Kritik zu Therapie für einen Vampir
Ein Wiener Vampir geht zu Freud: Der Österreicher David Rühm fügt den unermüdlichen Variationen des Vampirgenres eine beziehungsneurotische Komödienversion hinzu
Das komische Potenzial der Therapiearbeit hat schon Woody Allen immer wieder aufs Neue ausgelotet. Nachdem sich inzwischen herausgestellt hat, dass auch taffe Mafiabosse wie James Gandolfinis Tony Soprano therapeutischen Beistand brauchen, eröffnet sich nun mit jahrhundertealten Vampiren eine ganz neue Klientel. Wie sollte man auch nicht verrückt werden, wenn man kein Spiegelbild hat und nach Hunderten von Ehejahren immer noch mit derselben Frau zusammenleben muss? Und da der lebensmüde und liebeskranke Vampir Graf Geza von Közsnöm – von Tobias Moretti mit verlebtem Weltschmerz und sardonischer Arroganz ausgestattet – im Wien der 30er Jahre lebt, sucht er keinen Geringeren als Sigmund Freud höchstpersönlich auf.
»Ich sagte mir, Vampire müssen wohl ein Identitätsproblem haben, weil sie sich nicht sehen können«, erläutert der österreichische Regisseur David Rühm. Ausgehend von Jacques Lacans These, dass sich der Mensch erst als Persönlichkeit wahrnimmt, wenn er sich im Spiegel erkennt, beschäftigt er sich mit den Problemen von Identität und Projektion. Die Begegnung zwischen drei Lebenden und zwei Untoten wird bei ihm zu einem Clash der Kulturen, mit dem sich allerlei reale Beziehungsprobleme ausloten lassen: Wie schafft man es, die Liebe über einen langen Zeitraum zu erhalten und den Partner so zu nehmen, wie er ist?
Der junge Maler Viktor (Dominic Oley) erschafft sich seine Freundin Lucy (Cornelia Ivancan) in seinen Gemälden nach seinen eigenen Vorstellungen und Sehnsüchten neu, um am Ende zu einer einigermaßen verwirrenden Erkenntnis zu kommen: »Jetzt will ich wieder, dass du so wirst, wie du warst, bevor ich wollte, dass du wirst, wie ich wollte, dass du bist...« Lucy hingegen tröstet sich mit dem lebensmüden Vampir, der in ihr seine verlorene Jugendliebe erkennt und ihr neue, luftige Welten eröffnet, während seine verschmähte Gattin (Jeannette Hain) verzweifelt versucht, sich ein Spiegelbild malen zu lassen. Die künstlich theatralische Welt, die sich stilistisch an den Filmen der 30er Jahre orientiert und ausschließlich vom handlungsrelevantem Personal bevölkert wird, wurde zum Schwanengesang der Wiener Filmstudios am Rosenhügel, die anschließend geschlossen wurden.
Dabei mischt Rühm die klassischen Motive und Konventionen des Vampirhorrorkinos mit Witz, Ironie und sehr viel Austria-Schmäh auf, wobei er nicht zuletzt auch von seinen Erfahrungen als Werbefilmregisseur profitiert: Die Wolfsverwandlung der Grafengattin zeigt er als Silhouette in der Nacht, das sehr blutige Steak, das der Graf im Restaurant bestellt, wird mit einer flinken Saugbewegung zu papierdünnem Fasermaterial geschrumpft, und ein herausgerissenes Herz lässt er auf dem Kopfsteinpflaster pulsieren. Und weil der Graf zu müde und gelangweilt ist, um seine Beute selbst zu reißen, erledigt das ein buckliger Gehilfe (David Bennent), der ihm wie einst Dr. Frankensteins Igor zu Diensten ist. So fügt Rühm den unermüdlichen Variationen des Vampirgenres eine durchaus amüsant, beziehungsneurotische Komödienversion hinzu.
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