Kritik zu Lady Macbeth

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William Oldroyd verlegt das Geschehen aus Nikolai Leskows berühmter Novelle aus dem zaristischen Russland ins viktorianische England, kühlt das Erzählklima aber weiter ab zu einer eisigen Analyse eines perversen Systems

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Gleich mehrmals wird die junge Katherine (Florence Pugh) gefragt, ob ihr nicht zu kalt sei. Was bei ihrer Bediensteten Anna durchaus noch einen fürsorglichen Klang hat, wird bei ihrem deutlich älteren Mann Alexander zu einem Mittel der Bevormundung. Kontrolle maskiert sich als Sorge und bekommt dadurch noch einen perfideren Anstrich. Nur kann physische Kälte der Frau mit dem fast schon puppenhaft herzförmigen Gesicht und den langen, in der Mitte gescheitelten schwarzen Haaren nichts anhaben. Sie liebt das raue Klima im Norden Englands und würde bei jeder Gelegenheit die Fenster des düsteren Hauses aufreißen. Die emotionale Kälte, mit der ihr Alexander und dessen Vater Boris begegnen, setzt ihr mehr zu. Schon am Abend ihrer Hochzeit muss Katherine erkennen, dass diese Ehe für sie zu einem Grab wird. Alexander befiehlt ihr zwar, sich nackt auszuziehen, verweigert sich ihr dann aber. Und Boris macht von Anfang an keinen Hehl daraus, dass er sie wie ein Stück Vieh gekauft hat, damit sie ihm einen Enkel schenkt.

Mit einer geradezu schneidenden Kälte und Klarheit zeichnet William Oldroyd in seinem Spielfilmdebüt, einer ins viktorianische England verlegten Verfilmung von Nikolai Leskows Novelle »Lady Macbeth aus Mzensk«, das Bild einer pervertierten Gesellschaft. Die starren patriarchalen Strukturen der viktorianischen Ära deformieren letztlich Oldroyds gesamtes Figurenensemble. Paul Hiltons Alexander ist ein Monster der Schwäche. Die Gier und die Unbeugsamkeit seines Vaters Boris (Christopher Fairbank) haben ihn innerlich verkrüppelt. Er kennt nur die Macht des Geldes, und die ist praktisch grenzenlos. Also demütigt er die ihm aufgezwungene Frau und zeigt ihr so seine Verachtung. Die Gewalt pflanzt sich systematisch fort. So wie sie von Boris und Alexander behandelt wird, geht Katherine wiederum mit Anna (Naomie Ackie), der schwarzen Hausangestellten, um. Selbst Katherines hemmungslose Affäre mit dem farbigen Stallburschen Sebastian (Cosmo Jarvis) ist kein Akt der Befreiung. Ihr sexuelles Erwachen verschiebt nur die Machtverhältnisse im Haus.

Oldroyds Verfilmung ist härter und um einiges eisiger als Leskows Novelle. Florence Pughs Lady Macbeth wird nicht mehr von Visionen geplagt, und sie droht auch nicht wahnsinnig zu werden. Ihre Morde haben Methode und sind im Rahmen der gesellschaftlichen Verhältnisse konsequent. Und genau diese tödliche Konsequenz, diese Pervertierung von Bertolt Brechts revolutionärer Einsicht »Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht«, macht sich Oldroyd zu eigen. Die rigiden Symmetrien der Einstellungen und die schon chirurgische Präzision der Filmschnitte, die die Gewalt auf der formalen Ebene erfahrbar macht, greifen die Mechanismen des zerstörerischen Systems auf, das »Lady Macbeth« porträtiert. Die analytische Schärfe der Inszenierung und Florence ­Pughs Spiel, das Emotionen höchstens erahnen lässt, verleihen Oldroyds Debüt eine opake Brillanz, die einem Bewunderung abnötigt, einen aber auch kalt lässt. Katherine mag nicht frieren, das Publikum jedoch schon.

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