Kritik zu Sing Me A Song

© Real Fiction Filmverleih

2019
Original-Titel: 
Sing Me A Song
Filmstart in Deutschland: 
09.12.2021
L: 
100 Min
FSK: 
12

Thomas Balmès kehrt in seiner Langzeitbeobachtung zu dem buddhistischen Mönch Peyangki in einer abgelegenen Gegend Bhutans zurück – wo sich in den letzten Jahren vieles verändert hat

Bewertung: 3
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Der Achtjährige will buddhistischer Mönch werden. Die Mutter ist darüber erfreut: »Du könntest bei meiner Einäscherung helfen. Weil du weißt, wie die Zeremonie geht.« Archaische religiöse Rituale bestimmen seit Jahrhunderten das Leben in diesem Kloster, das in den 4000 Meter hohen Bergen Bhutans gelegen ist. Spiritualität scheint ein Ausdruck dieser magischen Landschaft zu sein, die Thomas Balmès mit atemberaubenden, nie postkartenmäßig wirkenden Bildern fotografiert. 

Doch »Zehn Jahre später«, so das Insert seines neuen Films, in dem der französische Regisseur, Kameramann und Produzent nach Bhutan zurückkehrt, hat sich einiges verändert. Peyangki, den Balmès in seiner Langzeitbeobachtung begleitet, ist inzwischen 18 Jahre alt. Und das abgeschiedene Bergdorf, das Jahrhunderte von der Außenwelt isoliert war, ist zwischenzeitlich ans Internet und ans Fernsehen angeschlossen worden. Auf den Mönch, den man im Rückblick noch unbeschwert auf der Wiese herumtollen sieht, hat die schockartige Digitalisierung dramatische Auswirkungen. 

Balmès protokolliert diesen Prozess zunächst recht zurückhaltend. Allmählich erst weicht die meditative Stimmung des Films einer menschlichen, allzu menschlichen Geschichte. Diese Erzählung nimmt mehr und mehr Fahrt auf. Über das Portal WeChat hat Peyangki eine junge Frau kennengelernt. Sie schminkt sich stark und singt ihm via Voicemail Lieder. So erklärt sich der Filmtitel.

Dank ihr vernachlässigt der junge Mönch seine Rituale. Er verdient Geld, um Nguen zu besuchen, die in der Hauptstadt Thimphu als Sängerin in einer Bar arbeitet. Mit der parallel angerissenen Geschichte dieser jungen Frau, bei der nicht klar wird, ob sie auch als Prostituierte arbeitet, verändert sich die Stimmung des Films radikal. Nguen sitzt im Restaurant und wischt, wie ihre Freundinnen auch, auf dem Smartphone herum: »Sieh mal, die Moslems«, sagt sie plötzlich. »Sie köpfen Leute, einfach so.« 

In diesem gespenstischen Moment spannt der Film einen abenteuerlichen Bogen. Die Rituale eines Mönches, der nach strengen Vorschriften Kerzen anzündet, prallen auf jene IS-Enthauptungsvideos, die 2015 in der ganzen Welt verbreitet wurden. Im Schlüsselmoment des Films sitzt Peyangki dann seiner Handy-Freundin gegenüber. Sie tut so, als hätte sie aus Nachlässigkeit vergessen, ihm zu sagen, dass sie eine kleine Tochter hat. Peyangki ist sichtlich niedergeschlagen. 

In solchen Augenblicken prallt jahrhundertealte Spiritualität auf eine banal erscheinende Geschichte wie aus einem Groschenroman. Diese Heterogenität droht den Film zu sprengen. Balmès versucht, den culture clash nicht zu werten. Das funktioniert nicht so ganz. Bilder von orange gekleideten Mönchen, die wie Junkies vor dem Ego-Shooter sitzen, entwickeln eine Eigendynamik. Internet und Handy, so die moralisierende Message, wirken auf diese Menschen wie Feuerwasser auf Indianer. Der Film beobachtet vielschichtig und sensibel. Dennoch ist man als Betrachter dem Tunnelblick einer zuweilen allzu eindeutigen Botschaft ausgesetzt.

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