Kritik zu Gunpowder Milkshake
Der israelische Filmemacher und Drehbuchautor Navot Papushado fährt in seinem völlig überdrehten Neo-Noir-Splatter-Actionfilm ein überragendes Frauen-Ensemble auf, berauscht sich aber an Choreographie und Ästhetik statt an den Charakteren
Die Handlung wirkt schon auf dem Papier einigermaßen absurd: Die Auftragskillerin Sam (Karen Gillan) tötet den Falschen und bringt damit nicht nur die eigenen Auftraggeber gegen sich auf, sondern auch den Clan des Toten. Irgendwie geht es auch noch um einen großen Batzen Geld, den sie zurückholen soll. Dabei erschießt sie versehentlich einen Kleinkriminellen und hat fortan dessen neunjährige Tochter Emily (Chloe Coleman) an ihrer Seite. Sie sucht Hilfe bei drei vermeintlichen Bibliothekarinnen, die ein ganzes Waffenarsenal in den Klassikern großer Autorinnen aufbewahren. Und dann taucht auch noch nach 15-jähriger Abstinenz Sams Mutter (Lena Headey) auf, die einst – ebenfalls Auftragskillerin – abtauchen musste. Es kämpfen schließlich fünf Frauen und ein Mädchen gegen gleich mehrere Scharen von äußerst brutalen Fieslingen.
Es ist eine Geschichte, die durchaus Potenzial hat: Das schwierige Verhältnis von Mutter und Tochter oder auch die Komplizenschaft der Frauen gegen ein rein männliches Personal. Jede einzelne Frauenfigur bietet reichlich Projektionsfläche, zumal mit Angela Bassett, Carla Gugino und Michelle Yeoh als Darstellerinnen. Doch der Regisseur und Autor Navot Papushado scheint sich gar nicht für seine Figuren zu interessieren. Stattdessen verliert er sich in Ästhetik und sinnlos aneinandergereihten Actionszenen. Für seinen überwiegend in Berlin gedrehten Film wählt er ein seltsam seelenloses Setting, das ebenfalls durch Kontraste Reiz hätte entfalten können: auf der einen Seite ein Diner im kühlen Neon-Sechziger-Look, auf der anderen Seite eine riesige altehrwürdige dunkle Bibliothek. Doch beides bleibt Kulisse. Ikonisch setzt Kameramann Michael Seresin mehrfach den titelgebenden Milchshake in Szene, hübsch sieht's aus. Dabei bleibt es auch.
Zugleich überlädt Papushado seine Inszenierung mit Anleihen bei Klassikern aller Genres, als wolle er beweisen, dass er seine Hausaufgaben in Sachen Filmgeschichte gemacht hat. Hauptfigur Sam weckt mit ihrer Unbesiegbarkeit und Abgebrühtheit unmissverständlich Assoziationen an Uma Thurman in »Kill Bill« – und überbietet sie noch mit ihrer Akrobatik in »Black Widow«-Manier. Zum Splatter wird's, wenn Gliedmaßen durch die Gegend fliegen, Köpfe rollen, das Blut in Fontänen spritzt. Und wenn die kleine Emily gleich mehrfach betont, dass sie nicht etwa Sams Anhängsel, sondern ihre Praktikantin ist, dürfte sich nicht nur Natalie Portman an ihre Rolle in »Léon – Der Profi« erinnert fühlen. »John Wick«-Momente hat »Gunpowder Milkshake« außerdem.
Natürlich macht die eine oder andere Szene Spaß – so absurd sie auch sein mag. Als ein Arzt Sam ein Gift spritzt, das ihre Arme lähmt, bittet sie Emily, ihr die Waffen an die Arme zu tapen. Warum sie dann trotz Lähmung abfeuern kann? Geschenkt. Als sie wenig später Emily auf ihrem Schoß in einer wilden Verfolgungsjagd ein Auto steuern lässt, ist das durchaus lustig. Doch auch diese Szenen geraten zu lang. Der Charme verpufft. Zwar zeichnen sich Action- und Splatterfilme nicht zwingend durch tiefsinnige Storys aus, »Gunpowder Milkshake« aber hätte etwas mehr Ernst und weniger Style durchaus gutgetan. Die Figuren und ihre Darstellerinnen hätten es verdient.
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