Kritik zu Wochenenden in der Normandie
Ein Film über Freundschaft und Liebe in Zeiten der Midlifekrise, mal ein bisschen anders gestrickt
Zwei Frauen, eine Begegnung. Die eine, Christine (Karin Viard), freut sich, einen Parkplatz gefunden zu haben. Die andere, namenlos, eine Zufallsbegegnung, ist leer ausgegangen und baut sich bedrohlich gegenüber Christine auf. Eine Überreaktion, die im Supermarkt noch ein kurzes Nachspiel hat. Die eigentliche Filmhandlung setzt erst danach ein und erzählt eine Geschichte von zwei befreundeten Ehepaaren, die sich jedes Wochenende in ihren Ferienhäusern in der Normandie treffen. Sie sind in den Jahren zusammengewachsen, aber als eines morgens Christine vor der Tür steht, weil Jean (Jacques Gamblin) sie in der Nacht verlassen hat, wird alles anders. Abgesehen vom bedenklichen Zustand Christines, die auf das plötzliche Verlassensein mit depressiven Schüben reagiert, kommen auch beim intakten Paar, Sylvette (Noémie Lvovsky) und Ulrich (Ulrich Tukur), Zweifel auf. Das plötzliche Ausscheren von Jean aus dem Alltagstrott einer Beziehung weckt die Selbstzweifel, ob die bequeme Sicherheit all der Jahre sich eines Tages als Chimäre erweisen könne. So deutlich wird es nicht ausgesprochen, aber hinter alledem steht auch die Frage: Was ist Liebe? Was wird aus ihr, wenn wir zusammen älter werden?
Der leise, unspektakuläre Film von Anne Villacèque stellt sich diesen Fragen, ohne zur großen Problembewältigung auszuholen. Es geschieht einfach – aus heiterem Himmel. Als Jean mit seiner neuen Partnerin zu Besuch kommt, geht die alte Freundschaft in neuer Konstellation irgendwie weiter, nur die Kinder machen nicht mit. Trotzdem bleibt Christine der eigentliche Mittelpunkt und Motor des Films. Sie leidet, agiert, mischt sich ein, stört. Sie ist die Ausgeschlossene, die Alleingebliebene, Widerspenstige, die über das neu belegte Ehebett und die alten Bettbezüge herzieht und Rachepläne schmiedet. Und dann kommt der Augenblick, in dem sie verzweifelt zu ihrem Lieblingsplatz an den Klippen fährt, um von dort aus ihren Hilferuf an den Nochehepartner loszulassen. Da schwingt – bei bedrohlichen Felsen und tosender Brandung – ein Gefühl von Erpressung mit. Ausgerechnet in diesem Augenblick kommt die Unbekannte vom Parkplatz mit ihrem Hund am Strand vorbei. Die beiden sehen sich nicht einmal, nur der Kamerablick stellt die Verbindung her: zwischen zwei verlorenen Seelen, zwei Einsamen. Das eigentliche Motiv des Films wird also, wie es sich gehört, bereits in der ersten Szene eingeführt. Eine Momentaufnahme, aus der sich die Legitimation des ganzen Films herleitet. Konstruiert wirkt das Ganze jedoch keineswegs, denn so und nicht anders entstehen die Geschichten im Kopf. Klug eingefädelt und beinahe dokumentarisch im Wechsel der Jahreszeiten aufgezeichnet, überzeugt »Wochenenden in der Normandie« als ein stilles Nachdenken über die Midlifekrise, über die Angst vor der Einsamkeit, vor einem Neubeginn, der als Erstes die Kraft für die Überwindung der Fremdheit abverlangt. Nur der Schluss stiehlt sich, etwas abrupt, mit einem Liebeslied aus den 30er Jahren davon, als wäre nichts gewesen. Die Melancholie allerdings, die bleibt.
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