09/2015
In diesem Heft
Tipp
Bereits zum 38. Mal präsentiert LUCAS ein kunterbuntes Filmangebot für Kids und Junggebliebene. Das Rahmenprogramm legt außerdem Wert auf die Vermittlung von Medienkompetenz
24. September bis 4. Oktober, Zürich – Nach nur etwa einem Jahrzehnt hat sich das ZFF zu einem Publikumsmagneten der europäischen Szene gemausert. Ein Auge sollte man hier vor allem auf den Wettbewerb werfen, denn dort werden nur Filme von Regietalenten zugelassen, die noch am Anfang ihres Schaffens stehen. Entsprechend widmet sich die Sektion »Neue Welt Sicht« dieses Jahr den Werken iranischer Newcomer
Neben dem zurückgenommen und überraschend seelenvoll aufspielenden Arnold Schwarzenegger ist auch die visuelle Gestaltung des Films bemerkenswert
Afrika aus erster Hand – Der kenianische »Veve« ist ein spannender Thriller, wie er sich auch in Lateinamerika oder in der Bronx abspielen könnte
Aus der Computersteinzeit: Nach »Mad Men« und »Breaking Bad« ist auch diese Serie des US Kabelsenders AMC wirklich originell
Haiti nach der Katastrophe: In seinem kammerspielartigen Beziehungsdrama befasst sich Raoul Peck mit den sozialen und moralischen Verwerfungen der haitianischen Gesellschaft nach dem Erdbeben im Jahr 2010
Thema
Sind Bergfilme immer auch zugleich Heimatfilme? Hat das amerikanische Kino einen pragmatischeren Blick aufs Gebirge? Sind die Berge im Film heute kleiner als früher? Georg Seeßlen über die Verbindung zwischen Geopolitik, Mythos, Ästhetik und Melodrama in den Bildern von Bergen
Sein Hollywooddebüt erlebte Jesper Christensen erst mit 57 Jahren, aber seither taucht der dänische Schauspieler nicht nur in Bond-Filmen immer wieder an strategischen Stellen auf. Nun auch in Wolfgang Beckers »Ich und Kaminski«
... muss ja nichts Schlechtes sein: Am 20. September werden in Los Angeles wieder die wichtigsten Fernsehpreise der USA verliehen. Die Geschichte der Emmys ist eine der Irrtümer und Auslassungen
Unsere "Steile These" des Monats September
Humor made in Germany von Heinz Erhardt bis »Fack ju Göhte 2«: ist die deutsche Komödie vielleicht besser als ihr Ruf?
Die interaktive Spielmesse Gamescom in Köln hat sich zum lebhaftesten Publikumsevent der Sparte entwickelt. In diesem Jahr gab es: viel E-Sport, neue Stars, Virtual-Reality-Brillen. Und wieder lustige T-Shirts
Meldung
»Im Film folgen wir einem Kotzbrocken, weil er sich was traut«
Locarno ist mit seinen vielen Sektionen ein bisschen unübersichtlich geworden. Newcomer entdecken? Schauen, was die Säulen des Arthouse-Kinos so treiben? Oder deutsche Koproduktionen scouten?
Axel Ranisch, Jahrgang ’83, ist einer der Motoren des German Mumblecore; zu seinen Filmen gehören Dicke Mädchen, Ich fühl mich Disco und Reuber. Im September moderiert er die Verleihung der First Steps Awards, die seit 1999 in Berlin für Abschlussarbeiten an deutschsprachigen Filmhochschulen vergeben werden.
Filmkritik
Zwar justiert Nancy Meyers ihr Erfolgsrezept geringfügig und stellt statt einer Romanze die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einer jungen Geschäftsfrau und einem Rentner in den Mittelpunkt. Das Ergebnis ist aber einmal mehr das gleiche: ein bisschen zu glatt und ein bisschen zu erwartbar, dafür aber auch nie zynisch oder unsympathisch
Giuseppe Piccionis neuer Film beeindruckt einmal mehr durch unspektakuläre Inszenierung alltäglicher, aber menschlich sehr nachvollziehbarer Geschichten
Die Interview-Collage von Saskia Walker und Ralf Hechelmann ist von erfrischender Ehrlichkeit, trotzdem nie peinlich und dabei angenehm undogmatisch. Außerdem bietet der Essayfilm eine wichtige Anregung zum Überdenken mancher Gewissheiten
Als ihn die Tochter seines besten Freundes verführt, wird Laurent (Vincent Cassel) von heftigen Gewissensbissen geplagt. Ein Film über Männer in der Lebensmitte, die ihr Territorium verteidigen. Viele schöne Landschaftsaufnahmen
Der Österreicher David Rühm fügt den unermüdlichen Variationen des Vampirgenres eine durchaus amüsante, beziehungsneurotische Komödienversion hinzu
»Stella« ist ein einfühlsamer schwedischer Debütfilm um Pubertätsnöte und das Thema Bulimie mit einer großartigen jungen Darstellerin, fast hyperrealistisch dysfunktionalen Familienszenen und vielen Momenten visueller Poesie
Joseph ist in einer jüdisch israelischen Familie in Tel Aviv und Yacine in einer arabisch palästinensischen in den besetzten Westbank-Gebieten aufgewachsen: Als sich herausstellt, dass die beiden als Babys im Krankenhaus vertauscht wurden, beginnt für ihre Familien ein einfühlsamer, vielschichtiger Crashkurs in Toleranz auf vermintem Gelände
Unter der Regie von Jonathan Demme spielt Mery Streep eine abgehalfterte Rocksängerin, die sich mit ihrer entfremdeten Ex-Familie versöhnen will. Klug geschriebene und hervorragend gespielte Mischung aus Komödie und Drama
Unter den vielen Dokumentarfilmen, die sich mit der Tahrir-Revolution beschäftigen gebührt diese Würdigung der weiblichen Seite auch wegen ihrer unvoreingenommenen und geduldigen Beobachtung einen besonderen Platz
Haiti nach der Katastrophe: In seinem kammerspielartigen Beziehungsdrama befasst sich Raoul Peck mit den sozialen und moralischen Verwerfungen der haitianischen Gesellschaft nach dem Erdbeben im Jahr 2010
Fast ausschließlich in starren Einstellungen hat Sergei Loznitsa die Proteste 2013/14 auf dem Kiewer Maidan gefilmt. Dabei ist ein einzigartiges filmisches und historisches Dokument entstanden, das die Prozesse offenbart, die eine riesige Menge Menschen in eine politische Macht verwandeln
Ist Saras Verhältnis zu ihrer Lehrerin ein Coming of age oder ein Coming out? Viel enthält Anna Sofie Hartman dem Zuschauer in ihrem Langfilmdebüt vor, setzt an Stelle einer dramatischen Forcierung atmosphärische Alltagsimpressionen, in denen das Ungesagte ebenso großen Stellenwert besitzt wie das Gezeigte
Die Fotoserie, die Dennis Stock 1955 von James Dean aufnahm, wirkte an dessen Kultstatus maßgeblich mit. Anton Corbijn rekonstruiert deren Entstehung, porträtiert Dean und Stock sowie deren Welt in ausgesucht schönen Bildern. Doch nur in wenigen Momenten gelingt es ihm, über gediegenes Reenactment hinauszugehen
In Aleksej Germans wütendem, derben, gewalttätigen und dreistündigen Mittelalterfilm wirkt irgendwie die Wiener Aktionskunst fort. Man kann diesen Film nicht mögen, muss aber seinen Mut loben
Mit ihrem unbeirrbaren Pioniergeist entspricht die Abenteurerin Gertrude Bell den Anforderungen eines typischen Herzog-Helden. Doch in seiner Version eines Hollywood-Wüstenepos kann der deutsche Regisseur nach sechs Jahren Spielfilmpause weder die große Liebe zu einem Mann noch die brennende Leidenschaft für die Wüste glaubhaft vermitteln
Als Drehbuchautor hat Rick riesigen Erfolg, aber er bleibt ein Außenstehender, der selbst sein eigenes Leben nur aus der Distanz betrachtet. Terrence Malicks Kino wird immer radikaler und dabei auch immer reiner. Mehr noch als in »Tree of Life« und »To the Wonder« löst er hier jede Form von Erzählung auf. An ihre Stelle treten lyrische Bilderfolgen, die einen mal tänzelnd, mal wirbelnd auf eine andere Bewusstseinsebene führen
Klischeebeladene deutsche Komödie über sogenannte "Kleinkriminelle mit Herz" die spannend und charmant zugleich sein will, aber wenig von beidem erreicht. Vor allem der Bruch ins Tragische mißlingt und trägt zum Eindruck umfassender Unentschlossenheit des Filmes bei. Selbst Charakterstars wie Christoph Maria Herbst und Peter Kurth können den Film nicht retten
Der engagierte Provinzreporter Gary Webb findet heraus, dass unter der Reagan-Administration mit Wissen der CIA Kokain in die USA geschmuggelt wurde, um den Krieg der Contras gegen die linke Sandinisten-Regierung zu finanzieren. Was als »true story« und klassischer Journalisten-Thriller beginnt, verwandelt sich unter der Regie von Michael Cuestas in der zweiten Hälfte in eine bittere Reflexion über die Manipulationsanfälligkeit der modernen Mediengesellschaft, die kein demokratisches Happy End vorweisen kann.
Der irakisch stämmige Regisseur Samir versucht die Geschichte seiner in alle Winde verstreuten Familie vor dem Hintergrund der radikalen politischen Umwälzungen im 20. Jahrhundert zu rekonstruieren. »Iraqi Odyssey« gewährt Einblicke in die irakische Moderne der Fünfzigerjahre, die heute fast vergessen ist. Die Interviews mit seinen Verwandten schwanken angesichts der aktuellen Situation im Irak zwischen Hoffnung und Verzweiflung
Verspielte und kunstvolle Adaption von Daniel Kehlmanns gleichnamigem Roman, in der ein von Daniel Brühl herrlich widerlich gespielter Journalist die Biografie eines in Vergessenheit geratenen Malers schreiben will. »Ich und Kaminski« ist Komödienspaß auf höchstem Niveau
Für seinen Dokumentarfilm über die Folgen der globalen Finanzkrise und die Zusammenhänge von lokaler und globaler Wirtschaft sucht Regisseur Hannes Lang sieben Städte in unter anderem Bolivien, China, Thailand und Indien auf. Seine Beispiele sind auch visuell eindrucksvoll in Szene gesetzt, lassen aber Spielraum für Interpretationen
Betörender Film um das unerklärliche Verschwinden eines Menschen und die ergebnislose Suche nach ihm. Hilflos muß Gregor erkennen, das er nichts mehr tun kann und seinen eigenen Bruder viel weniger gekannt hat als er dachte. Streng subjektiv und den Zuschauer doch vereinnahmend erzählt dieser Film von den vielen kleinen Dingen, die ein Individuum ausmachen
Spannend inszenierter Rückblick auf die Anfänge der Öko-Bewegung, bei der die Greenpeace-Aktivisten allerdings etwas verklärt werden
Der Schweizer Dokumentarfilm »Segantini – Magie des Lichts« macht mit dem anarchistischen Querkopf und konservativen Kunstrevolutionär Giovanni Segantini bekannt und zeigt, dass hinter seinen monumentalen Alpen-Gemälden mehr steckt als ein touristisches Highlight
Die Idee ist ebenso gut wie notwendig. In ihrem ersten Film als Regisseurin wirbelt Audrey Dana sämtliche Klischees, die sich im Kino und den Köpfen des (männlichen) Publikums über die französische Frau festgesetzt haben, aufs Heftigste durcheinander. Wie schade nur, dass sie dabei nicht noch weiter zuspitzt und pointiert – und der episodisch erzählte Film als Sketchshow im Fernsehen vermutlich deutlich besser funktioniert hätte
Stil und Atmosphäre statt Action: Guy Ritchies nostalgischer Spionage-Thriller kommt so kapriziös, launig und atmosphärisch daher wie ein Konzept-Album aus den späten 60er Jahren
Einfühlsame Dramedy über eine Freundesgruppe in einem Jerusalemer Altersheim, die sich mit dem Thema Sterbehilfe auseinandersetzen und notgedrungen eigene Lösungen finden muss. Stark gespielt und inszeniert, weiß der Film klug und differenziert mit dem Thema umzugehen – und dass sich mit dem Tod durchaus spaßen lässt
Verfilmung des Computerspiels über einen Profikiller aus dem Genlabor: Die unoriginelle Story, die abstrusen Dialoge und die hölzernen Darsteller können auch von den teils soliden Actionszenen nicht gerettet werden
Im Stil des des direct cinema wirft Marie Wilke in ihrem Dokumentarfilm Staatsdiener sehenswerte Blicke hinter die Kulissen der Polizeiausbildung
Das große Fest zum 45. Hochzeitstag steht bevor, da erreicht eine Nachricht das alte Ehepaar Kate und Geoff, die nach und nach ihre ganze Beziehung in Frage stellt. Charlotte Rampling und Tom Courtenay machen diese Geschichte vom Einbruch der Vergangenheit in die Gegenwart zu großem Schauspielerkino, Regisseur Andrew Haigh mit seiner assoziationsreichen, in jedem Detail stimmigen Inszenierung zu einem eindrucksvollen Kunstwerk
Neuauflage der Komödienreihe um die Familie Griswold (vier Kinofilme zwischen 1983 und 1997), in gewisser Weise ein Remake des ersten Films, denn diesmal versucht Familienvater Rusty seine Familie in den Vergnügungspark »Walley World« zu bringen, wie einst sein Vater ihn. Mit Ed Helms in der Rolle, die damals Chevy Chase populär machte, und Christina Applegate als dessen Ehefrau hat der Film zwar eine ansprechende Besetzung, aber der Humor ist ziemlich uneinheitlich, reicht von zotig bis liebenswert
Ein im positiven Sinne altmodisches Reboot von Marvels ältestem Superhelden-Team, das seinen Schwerpunkt auf die Figurenexposition der vier Mitglieder legt und so den naiven Charme der Comicvorlage aus den 60er Jahren ins moderne Blockbusterkino rettet
Am Anfang stand die Idee für die spektakulären Action-Szenen; das Drehbuch wurde später um sie herum konstruiert. So etwas kann gut gehen, wenn die Spannungsdramaturgie auf der Vorhersehbarkeit und dem reibungslosen Zusammenspiel von Spezialisten basiert. Christopher McQuarrie jedenfalls variiert die bewährten Motive des widerstandsfähigen Spionage-Franchise temporeich und mit lässlicher Ironie