11/2017
In diesem Heft
Tipp
18. bis 26. November, Hamburg – Die politisch turbulente Zeit zwischen der Französischen Revolution und der darauffolgenden Ära der Restauration reflektiert das Cinefest diesen November gemeinsam mit dem 30. Internationalen Filmhistorischen Kongress. Dabei wird ein Blick auf filmische Werke geworfen, die sich inhaltlich mit Kunst und Literatur dieser Epoche beschäftigen
15. bis 19. November, Köln – Das Festival für unabhängige Kurzfilme widmet sich aktuellen Trends des Schaffens studentischer und freier Filmemacher und bietet diesen eine Möglichkeit zum Diskurs. Zudem zeigt das europäisch ausgerichtete Filmfest in der Sektion »New Aesthetic« Filme, die das Leben in der digitalen Welt reflektieren
15. bis 22. November, Regensburg – Mit einer Retrospektive zur thematischen Vielfalt und progressiven Bildsprache des deutschen Nachkriegskinos geht das von Studierenden ausgerichtete Filmfestival in die neunte Runde. Weiterhin ist eine Hommage an den deutschen Schauspieler Mario Adorf angekündigt, der auch selbst zur Veranstaltung erscheint
9. bis 19. November, Mannheim, Heidelberg – Deutschlands zweitältestes Festival bietet eine Plattform für talentierte und visionäre Newcomer-Regisseure, die national und international noch weitestgehend unbekannt sind. Jährlich werden 30 bis 40 Premieren vorgestellt, dazu gibt es ein Rahmenprogramm
7. bis 12. November, Cottbus – Das Filmfestival Cottbus ist ein führendes Festival des mittel- und osteuropäischen Films und vergibt in mehreren Kategorien die begehrte Preisstatue »LUBINA«. Für den U18-Filmwettbewerb, der das Leben Jugendlicher in Deutschland, Polen und der tschechischen Republik beleuchtet, sind bereits Filme mit vielfältigem Themenspektrum, wie Selbstbestimmung und Liebe in digitalen Sphären, angekündigt
17. bis 26. November, Wiesbaden – Sein 30-jähriges Bestehen feiert das Wiesbadener Festival für internationale, unabhängige Produktionen mit dem Länderschwerpunkt Türkei. Eröffnet wird mit der türkisch-deutsch-griechischen Koproduktion »The Gulf« von Emre Yeksan. Weitere Jubiläumshighlights sind ein humorvoll gestalteter Vortrag über die Filmkarriere von US-Präsident Donald Trump und eine lyrisch-wienerische Vertonung des Stummfilmklassikers »White Zombie« von 1932
6. bis 12. November, Duisburg – »Mittel der Wahl« lautet das diesjährige Motto des Dokumentarfilmfestivals. Dabei handelt es sich um einen mit filmischen Mitteln gestalteten künstlerischen Blick auf die Wirklichkeit. Mit dabei ist doxs!, ein Programm, das Dokumentarfilme für Kinder und Jugendliche zeigt
Der Künstler Ai Weiwei trägt Fakten, Zahlen, Zitate und Bilder zusammen zu einem Film, der keine neuen Informationen bieten, sondern die Flüchtlingskrise zugleich in ihrer Totalität und als Drama der Einzelnen darstellen will
am So., den 19.11. in Frankfurt am Main – epd-Film-Autor Ulrich Sonnenschein spricht mit Jan Henrik Stahlberg über seinen Film »Fikkefuchs«
Thema
Unsere "steile These" des Monats November
Die Ufa hat in 100 Jahren drei politische Systeme überdauert. Sie wirft einen langen Schatten. Georg Seeßlen fragt, wie viel Ufa noch heute im deutschen Film steckt
Uropas Kino lebt. Aspekte des Neo-Ufa-Stils am Beispiel neuerer Filme
Geschichte wird nicht von Einzelnen gemacht. Nicht mal von Martin Luther. Die TV-Produktion »Zwischen Himmel und Hölle« zeigt den großen Theologen als Teil eines Teams. Über Reformatoren im Film
Die Rolle der enervierend gut gelaunten Poppy in Mike Leighs »Happy-Go-Lucky« war ihr star turn. Seitdem hat sie immer wieder komische, exzentrische Parts gespielt. Aber die englische Schauspielerin Sally Hawkins kann auch ganz anders. Aktuell ist sie als eigensinnige Malerin in »Maudie« zu sehen, demnächst in der Horror-Hommage »The Shape of Water«
Blockbuster von Indie-Regisseuren drehen zu lassen, ist nicht neu. Mit dem Neuseeländer Taika Waititi hat Marvel aber einen ganz Eigenwilligen an Bord geholt
Meldung
Birgit Minichmayr, 40, geboren in Linz, eine der aufregendsten deutschsprachigen Schauspielerinnen, ist aktuell in »Animals« zu sehen und in »Untitled«
Der Wettbewerb des 65. Filmfestivals von San Sebastian überzeugte durch seine »kleinen«, alltäglichen Geschichten, aber am Ende gewann – James Franco
Das traditionsreiche Kinderfilmfestival Lucas zeigte, wie das Leben mit den Jahren immer schwerer wird. Bei den 8+-Filmen dominierte die Unterhaltung, in der Teen-Sektion dagegen ging es oft ums Überleben
Um der Überschwemmungsgefahr zu entgehen, wurde das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen auf einen späteren Termin im Jahr verschoben – und bot ein sehenswertes Programm
Filmkritik
Ein etwas dürftiges Porträt des Jazzgitarristen Django Reinhardt während der deutschen Besatzung – musikalisch hinreißend, gerät die Schilderung mit unglaubwürdigen fiktiven Figuren auf Abwege
Wackerbarths Porträt eines komplizierten Casting-Prozesses ist zugleich ein grandioses Panorama des Filmgeschäfts, das dessen alltägliche Machtkämpfe perfekt abbildet
Angela Robinsons Film ist zugleich eine Verneigung vor der Comic-Heldin als auch eine Hommage an ihren Schöpfer und die beiden Frauen in seinem Leben, die für »Wonder Woman« Patin standen
Interviews, in denen vier Berliner Juden von ihrem Überleben im Untergrund während der Nazizeit berichten, verbinden sich in »Die Unsichtbaren« stimmig mit reinszenierten Rückblenden zu einem lebendigen Zeitporträt
Das Malerporträt über Gauguins erste Südseereise ist feinfühlig inszeniert, wenn auch ein wenig unreflektiert hinsichtlich des Widerspruchs zwischen Gauguins Heilserwartung und der kolonialen Realität
Nach einem gescheiterten Banküberfall will ein Kleinkrimineller seinen Bruder aus der Haft befreien. »Good Time« ist ein rasanter, schmerzhaft-sinnloser Trip ins Nirgendwo, von Joshua und Ben Safdie klaustrophobisch inszeniert
Coming-of-Age-Geschichte, Roadmovie und ein bisschen Behinderten-Romantik: David Kross und Frederik Lau als Brüderpaar. »Simpel« ist herzzerreißend und oft sehr komisch
William Oldroyds im viktorianischen England spielende Verfilmung von Nikolai Leskows »Lady Macbeth aus Mzensk« besticht durch formale Virtuosität
Liam Neeson spielt Mark Felt, den Schlüssel-Informanten der Watergate-Affäre, als zerrissenen Patrioten. Regisseur Peter Landesmann liefert Innenansichten von Washington, in denen demokratische Ideale weniger zählen als Machterhalt: »The Secret Man«
Der letzte, durch Monika Willi aus dem Nachlass von Michael Glawogger realisierte Film »Untitled« ist eine großartige Abschiedsgeste und ein intensives Tribut
Charmant rotzige Coming-of-Age-Geschichte eines weißen, übergewichtigen Mädchens aus New Jersey, das sich als »Patti Cake$« zusammen mit zwei Underdog-Kumpels gegen alle Widrigkeiten in der schwarzen Rap-Welt behaupten will
Opulentes Historiendrama über die Affäre des russischen Zaren Nikolaus II. (großartig: Lars Eidinger) mit einer Ballerina. »Mathilde« ist konventionell erzählt und doch packend
Die doppelbödige Geschichte über einen Star-Literaten, der in sein Heimatdorf zurückkehrt, erweist sich als packende Reflexion über das Geheimnis der Kreativität: »Der Nobelpreisträger«
Szenen aus dem Kleingarten der 70er Jahre: »Sommerhäuser« ist ein flirrend heißer Sommerfilm, in dem Aktionen und Emotionen verlangsamt werden, bis es zur Katastrophe kommt
Der kurdische Regisseur Bahman Ghobadi ließ seinen Film »Life on the border« von Flüchtlingskindern drehen. Daraus ist ein poetisches Dokumentarwerk über Gräueltaten des Krieges und vorschnelles Erwachsenwerden entstanden
Akin widmet sich dem Thema NSU-Morde allein aus der Perspektive einer Opferangehörigen, vertritt diese reduzierte Herangehensweise in »Aus dem Nichts« jedoch mit großer emotionaler und filmemacherischer Klarheit
»Silly – Frei von Angst« kommt als von Sympathie getragene, aber oberflächliche Tourdokumentation daher, die interessante Spannungen zwischen den Musikern höchstens antippt, nicht erzählt
Hommage an den Avantgardekünstler und Sehmaschinen-Sammler Werner Nekes, die leider Lücken aufweist, besonders was die Zusammenarbeit mit Dore O. angeht
Filmisch mangelhafte Dokumentation eines spannenden Projekts: Der Filmemacher Milo Rau verknüpft Ausschnitte des von ihm initiierten Kongo-Tribunals mit Interviews und Außenaufnahmen
Ai Weiwei collagiert in »Human Flow« Szenen und Fakten zur Flüchtlingsfrage zu einem globalen Krisenbild, das zur Empathie mit allen aufruft
Die Rekapitulation des legendären Geschlechterwettkampfs auf dem Tennisplatz lebt von der Mischung aus schrägem Humor, liebevoller Milieuzeichnung und feinem Gespür für die Absurdität zwischenmenschlicher Beziehungen: »Battle of the Sexes«
Ein durch Burnout aus der Bahn geworfener Angestellter gerät zwischen die Fronten von Geheimdienst und der Organisation eines rechtsgerichteten Präsidentschaftskandidaten. »Operation Duval« ist ein eindrucksvoll erzählter Politthriller, der sich ganz auf seine Hauptfigur (überzeugend: Francois Cluzet) konzentriert
Die Kinofassung der vieldiskutierten Videoinstallation »Manifesto« von Julian Rosefeldt aus dem Jahr 2015: Mini-Narrative, die ein Dutzend Mal Cate Blanchett als unvermutetes Sprachrohr des Aufruhrs in je überraschendem Kontext zeigen. Konzeptkunst als spielerische Auseinandersetzung mit tiefernsten Motiven. Riskant, geglückt
George Clooney verfilmt ein Coen-Drehbuch über einen Familienvater, der sich fatal in seinen kriminellen Masterplan verstrickt. Gut gespielt und fotografiert, mangelt es »Suburbicon« an Originalität
Geschlechterkampf als Mediensatire: der provozierende Low-Budget Film »Fikkefuchs« von Jan Henrik Stahlberg überschreitet Grenzen. Nicht nur die des guten Geschmacks, sondern auch die aseptischer Filmproduktion
Die Adaption des Romans »Die Lebenden reparieren« von Maylis de Kerangal erzählt vielstimmig von den Konsequenzen, die eine Organspende für das Leben der betroffenen Familien hat
Die Rassenunruhen im Detroit des Sommers 1967 bilden den Hintergrund für Kathryn Bigelows akribische Rekonstruktion eines Polizei-Exzesses. Handwerklich brillant, voller Wut, doch auch mit Zwischentönen
In einem Urlaubsresort absolvieren SoldatInnen ein »Dekompressions-Camp«. Eine hässliche Eskalation, die die strukturelle Gewalt der Institution Militär bloß legt: »Die Welt sehen«
Ein langsamer Film über einen Mann, der überraschend entlassen und damit vollständig aus der Bahn geworfen wird. Ein Film, der die Verweigerung »Jetzt nicht« in jede Szene trägt
Die originelle Culture-Clash-RomCom »The Big Sick« erzählt angenehm unaufgeregt vom Kennen- und Liebenlernen eines pakistanisch-stämmigen Comedians und einer amerikanischen Studentin
Ein Animationsfilm für Erwachsene über sexuelle Unterdrückung und Heuchelei im heutigen Iran. »Teheran Tabu« ist beklemmend, poetisch und zuweilen plakativ
Ein Mindgame-Movie voll surrealer Szenen einer Ehe: Birgit Minichmayr und Philipp Hochmair überzeugen als kriselndes Paar, das in den Mahlstrom einer verworrenen Eifersuchtsgeschichte gezogen wird
Die großen Zeiten von Kleidung »Made in India« sind bei uns vorbei. Dass Teile der Textilproduktion immer noch wie in den 60er-Jahren funktionieren, zeigt »Machines« mit starken Bildern von metaphorischer Qualität
Gelungene Komödie um einen 56-jähriger Träumer: Nachdem ein Schweizer Gymnasiallehrer Geld seiner Schule bei einer Wette verloren hat, organisiert er ein Ausbildungscamp für »Flitzer«
Start: 31.10.2017 – In dieser gelungenen Fortsetzung der »Thor«-Saga werden phantasievoll gestaltete Welten und bombastische Spezialeffekte nur von einem übertroffen: einer witzigen, augenzwinkernden Inszenierung, die den letzten Respekt vor Superhelden ablegt
Berührender Liebesfilm zwischen einem Jungbauern aus Yorkshire und einem sanften Saisonarbeiter aus Rumänien, ein Essay über Landschaften und Körperlichkeit: das alles ist Francis Lees Debüt »God's Own Country«. Queer Cinema at it's best
Aisling Walsh konzentriert sich in ihrem Spielfilm »Maudie« über die kanadische Folk-Künstlerin Maud Lewis ganz auf ihre beiden Hauptdarsteller Sally Hawkins und Ethan Hawke, die wahrhaft sensationell sind
Philipp Hartmann befragt in 30 Programm- und kommunalen Kinos die Kinomacher zu Gegenwart und Zukunft der Branche. »66 Kinos« ist Pflicht für alle, die noch gerne ins Kino gehen
30 Filmjahre nach dem ersten Film geht ein neuer Blade Runner, stark gespielt von Ryan Gosling, auf Replikantenjagd und kommt einem Geheimnis auf die Spur, das die ganze futuristische Weltordnung ins Wanken bringen könnte. Voller überraschender, tatsächlich funktionierender Twists und mindestens so ernsthaft und seriös wie das Original. Ein Arthouse-Blockbuster, wie es sie nur einmal alle 35 Jahre gibt