10/2015

In diesem Heft

Tipp

26. Oktober bis 1. November, Leipzig – Das älteste Dokumentarfilmfestival der Welt bietet ein breites Spektrum an Dokumentar- und Animationsfilmen mit besonderem Augenmerk auf den ästhetischen Strategien. Zum Programm gehören internationale Wettbewerbe für lange und kurze Dokumentarfilme, animierte und deutsche Genrebeiträge sowie der Next-Masters-Wettbewerb. Darüber hinaus gibt es zahlreiche begleitende Programme wie den regionalen Fokus, eine historische Retrospektive und die Hommage
20. bis 25. Oktober, Hof – Die Internationalen Hofer Filmtage dienen als Plattform für deutsche Nachwuchsregisseure, die hier viele Werke uraufführen. Unter den rund 130 gezeigten Filmen findet sich für jeden Geschmack etwas – vom Spielfilm über Dokumentationen und Kurzfilme bis zu Independentfilmen aus aller Welt. Für Sportfans ist auch was dabei: das traditionelle Fußballspiel
Einen der schönsten Beiträge zum 70. Jubiläum des Kriegsendes hat der Filmemacher und Autor Alexander Kluge geliefert: das Jahr 45 in wahren und erfundenen Geschichten. Dazu: ein Band mit ikonischen Fotografien
Zum 70. Geburtstag von Wim Wenders erschien zum ersten Mal auf BluRay sein Frühwerk »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter« – und eine Best-of-Box
7. bis 11. Oktober, Frankfurt am Main – Unter dem Leitthema »Expanded Senses: Mit allen Sinnen erleben und Grenzen verschieben«, in Diskussionen, Vorträgen, Ausstellungen und Filmvorführungen geht die zweite B3 der Frage nach, wie das bewegte Bild gesellschaftlichen Einfluss nehmen kann und wie Körper und Medien zusammenspielen
Die erste Staffel der ungewöhnlichen Krimiserie »True Detective« war zum Meisterwerk des Quality-TV hochgerappt worden. Mit der zweiten, mit neuem Team und neuem Schauplatz, hagelte es Verrisse. Aber vielleicht ist der Wechsel vom Südstaaten-Gothic zum L.A. Noir gar nicht so fatal misslungen . . .
Sterbehilfe ist inzwischen ein Standardthema des Kinos. Und zumeist erwischt es die Menschen vor der Zeit. Dieser erstaunlich heitere und bewundernswert kluge Film aus Israel aber verortet das Thema da, wo es hingehört: im hohen Alter
Wolfgang Becker spricht am 27.10. im Deutschen Filmmuseum mit epd Film-Redakteur Rudolf Worschech über seinen Film »Ich und Kaminski«

Thema

»Ich sollte was Anständiges lernen« – Aber dann hat er das Referendariat doch nicht gemacht. Jetzt unterrichtet Arend Agthe Kinder auf die etwas andere Weise: spielerisch, humorvoll, in Filmen wie dem Klassiker »Flussfahrt mit Huhn«. Sein neuer Star ist ein Hamster. Zum Start von »Rettet Raffi!« hat Katrin Hoffmann mit dem Regisseur gesprochen
Sie begann mit Fernsehkrimis, ist »Tatort«-Kommissarin und arbeitet sich über die deutsch-türkische Kinokomödie »Almanya« ins dramtische Fach vor. Jetzt steht der hochbegabten Aylin Tezel alles offen
Unsere "Steile These" des Monats Oktober
Er hat mit Arthouse angefangen. Und wurde als Loki der populärste Blockbuster-Schurke. Tom Hiddleston im Porträt
Stunt Casting nennt man das: wenn Stars den Figuren in Animationsfilmen ihre Stimme leihen. Die Synchronisation ist aber eine Kunst mit eigenen Gesetzen, findet Gerhard Midding. In dem Pixar-Film »Alles steht Kopf« hat das ganz gut geklappt
Das aktuelle amerikanische Kino drängt sie uns geradezu auf: starke Frauen. Wie Emily Blunt, die in dem Thriller »Sicario« an der mexikanischen Drogenfront kämpft. Alexandra Seitz fragt sich, ob diese neuen Heldinnen die Welt voranbringen

Meldung

Antoine Monot, Jr., 40, Deutschschweizer, Schauspieler und Produzent, war in rund 90 Kino- und TV-Produkionen zu sehen, darunter »Absolute Giganten«, »Das Experiment«, »Who am I« und kürzlich der Tatort »Ihr werdet gerichtet«
72. Filmfestival von Venedig: Ein enttäuschender Wettbewerb als Spiegel einer Kinobranche weniger in der Krise als im Umbruch
Als einer der letzten Beiträge eines letztlich enttäuschenden Wettbewerbs stellt Atom Egoyan in Venedig seinen Film »Remember« vor, eine deutsch-kanadische Koproduktion, in der Christopher Plummer gegenüber Bruno Ganz und Jürgen Prochnow einen senilen Auschwitz-Überlebenden auf Rachefeldzug spielt

Filmkritik

Anne Villacèque entwickelt mit Bedacht ihre Geschichte über die Freundschaft zweier gestandener Ehepaare, die plötzlich vor einer Zerreißprobe steht. Ohne viel Worte, entsteht ein Krisenszenario, das unter die Haut geht
Johnny Depp spielt einen legendären Bostoner Gangster und unterstreicht als blauäugiger Verbrecher mit blondem Haarkranz seine Oscarambitionen. Die flache Mafia­chronik nach realen Vorbildern bietet ihm aber zu wenig Gelegenheit, zu überzeugen. Statt seiner spielt sich Joel Edgerton in den Vordergrund
Robert Zemeckis macht aus der Geschichte von Philippe Petit, der 1974 sein Hochseil zwischen den Twin Towers aufspannte, ein 3D-Spektakel. Auf der Strecke bleibt aber die Poesie, die den Drahtseilakt zwischen jenen Türmen auszeichnete, die einst für die Superlative menschlicher Schaffenskraft standen und heute das Symbol terroristischer Zerstörungswut sind
Minimalistischer und schwarzhumoriger Psychothriller des einstigen Wunderkindes M. Night Shyamalan, der den Zuschauer überzeugend in die Irre führt
Erste Liebe vor dem Hintergrund von Nazigräueln und Krieg. Ein sattsam bekanntes Motiv, das die Fallen des Melodramatischen und der Rührseligkeit birgt. Michal Rogals­kis besonnen inszenierter Film entkommt diesen nicht nur, er setzt Mitgefühl mit authentischen Charakteren dagegen und zeigt die Wirksamkeit struktureller Gewalt
Die traurige und harte Geschichte einer Gang jugendlicher Gewalttäter in einem ­Internat bekommt eine enorme Wucht, weil der ukrainische Regisseur Myroslav Slaboshpytskiy sie konsequent von gehörlosen Laiendarstellern spielen lässt, völlig ohne Untertitel, Übersetzungen und Erklärungen
Zwischen atmosphärisch dichten Bildern, Splattermomenten und Dilettantismus changierendes Horrormärchen
Der zweite Film um den hessischen Generalstaatsanwalt konzentriert sich auf dessen Suche nach Adolf Eichmann. »Der Staat gegen Fritz Bauer« ist eine bewegende Studie in Sachen Fremdheit und Widerstand
Denis Villeneuve, den kanadischen Grenzgänger des ambitionierten Actiondramas, zieht es diesmal nach Süden. Sein Thriller »Sicario« über den amerikanisch-mexikanischen Drogenkrieg steckt voller Widerhaken
Aleksandar Nikolic zeichnet das vielschichtige Porträt eines serbischen Juristen, der dazu steht, einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher vor Gericht zu vertreten
Was wäre, wenn sich die zukünftige Queen zusammen mit ihrer Schwester in der Nacht des Kriegsendes ins wirkliche Leben auf die feiernden Straßen Londons gestürzt hätte? Julian Jarrold spinnt daraus ein luftiges ­royales Märchen
Die Entführung eines Goldhamsters weitet sich zu einem Großstadt­abenteuerfilm aus, der ein bisschen zu viel mit überraschenden Wendungen klotzt, aber seine jugendliche Hauptfigur nie aus dem Blick verliert
Alejandro Amenábar kommt hier weder an ganz große Vorbilder wie »Rosemaries Baby« noch an seinen eigenen »The Others« heran. Doch eine leidlich spannende, atmosphärisch überzeugende Angelegenheit ist seine Satanismusgeschichte allemal
Nüchterne, beinah dokumentarisch anmutende Beschreibung von Lance Armstrongs Dopingprogramm. Stephen Frears zeigt kompetent, aber nicht wirklich packend, wie es dem Amerikaner gelingen konnte, 20 Jahre lang die Sportwelt zu täuschen
Robert Redford und Nick Nolte verkörpern selbstironisch zwei alte Männer, die sich viel zu viel zumuten. Leider belässt es Ken Kwapis bei dieser Liebeserklärung an seine Stars und verliert sich so im allzu Gefälligen
In der Schlussphase des Jugoslawienkriegs versucht das Team einer internationalen Hilfsorganisation im zerklüfteten Balkan-Bergland seine Arbeit zu machen – und stößt dabei immer wieder auf groteske Hindernisse. Entspannte, beinah lässige Kriegskomödie, die mit Benicio del Toro und Tim Robbins zwei ausgesprochen gut aufgelegte Hauptdarsteller hat
Selten wurde das Exil in einem Auffanglager so differenziert geschildert wie in dieser hochaktuellen Odyssee zweier Bootsflüchtlinge aus Afrika
Die Fortsetzung der jungszentrierten Young-Adult-Serie leidet unter typischen Mittelteilschwächen und rettet sich in den bloßen Fluchtmodus
Makellose 3D-Bilder, ein spielfreudiger Matt Damon in der Hauptrolle, unerwartet leichtfüßiger Humor und ein spannender Showdown – »Der Marsianer« hat alles, was gelungenes Unterhaltungskino braucht
Davis Guggenheims Dokumentation über die Friedensnobelpreisträgerin Malala ­Yousafzai ist ergreifend und inspirierend. Doch es mangelt dem Regisseur bisweilen an der nötigen Distanz, was seinen Film auf eine bloße Hagiographie reduziert
Mäßig interessante Culture-Clash-Komödie mit Christian Ulmen und Aylin Tezel in den Hauptrollen
Ohne dessen schrille Bilder, doch nicht weniger aufwühlend als »The Act of Killing« erzählt Joshua Oppenheimers Nachfolgeprojekt aus der Perspektive der Opfer des indonesischen Genozids. Gemeinsam mit seinem Protagonisten, der die Mörder seines Bruders mit ihrer Schuld konfrontiert, blickt er tief in die Psyche eines Landes, in dem noch immer die Täter die Deutungshoheit innehaben
Sachlich und gleichermaßen erschreckend offenbart die Dokumentation, wie skrupellos sich Regierungen verhalten können, wenn es um landwirtschaftliche Nutzung von Ackerflächen geht
Roadmovie, das die Annäherung zweier Personen zeigt, dabei aber zu sehr auf Standardsituationen setzt und nur durch Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring einigermaßen über die Runden gebracht wird
Regisseur Pedro Costa gelingt mit einem gewagten formalen Ansatz auch eine gewichtige Hommage an die Geschichte der kapverdischen Einwanderer Portugals
Künstlerbiografie, die in den Bildern von David Hockney spazieren geht und dadurch ein äußerst sympathisches Porträt von einem der wichtigsten britischen Gegenwartskünstler zeichnet
Hoch betagt zur Hip-Hop-Weltmeisterschaft: Der Neuseeländer Bryn Evans dokumentiert eben den sportlichen Aktivitäten einer Altentanzgruppe auch außergewöhnliche Lebensläufe der Tänzerinnen – manchmal allerdings als allzu hektischen Videoclip
»Das Fest« auf Deutsch – doch trotz seiner Nähe zu dem Dogma-Klassiker gelingt es »Familienfest«, sich von seinem Vorbild zu lösen. In seinen eindringlichsten Momenten spiegelt er das momentane geistige Klima in Deutschland so perfekt wider, dass man ihm einige recht klischeehafte Wendungen gerne verzeiht
Matthew Heineman berichtet in seiner Dokumentation direkt von den Frontlinien des amerikanischen wie des mexikanischen Kriegs gegen die Drogenkartelle. Dass er dabei gelegentlich auch die eine oder andere Grenze überschreitet, ist in diesem besonderen Fall eher eine Stärke als ein Makel
Filmjournalistin Claudia Funk begleitet den Alltag in einem ungewöhnlichen landwirtschaftlichen Altenheim im rumänischen Siebenbürgen und schafft ein bleibendes Dokument einer aussterbenden deutschsprachigen Minorität und ihrer Lebensweise
Ein perspektivloser Kiffertyp entpuppt sich als vom CIA gejagte Killermaschine. Unausgegorene Actionkomödie, die Häme mit Humor verwechselt und an einer unsympathischen Hauptfigur krankt. Ein Lichtblick: die wundervolle Kristen Stewart
Das knallbonbonbunte Fantasiespektakel rührt unter Gelächter zu Tränen und belegt in bestechender Logik, dass Traurigkeit für die Psyche ebenso wichtig ist wie Frohsinn
Eine Frau wird von einem mehrfachen Mörder als Geisel genommen und bekehrt ihn schließlich mit Hilfe eines evangelikalen Bestsellers. Gut gespielt und halbwegs solide inszeniert, ist der Film vor allem als Zielgruppenkino bibeltreuer Christen von kuriosem Interesse
Baltasar ­Kormákurs aufwändiger, in 3D gedrehter Bergfilm bewegt sich im Spannungsfeld zwischen ungebrochener Himalaya-Romantik und dem in den 90er Jahren beginnenden Pragmatismus der Extrem-Bergtouren. Während der Film in den melodramatischen Passagen eher schwach ist, gelingen ihm spannende und düstere Szenen des Bergsteigens, in denen selbst die Willenskraft der Bergsteiger in Frage gestellt wird
In dem überaus komischen Nachschlag des Kinohits von 2013 setzt Regisseur Bora Dagtekin wieder auf bewährte Rezepte und serviert eine Handlung, die von eigenen wie fremden Filmen inspiriert ist

Film