Kritik zu Das Kongo Tribunal

© Real Fiction Filmverleih

Milo Rau dokumentiert sein eigenes soziales Medienprojekt, in dem er mit einer Mischung aus Theater, Politik und journalistischer Ermittlung den Fragen nach Ausbeutung und Unterdrückung im Kongo nachgeht

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Im Jahr 2015 verwirklichte der Schweizer Regisseur und Aktivist Milo Rau ein gewaltiges Projekt: Ein symbolisches Tribunal besetzt mit Experten, Juristen und Journalisten sollte dem Elend, unter dem das afrikanische Land Kongo seit Jahrzehnten leidet, anhand von drei konkreten Beispielen auf den Grund gehen. Im Zentrum standen dabei vor allem die für das an Bodenschätzen reiche Land wichtige Bergbauindustrie; den dort beteiligten Großkonzernen warf man vor, mit neokolonialen Methoden Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen zu schüren, die nicht selten zu grauenhaften Massakern führen. Als »Zeugen« dieser Praktiken hörte man sowohl betroffene Bauern und Minenarbeiter als auch Konzernfunktionäre und regionale Politiker an.  

Ein zweifellos hochspannendes Projekt hat Rau so ins Leben gerufen, das an Aspekten des Kolonialismus ebenso rührt wie an neoliberalen Herrschaftsformen. Hier aber soll es um die filmische Dokumentation dieser Vorgänge gehen – ebenfalls von Rau geleitet – und die weist leider deutliche Mängel auf. Das erste große Problem des Films ist eine nur schwer zu durchdringende Struktur. Es mag formell sicherlich nicht die eleganteste Lösung sein, aber selbst eine simple Texttafel zu Beginn des Films, die kurz über die Hintergründe des Vorhabens informiert, wäre hilfreich gewesen. Stattdessen wirft »Das Kongo Tribunal« seine Zuschauer mehr oder weniger unvermittelt in eine Szene hinein, ohne den Kontext zu erklären. So bleibt ohne das nötige Vorwissen erst einmal völlig unklar, wer diese Anhörung initiiert hat, zu welchem Zweck und unter welchen Bedingungen.

Raus Film wechselt nun, mit den drei verhandelten Fällen als losem Erzählhintergrund, zwischen den Szenen im Tribunal (und innerhalb dieser auch zwischen den Sitzungen im Kongo selbst und der später stattgefundenen Fortsetzung in Berlin) sowie Außenszenen, etwa am Tatort eines der Massaker oder auf dem Gelände einer Bergbaufirma. Dabei entstehen faszinierende und erschütternde Interviews mit den Mitgliedern einer paramilitärischen Widerstandsgruppe. Und auch die Aussagen der betroffenen Arbeiter sowie die teilweise unvorstellbar zynischen Unschuldsbeteuerungen der Politiker sind erhellend. Einen so unmittelbaren Blick in die gesellschaftlichen Zusammenhänge eines afrikanischen Landes transportieren Medienberichte hierzulande nur selten.

Es wirkt aber, als wäre Rau mit der Fülle seines Materials überfordert gewesen. Der Zusammenschnitt wirkt zwischenzeitlich beinahe willkürlich. Dass er sich selbst als Koordinator des »Kongo Tribunals« auch mit in den Film einbezieht, ist grundsätzlich verständlich, es hätte allerdings einer gewissen Klarstellung seiner Rolle bedurft; nur einmal während eines Radiointerviews erfährt man kurz etwas über seine Motivation und die Entstehungsgeschichte seiner Idee. Möglicherweise ist ein klassischer Dokumentarfilm aber auch einfach das falsche Medium für die Aufbereitung dieses umfangreichen Mischprojektes aus Theater, Politik und sozialem Engagement.

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