Kritik zu Kill the Messenger
Michael Cuesta hat die wahre Geschichte des Journalisten Gary Webb verfilmt, der die Kokain- und Nicaragua-Contras-Verstrickung der CIA aufdeckte und dann eine Rufmordkampagne von Kollegenseite erleiden musste
»Manche Storys sind zu wahr, um erzählt zu werden«, warnt ein Insider in Washington den Journalisten Gary Webb (Jeremy Renner), während im Hintergrund das Capitol als stiller Beobachter zu erkennen ist. »Bullshit«, antwortet der Reporter des Lokalblattes »San Jose Mercury News«, der an die Macht der vierten Gewalt glaubt und weiß, dass dies die Story seines Lebens ist. Im Zuge eines unscheinbaren Drogendealer-Prozesses kam der Provinzberichterstatter im Jahr 1995 an geheimes Gerichtsmaterial, aus dem hervorging, dass staatliche Organe möglicherweise an Drogengeschäften im großen Stil beteiligt waren. Schon bald sitzt Gary im Flugzeug nach Nicaragua, um den inhaftierten Drogenbaron Norwin Meneses (Andy Garcia) zu besuchen, der bestätigt, dass unter der Reagan-Administration mit Wissen der CIA Kokain in die USA geschmuggelt wurde, um den Krieg der Contras gegen die linke Sandinisten-Regierung zu finanzieren. Während Reagan nach außen den »War on Drugs« propagierte, wurde mit dem Stoff aus Mittelamerika auf den Straßen von Los Angeles Ende der 80er die berüchtigte Crack-Welle ausgelöst.
Die Geschichte schlägt ein wie eine Bombe, und Webb wird vom Berufsverband zum Journalisten des Jahres gekürt. Aber damit ist Michael Cuestas »Kill the Messenger« erst in der Filmmitte angelangt. Was als klassischer Journalistenthriller im Stile von Alan J. Pakulas »Die Unbestechlichen« beginnt, verwandelt sich in der zweiten Hälfte in eine bittere Reflexion über die Dynamik und Manipulationsanfälligkeit der modernen Mediengesellschaft.
Denn der reale Fall, auf den sich Cuestas Film beruft, kann kein Happy End vorweisen. Wenige Monate nach der Veröffentlichung begannen nämlich große Zeitungen wie die »Los Angeles Times«, die »Washington Post« und die »New York Times«, sich auf den erfolgreichen Provinzjournalisten einzuschießen. Mit Hilfe freundlich zur Verfügung gestellter Geheimdienstinformationen zogen sie die Quellen in Zweifel und wühlten in Webbs Privatleben herum. Schon bald knickte auch die eigene Redaktion ein und versetzte den unliebsamen Kollegen.
Cuesta, der vor allem als Regisseur und Produzent der TV-Serien »Homeland«, »Dexter« und »Six Feet Under« seine Sporen verdient hat, inszeniert den Aufstieg und Fall des engagierten Journalisten in einem durchaus konventionellem Erzählformat. Jeremy Renner, den man seit »The Hurt Locker« nicht mehr so gut gesehen hat, spielt seine Figur nicht als eindimensionalen Helden des Wortes, sondern als sympathischen Hitzkopf, dessen Machoauftreten ihm eine gute Story, aber auch eine Menge Ärger einhandelt. Am Ende des Films steht das klassische Motiv der Preisverleihung, die hier jedoch nicht den Triumph besiegelt, sondern als schale Posse daherkommt, weil kaum ein Kollege dem in Ungnade gefallenen Journalisten Beifall spenden will. Vor dem tragischen Ende von Webbs Lebensgeschichte schreckt der Film jedoch auf der Bildebene zurück und verbannt es in die Schlusseinblendung: Am 10. Dezember 2004 wird Gary Webb in seinem Haus tot mit zwei Schüssen im Kopf aufgefunden. Für die Behörden ein klarer Fall von Selbstmord.
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