Kritik zu Silly – Frei von Angst

© Arsenal Filmverleih

2017
Original-Titel: 
Silly – Frei von Angst
Filmstart in Deutschland: 
16.11.2017
M: 
L: 
113 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Der lärmige, leere Tourbusbetrieb: Sven Halfar porträtiert die Musikband Silly im Wechselbad aus Konzertaufnahmen und Backstagegesprächen

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Das erste Rätsel, das Sven Halfars Dokumentarfilm »Silly – Frei von Angst« aufgibt, ist seine Länge. 114 Minuten dauert das Porträt der Musikband. Aber schon während man den Film sieht, verliert man das Gespür für die Orientierung, das einem in solchen Erzählungen für gewöhnlich der dramatische Bogen sichert: »Silly – Frei von Angst« könnte genauso gut zwanzig Minuten dauern, sechzig oder hundertachtzig.

Denn sein Bauprinzip ist schiere Addi­tion. Den groben Rahmen stiftet eine Tournee der Band, darin geht es die ganze Zeit aber nur um das Wechselspiel von emotional wuchtigen Konzertausschnitten und privat anmutenden Backstagegesprächen. Als Schnittbilder zwischen dem Konzert-Backstage-Hin-und-Her dienen Rollkofferaufnahmen, Tourbusinspektionen, Ankünfte an neuen Spielorten. Diese überschaubare Grammatik ist für die Tour-Doku als Sub­genre des Musikfilms nicht ungewöhnlich. Sie erfüllt ihren Zweck als hübsch aufgemachte DVD, die man in den Jahren zu Weihnachten auf den Markt werfen kann, in denen kein neues Album erscheint. Daraus folgt aber das zweite Rätsel von »Silly – Frei von Angst«: Wieso muss ein Film, der nichts weiter will, als Fangefühlen Anlass zur Rührung zur verschaffen, vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert werden? Die dritte und größte ist allerdings die Frage: Warum interessiert sich der Film so wenig für den Gegenstand seiner Erzählung?

Vor zehn Jahren kam Peter Kahanes Dokumentarfilm »Tamara« heraus, der die 1996 verstorbene Silly-Sängerin Tamara Danz würdigte – eine nicht nur wegen ihrer gewaltigen Haarpracht emblematische Figur der späten DDR- und frühen Vereinigungsjahre. Aus der Erinnerung an Danz trat ein Drama hervor, dessen Stoff Potenzial für ­eine Tragödie gehabt hätte: Wie innerhalb der Band der später hinzugekommene Gitarrist Uwe Hassbecker den Keyboarder Rüdiger »Ritchie« Barton als Mann an der Seite von Danz ersetzte und die Band trotzdem nicht zerbrach.

Diese Verwicklung gehört heute zur Geschichte von Silly, aber eine Erzählung findet der Film dafür nicht; man meint lediglich zu spüren, dass die Verletzung bei Barton eingewandert ist in ein tendenziell opponentes, manchmal vielleicht sogar passiv-aggressives Verhalten gegenüber den anderen.

Der andere zentrale Punkt der Bandgeschichte ist die Rückkehr zum Erfolg mit der Schauspielerin Anna Loos als Sängerin seit 2007. Loos, die im Film die dauerwitzelnden Männer ständig an Proben, Absprachen, Arbeit erinnert, muss sich wiederum gegen die Tamara-Danz-Verehrung entwerfen, die gleichzeitig Fundament der Bandhistorie ist. Sie kann nicht das Danz-Porträt abhängen wie weiland Erich Honecker die Walter-Ulbricht-Bilder – auch wenn Silly heute etwas anderes ist, als die Band in ihrer großen Zeit um 1989 war.

Diese Ambivalenzen herauszuarbeiten, statt sie in kurzen Statements zwischen Bühne und Tourbus zu benennen, gelingt Halfars Dokumentarfilm nicht. Auch weil er keinen Sinn für Geschichte hat, sondern sich im lärmenden, aber leeren Immer-was-Los einer Tour gefällt.

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