wenn nicht so sehr Subtilität, sondern vor allem große Gesten und emotionale Auftritte gefragt sind. Und wenn sie dabei ihr darstellerisches mit dem musikalischen Talent kombinieren darf. Bei ihrem Broadway-Debüt im Herbst 2015 beispielsweise, wo sie in der Tony-prämierten Musicalfassung von »Die Farbe Lila« die Rolle der Bluessängerin Shug übernahm. Oder auch in Tom Hoopers »Cats«-Film, dessen Misslingen viele Gründe hatte, zu denen aber ihre Grizabella und deren »Memory«-Auftritt nicht gehörten.
Ihre aktuelle Rolle im musiklastigen »Respect« ist in dieser Hinsicht ein Geschenk – und zwar eines, das Hudson von Aretha Franklin höchst persönlich gemacht wurde. Die Queen of Soul, die zu Lebzeiten etliche Jahre in die Entwicklung eines Biopics involviert war, hatte gemeinsam mit Produzent Scott Bernstein beschlossen, dass ihre Kollegin die beste Wahl für die Hauptrolle sei. Das erste Mal begegnet waren die beiden einander 2004, noch vor der »Dreamgirls«-Rolle, als Hudson bei einem Konzert Franklins im Vorprogramm auftreten durfte. Später freundeten sie sich an; nach Franklins Tod 2018, da war das Filmprojekt bereits offiziell verkündet, sang Hudson auf der Trauerfeier.
Natürlich habe sie angesichts ihrer bislang größten Rolle als Schauspielerin Druck empfunden, gab Hudson, die mit ihrem 12-jährigen Sohn bis heute in Chicago lebt, kürzlich im Interview mit epd Film zu Protokoll: »Ich wollte unbedingt beweisen, dass Aretha sich nicht in mir getäuscht und ich ihr Vertrauen verdient hatte. Gleichzeitig war es aber auch eine Erleichterung, dass ich ihren persönlichen Segen hatte. Denn ich dachte mir: Wenn Aretha denkt, dass ich gut bin und das kann, dann schaffe ich das auch. Was nicht heißen soll, dass diese Rolle nicht eine unglaubliche Herausforderung war. Es gibt schließlich nur eine Aretha Franklin, und an die reicht niemand heran.«
Dass Hudson selbst der jüngeren Franklin – »Respect« spielt zwischen 1952 und 1972 – nicht wirklich ähnlich sieht, fällt im Kino nun ebenso wenig ins Gewicht wie die Tatsache, dass es auch stimmlich einige Unterschiede zwischen den beiden gibt – selbst wenn Hudson in der Rolle zweifelsohne anders singt als in ihren eigenen Songs. Viel entscheidender ist, dass man in praktisch jeder Szene das Gefühl hat, dass hier jemand am Werk ist, der ganz genau nachempfinden kann, worum es geht. Das Aufwachsen im streng christlichen Elternhaus, die frühe musikalische Prägung durch Gospel und Kirchenmusik, der künstlerische Ehrgeiz und Erfolgswille, das Ringen mit Verlust und Trauma (in Hudsons Fall die Ermordung ihrer Mutter, ihres Bruder und ihres Neffen durch einen früheren Schwager) – die 40-jährige nutzt die Nähe zwischen der eigenen Biografie und ihrer Rolle für eine Performance, deren Wahrhaftigkeit den von Liesl Tommy ansonsten konventionell inszenierten Film auf ein neues Niveau hebt.
Es mag in »Respect«, an dem sie nicht nur vor der Kamera, sondern auch als Executive Producer beteiligt ist, nicht den einen Gänsehautmoment geben wie damals jenen, der Hudson ihren Oscar bescherte. Doch was ihr als Aretha Franklin gelingt, ist letztlich viel eindrucksvoller: Sie trägt den ganzen Film, in dem sie in praktisch jeder Szene zu sehen ist, wenn nicht mühelos, dann doch mindestens überzeugend – und straft all jene Lügen, die sie als Schauspielerin stets für eine Eintagsfliege hielten oder meinten, sie verdanke ihre Karriere bloß einer lauten Stimme und einem Ausnahme-Song. Dass sie, getreu dem Motto »I'm Not Going«, nicht vorhat, wieder in der Versenkung zu verschwinden, versteht sich von selbst. Aktuell, so war es gerade in der Fachpresse zu lesen, bereitet sie das nächste Projekt vor: Ab Mitte 2022 will sie mit einer eigenen Talkshow à la Oprah Winfrey auf Sendung gehen.
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