Kritik zu Professor Marston & The Wonder Women
»Origin Story« der anderen Art: Angela Robinson ehrt in ihrem Film sowohl den Schöpfer der Comicfigur Wonder Woman als auch die beiden Frauen, die für sie Patin standen
Eine der großen Erfolgsgeschichten, die das Kino in diesem Jahr schrieb, war die von »Wonder Woman«. Es scheint nur logisch, dass diesem Erfolg kurz vor Jahresende nun noch eine Art Fußnote zuteil wird. Womit nicht das nächste Superhelden-Aufeinandertreffen »Justice League« gemeint ist, bei dem Wonder Woman natürlich auch ihre Rolle spielt, sondern die Independent-Produktion »Professor Marston & The Wonder Women«, die von der Entstehung der Comicvorlage erzählt.
In der Version von Regisseurin Angela Robinson geht diese – im Großen und Ganzen wahre – Geschichte wie folgt. Professor William Moulton Marston (Luke Evans) unterrichtet in den späten 1930er Jahren in Cambridge junge Frauen in Psychologie, mit einem besonderen Fokus auf der von ihm selbst entwickelten DISC-Theorie, die sich mit Dominanz und Unterwerfung befasst. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Elizabeth (Rebecca Hall, eine Klasse für sich), deren Psychologenkarriere von den patriarchalen Uni-Strukturen beschnitten wird, erforscht er menschliche Verhaltensmuster und entwickelt unter anderem einen Prototyp des Lügendetektors. Als die Studentin Olive (Bella Heathcote), nur auf den ersten Blick unbedarfte Tochter aus intellektuell-feministischem Hause, ihre Assistentin wird, stehen bei den Marstons auch privat die Zeichen auf Experiment. Bald führen die drei eine bemerkenswert gleichberechtigte Dreierbeziehung, Kinder inklusive. Und als das Trio dann auch noch mit Bondage, S/M und Kostümierungen in Berührung kommt, lässt sich Marston von den beiden Frauen in seinem Leben zur heute längst legendären Comic-Heldin inspirieren. »Wonder Woman« ist geboren – und feiert sensationelle Erfolge. Bis es aufgrund der sexuellen Untertöne und des matriarchalen Gedankenguts zum konservativen Backlash kommt.
Wer noch nie etwas gehört hat von den Ursprüngen dieser Superheldin, kommt in »Professor Marston« nicht heraus aus dem Staunen, so ungewöhnlich ist die Geschichte, die Robinson selbst in Drehbuchform gebracht hat. Geschickt verquickt sie dabei das Privatleben ihrer drei Protagonisten mit den visuellen wie thematischen Inhalten der Comics. Nicht alles scheint gelungen: der Score von Tom Howe etwa ist arg penetrant, der Tonfall zwischen Tragik und Humor bisweilen ein wenig unausgegoren und insgesamt hätten die beiden Frauen durchaus noch ein wenig mehr im Fokus der Regisseurin stehen dürfen.
Insgesamt aber ist es eine echte Freude zu sehen, mit welch ansteckender Leidenschaft Robinson in »Professor Marston« vieles feiert, was im amerikanischen Mainstreamkino ausgeblendet wird: Sex im Allgemeinen und Fetisch im Speziellen, das Anderssein und die Relevanz psychologischer Forschungen, aber nicht zuletzt eben auch unkonventionelle, starke Frauen. Dass dazu dann auch noch ein Mann kommt, der im Brustton der Überzeugung und gänzlich unironisch von sich behauptet, er sei Feminist, ist das Sahnehäubchen.
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