Kritik zu Jetzt. Nicht.
Ein langsamer Film über einen Mann, der überraschend entlassen und damit vollständig aus der Bahn geworfen wird
Es ist schon von Bedeutung, den Titel genau zu lesen. »Jetzt. Nicht.« steht da wie ein pathologischer Gegensatz. Jetzt, das ist Leben, Bewegung, Gegenwärtigkeit. Nicht ist die Verneinung all dessen, ein toter Raum, in dem sich nichts mehr entwickeln kann. In den Begriffen gehen Welten unter, die der Freiheit und der finanziellen Selbstbestimmtheit.
Mit der Entlassung aus dem gewinnbringenden Job verschwindet auch Walters (Godehard Giese) Existenz. Er ist 45, zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen, zu alt, um noch einmal von vorne anzufangen. Dass seine Frau erfolgreich in einem Verlag arbeitet, löst zwar die unmittelbaren finanziellen Probleme, macht aber die eigene Positionsbestimmung nur noch schwieriger. Walter dreht durch. Erst die Räder seines Dienstwagens, mit dem er Staub aufwirbelnde Kreise zieht und ihn dann theatralisch in einem See versenkt, dann höchstpersönlich. Er taucht ab, übernimmt kurzfristig die Identität eines Toten und kehrt dann nach Hause zurück, als wäre alles nur ein kleiner Betriebsausflug gewesen. Die Arbeitswelt vergisst ihre Protagonisten nicht und ein neuer Job steht schon bereit. Außer Spesen nichts gewesen?
Man könnte den Titel aber auch anders lesen. Als Betonung der Absage an jede Aktion. Jetzt gerade nicht. So wie der ganze Film bleibt jede Handlung, die Walter vollzieht, auf merkwürdige Weise konsequenzlos. Schon bei dem Entlassungsgespräch hört er gar nicht mehr zu, sondern reißt die Blätter von der Zimmerpflanze. Es passiert nichts. Er dringt in das Verlagsgebäude ein und verprügelt den Chef seiner Frau. Nichts. Er versenkt den Dienstwagen. Nichts geschieht. Er übernimmt Auto, Jacke und Identität eines Toten. Nichts verfolgt ihn. Er bewirbt sich in einer Farce um dessen Job und geht, bevor es zu einer Entscheidung kommt. Er tanzt eine Nacht lang und die Partnerin verschwindet. Egal was er tut, die Zeit scheint ihm zu sagen: jetzt nicht. Die leerlaufenden Kreisbewegungen, die der Film sinnfällig aneinander reiht, stehen für das Ganze, für die Trostlosigkeit, die bleibt, wenn die Geschäftswelt in all ihrer verlogenen Irrealität zu existieren aufhört. In den Sphären, in denen der Beruf alles und das Individuelle nichts ist, wird die Leere, die sich bei einer Entlassung auftut, zum absurden Theater. Es geht nicht ums Überleben, der Wohlstand ist auf einem Niveau gesichert, das nur wenige erreichen. Doch nun muss sich Walter die Sinnfrage stellen. Und die Antwort bleibt er sich auch noch schuldig, als ein Wiedereintritt in die Geschäftswelt möglich erscheint.
So stimmig, so intelligent gedacht. Doch der Film selbst hat etwas Retortenhaftes. Grau ist die Stimmung dieser wenigen Tage, die die Handlung umfasst. Langsam schiebt sie sich von Bild zu Bild und in dem beabsichtigten Verzicht auf dramatische Steigerungen verliert sich das Interesse an den Figuren. Etwas leblos sind sie ohnehin, selbst beim Sex. Sie wirken wie ein Versuchsensemble zur Darstellung menschlicher Verlorenheit. Emotionen sind auf das Minimum reduziert, der Ausdruck bleibt starr. Darin allerdings ist Godehard Giese sehr überzeugend.
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