Kritik zu Suburbicon
George Clooney verfilmt ein altes Drehbuch der Coen-Brüder, mit Matt Damon in der Hauptrolle: Ein makabres Gaunerstück, angesiedelt in einer US-Vorstadt des Jahres 1959
Eines muss man George Clooneys neuem Film »Suburbicon« lassen: Er bringt seine beiden zentralen Motive auf schöne Weise in Einklang. Einerseits sieht er für das Leben im titelgebenden Vorstadtmikrokosmos des Jahres 1959, einer am Reißbrett entworfenen amerikanischen Idylle, die so artifiziell wie ihr Name ist. Es steckt aber auch die betrügerische Gaunerei darin, der »Con«, der diese teuer erkaufte heile Welt zum Implodieren bringen wird. Betrüger und Betrogene sind so ziemlich alle in diesem Film. Das beginnt bei dem Familienvater Gardner Lodge (Matt Damon), der scheinbar nur einen brutalen Überfall auf sein Haus und den Tod seiner Frau (Julianne Moore) als Grundlage für eine finanzielle Sanierung nutzen möchte. Natürlich funktioniert das nicht so reibungslos wie geplant, und bald sitzen ihm zwei Verbrecher, die Polizei und ein korrupter Versicherungsdetektiv im Nacken. Zunehmend in die Enge getrieben entwickelt Gardner eine verblüffende Skrupellosigkeit.
»Suburbicon« entstand nach einem frühen Drehbuch von Joel und Ethan Coen, und die Geschichte wirkt heute wie eine Vorstudie zu einigen ihrer späteren Filme. Das hat einen gewissen cinephilen Charme, birgt aber auch ein Problem: Alles kommt einem bekannt vor. Gardner Lodge etwa ist ein klassischer Coen-Protagonist, ein Kleinbürger mit großen Träumen, der sich immer mehr in seinen windigen Plänen verstrickt. Aber so überzeugend Matt Damon diesen Mann auch spielt, als schmallippig-repressiven Vorstadtsoziopathen, so unoriginell wirkt dieser Charaktertyp mittlerweile. Zu oft haben wir ihn in Variationen schon gesehen, zuletzt verkörpert von Martin Freeman in der ersten Staffel der »Fargo«-Serie, bei der es gut funktionierte, weil er in eine detailreiche Geschichte und ein sorgfältig ausgearbeitetes Kleinstadtmilieu eingebunden war. Gardner Lodge wirkt dagegen wie ein Klischee, weil wir jenseits seines kriminellen Dilemmas praktisch nichts über ihn erfahren. Auch sein Arbeitsplatz und sein Lebensumfeld muten wie ein Sammelsurium vertrauter Coen-Motive an. Ein bisschen »The Hudsucker Proxy«, ein guter Schuss »A Serious Man« und viel »Fargo«. Clooneys cartooneske Inszenierung – besonders evident bei den Nebenfiguren – wirkt aber auch deshalb deplatziert, weil Suburbicon gar keine Komödie oder Farce sein will, sondern eher den Neo-Noir-Fatalismus von »Blood Simple« imitiert.
Wie überzeichnet wirkt auch die Nebenhandlung, in der eine afroamerikanische Familie, die neu nach Suburbicon zieht, von den ausschließlich weißen Bewohnern brutal angefeindet wird. Diese Szenen sind hysterisch, beinahe surreal, gehen letztlich aber nicht über Klischeebilder von feisten Rassisten und würdevollen Schwarzen hinaus. Produktionsberichten zufolge wurde dieser Handlungsstrang von Clooney entwickelt. Das Thema ist vor allem gut gemeint, aber eine sinnstiftende Verflechtung mit der eigentlichen Geschichte gelingt ihm nicht. Vielmehr wirkt das Rassismusthema wie der Versuch, den Film einerseits in einer konkreten Ära zu verorten und ihm zugleich einen zeitlos-politischen Bezug zu geben.
Es mag Absicht oder unfreiwillige Ironie sein, dass wir für die randständige schwarze Familie mehr Sympathien entwickeln als für die zentralen Figuren. Oder anders herum gesagt: In »Suburbicon« gibt es niemanden, der als moralischer Angelpunkt durch die finstere Kriminalgeschichte führt, wie noch Frances McDormand in »Fargo«. Gardners junger Sohn ist dafür zu passiv, sein jovialer Schwager zu flach. Anders als die Coens entwickelt Clooney nicht einmal moralische Ambivalenzen zu den Plänen seiner Hauptfigur. Man gewinnt den Eindruck, dass er sich für die Menschen nicht wirklich interessiert, dass es ihm lediglich um die knarzenden Mechanismen des Plots geht. In »Suburbicon« tun unsympathische Menschen sich abstoßende Dinge an (oder versuchen es). Das ist für eine Weile amüsant anzusehen. Für einen wirklich guten Film ist es ein bisschen wenig.
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