Nachruf: Maggie Smith

So britisch
Maggie Smith in »Dowton Abbey« (2029). © Focus Features / Jaap Buitendijk

Maggie Smith in »Dowton Abbey« (2029). © Focus Features / Jaap Buitendijk

28. 12. 1934 – 27. 9. 2024

Den Gipfel ihrer »Britishness« erreichte Margaret, genannt Maggie, Smith in bereits hohem Alter. In der Serie »Downton Abbey« spielt sie die Matriarchin eines aristokratischen Clans, die, fest im Sessel sitzend und untadelig kostümiert, mit Deadpan-Miene Sätze wie Peitschenhiebe verteilt. Als Reaktionärin Violet Crawley verleiht sie der Serie mit ätzender Ironie, Scharfsinn und unerwarteter Güte erst ihre Würze. In näselnder Diktion teilt diese eiserne Lady gegen alle aus: saumselige Frauen, Emporkömmlinge und besonders gern gegen vulgäre Amerikaner. Die Sticheleien schienen die Beliebtheit der Serie gerade in den USA, wo Maggie Smith womöglich noch mehr verehrt wurde als in Großbritannien, noch zu steigern.

Maggie Smith, die am 27. September mit fast 90 Jahren starb, ist in ihrer 72-jährigen Karriere in diese Verkörperung eines Klischees so sehr hineingewachsen, dass viele ihrer süffigen Nebenrollen an der Seite größerer Stars so wirken, als seien sie ihr extra auf den Leib geschrieben. Wie etwa der Part der altjüngferlichen Charlotte Bartlett in der opulenten Literaturverfilmung  »Zimmer mit Aussicht« (1985), die als Anstandswauwau im Toskanaurlaub die junge, ungestüme Miss Honeychurch zu behüten versucht. Als verhärmte, jedoch liebenswerte Spaßbremse bekam sie eine von insgesamt sechs Oscarnominierungen und erwies sich als der heimliche Star des James-Ivory-Kinohits. Den Hauptdarstellerinnen-Oscar hatte sie bereits 1970 für ihre Rolle im Drama »Die besten Jahre der Miss Jean Brodie« als angeschwärmte Lehrerin, die ihre Schülerinnen auf Abwege führt, bekommen.

Tatsächlich hat Maggie Smith, soweit man ihr riesiges Repertoire überblicken kann, durchaus »heiße Feger« gespielt – aber niemals nie eine zuckersüße Hasch-mich-ich-bin-der-Frühling-Figur à la Miss Honeychurch. Bereits ihr Bühnendebüt, die Viola in der Shakespeare-Komödie »Was ihr wollt«, feierte die damals 18-Jährige mit einer Hosenrolle. Mit »einem Gesicht wie diesem« werde sowieso nichts aus ihr, so hatte ihre Mutter sie einst vor der Schauspielerei gewarnt. Stattdessen eroberte sie, rotblond, dünn und mit einem Kinn so spitz wie ihr Witz, in Rekordzeit britische Bühnen, Broadway, Leinwand und Bildschirm. Es gibt keinen internationalen Film- und Theaterpreis, den Dame Maggie Smith links und rechts des Atlantiks nicht bekam.

Entdeckt wurde das junge Talent von Sir Laurence Olivier, der sie in sein neu gegründetes Royal National Theatre holte. Als Desdemona in »Othello« bekam sie 1966 die erste Oscarnominierung. Es wird kolportiert, dass er sich bald weigerte, mit ihr aufzutreten: Trotzig, nicht demütig, bot sie ihm die Stirn, als er sie in der »Othello«-Rolle ohrfeigte. Spätestens ab da riss die Liebesaffäre des Publikums nicht mehr ab mit dieser Schauspielerin , deren Spröde durch feinen Humor gemildert wurde und die in immer neuen Varianten kultivierte Damen mit Haaren auf den Zähnen verkörperte. Sie war Lehrerin, Gouvernante, strenge Oberin (in Sister Act), spielte aber auch, etwa im Melodram »Die große Sehnsucht der Judith Hearne« (1987) oder in »The Lady in the Van« (2015), intelligente Außenseiterinnen, die, verzweifelt die Contenance wahrend, an der Gesellschaft scheitern.

Maggie Smith war auch der Beweis für die Kreativität des angelsächsischen Filmschaffens. Typisch tiefstapelnd, sagte sie: »Wenn du in die Oma-Periode kommst, bist du glücklich über alles, was du kriegst.« Doch beruflich hatte sie kein Verfallsdatum. Ihre größte Beliebtheit erlangte sie jenseits der 65 als Minerva McGonagall in den Harry-Potter-Verfilmungen. Es verwundert nicht, dass Autorin J. K. Rowling vehement auf Maggie Smith, der Spezialistin für Frauen mit Rückgrat, bestand. Als Hexe, die auch mit Schlapphut Respekt gebietet, als Komödiantin mit augenzwinkerndem Domina-Appeal und einem Zauberstab wie ein Laserschwert, war sie umwerfend. Sie beklagte sich oft, dass ihre beste Freundin Judi Dench Königinnen, sie aber nur »die exzentrische Gräfin soundso und die Zauberin« spielen dürfe. Doch man hätte ihr ewig zusehen können.

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