01/2011

In diesem Heft

Filmkritik

Rudolf Thome dreht keine Altersfilme, sondern macht sich an jedes Werk aufs Neue mit dem Übermut eines Anfängers. »Das rote Zimmer« – die Geschichte um einen Kussforscher, der sich beim Küssen verliebt, ist trotzdem eher eine Sache für Eingeweihte
Vergnügliche Komödie um eine junge TV-Produzentin (Rachel McAdams), die eine heruntergewirtschaftete TV-Morningshow wieder zum Erfolg führen soll. Das Thema der Boulevardisierung der Nachrichten wird nicht analytisch angegangen, sondern komödiantisch-satirisch verhandelt, in Gestalt eines renommierten TV-Reporters (Harrison Ford), der sich in die Niederungen des Frühstücksfernsehens begeben soll
Vier Jahre nach »Das Leben der anderen« lässt Florian Henckel von Donnersmarck Angelina Jolie und Johnny Depp durch Venedig hetzen – und durch einen recht abstrusen Krimiplot, für den auch pittoreske Kulissen und luxuriöse Interieurs nicht entschädigen können. Donnersmarck zielt stilistisch auf die Gentleman-Gauner-Komödien von Hitchcock und Donen ab
Auch im dritten Film über die Fockers steht das angespannte Verhältnis zwischen Gaylord Focker und seinem Schwiegervater im Mittelpunkt. Breit ausgespielte Anzüglichkeiten, mit denen Regisseur Paul Weitz an seinen »American Pie«-Erstling anknüpft, machen das Werk nur bedingt familientauglich, auch insgesamt wirkt der Film eher lustlos recycelt
Der Thriller über einen Englischprofessor, der seine Frau mit allen Mitteln aus dem Gefängnis holen will, verzettelt sich trotz guter Schauspieler in einer Vielzahl von Motiven, Ungereimtheiten und teils lächerlichen Wendungen
Das Dokumentarfilmduo Robert Epstein und Jeffrey Friedman mit ihrem ersten Spielfilm, in dem James Franco Beatpoet Allen Ginsberg verkörpert. Was ihnen im Dokgenre gelang, leistet der Spielfilm nur bedingt
Ein zynischer Pharmaverteter wird durch die Liebe zu einer schwerkranken Frau zum besseren Menschen. Gut gespielt verschenkt der zwischen Satire und Melodram schwankende Film seine Themen zugunsten flacher Gags und einer schlichten Moral
Eine schwungvolle, warmherzige Komödie zum Thema Integration. Bei der Story um einen perfekten Italiener aus Algerien in Frankreich steht die Situationskomik im Vordergrund, doch auch einige satirische Hiebe auf eine weniger spaßige Wirklichkeit sitzen: »Fasten auf Italienisch«
Großartige Dokumentation über die Arbeit des Balletts der Pariser Oper. Cinema Direct-Veteran Frederick Wiseman liefert seltene Eindrücke von der Arbeit hinter den Kulissen. Kontemplativ und spannend
Ein unterhaltsamer und aufschlussreicher exemplarischer Einblick in die Untiefen des unausweichlich kommenden Fußballkommerzes am anschaulichen Beispiel der TSG-1899-Hoffenheim-Blitzkarriere
Die Sehnsucht nach Perfektion in der Kunst, die schmerzliche Transzendenz des alltäglichen Lebens und erschreckende Doppelgängermotive: Natalie Portman ist die schwärzeste und fragilste Primaballerina des Kinos in Darren Aronofsky grandiosem, düster-romantischem Ballett-Thriller
»Tron: Legacy« ist ein gigantisches Cyberspace-Epos in 3D, nach dem Kultfilm von 1982. Ein Overkill an perfekter Digitaltechnik lässt wenig Raum für Rhythmus oder filmischen Charme. Besonders monströs: wie Jeff Bridges mit seinem jungen computeranimierten Ebenbild spielt
Die tricktechnisch aufwendige Verknüpfung von computeranimierten Cartoon-Figuren und Realfilm scheitert an der uninspirierten Zeichnung der Hauptfigur
Mit seinen außergewöhnlichen Alltagsfilmen durchdringt Mike Leigh die britische Mittelschicht. Hier findet er dafür zum ersten Mal ein heiles Zentrum. Tom und Gerri sind ein zufriedenes Paar in den Fünfzigern und schauen mit großer Sympathie, aber doch hilflos zu, wie ihr Umfeld sich langsam in den gesellschaftlichen Fallstricken verfängt. Ein durch und durch warmherziger Film über den bitteren Alltag
Das mit großem Aufwand in Szene gesetzte Abenteuerspektakel, von Michael Apted bewusst konventionell und ohne inszenatorische Wagnisse bebildert, vermag nur streckenweise zu überzeugen
Stephen Frears' »Immer Drama um Tamara« kann man durch einen zweifachen literarischen Filter betrachten: Die muntere Provinzsatire beruht auf dem gefeierten graphischen Roman von Posy Simmonds, der sich wiederum an Thomas Hardys »Am grünen Rand der Welt« anlehnt. Ein sehr britischer Ensemblefilm über die Frage, was skandalös ist
Solidarisieren, mitmarschieren: Den ersten Frauenstreik der britischen Geschichte schildert Nigel Cole in »We Want Sex« als bittersüßen Klassen- und Geschlechterkampf
Nach der Überdosis an Superhelden, die in den letzten Jahren über die Leinwand geflogen sind, ist »The Green Hornet« das richtige Gegengift. Die Geschichte des verwöhnten Verlegersohnes und des geheimnisvollen chinesischen Mechanikers, die als Selfmade-Superhelden dem Verbrechen in L.A. den Kampf ansagen, lebt vor allem vom präzisen komödiantischen Timing
In teils pfiffigen, teils altklugen Statements äußern sich sieben Kinder aus verschiedenen Nationen in der Dokumentation zu den Dingen des Lebens. Das ist oft unterhaltsam, wirkt aber auf die Dauer etwas statisch
Zwischen Essay und Spielfilm bewegt sich Turanskyjs intelligenter und witziger Bericht von spätkapitalistischen Überlebenskämpfen in der Großstadt
Ein Schwindler, der im Auftrag fürsorglicher Verwandter frustrierten Frauen den Verlobten abspenstig machen soll, verliebt sich in sein Zielobjekt. »Der Auftragslover« ist eine durchwachsene Liebeskomödie mit Drehbuchschwächen, die mit Vanessa Paradis eine aparte Heldin aufweist
Inspiriert von einer realen Begebenheit, erzählt Sophie Heldman in ihrem DFFB-Abschlussfilm ebenso einfühlsam wie zurückhaltend von einem Paar, das sich nach 50 Jahren Ehe dazu entschließt, eine lange Liebe durch einen selbstbestimmten Tod zu retten
Der Regiedebütantin Massy Tadjedin allein kann man nicht anlasten, dass dieser Film nur gähnende Langeweile erzeugt, denn sie ist auch eine erprobte Drehbuchautorin, die demnächst für Spielberg arbeiten soll. Das schier endlos drehende Karussell, das auf dem Niveau eines Lifestyle-Magazins der Frage nachstellt, wer mit wem und wann, ist ganz und gar überflüssig
Der chilenische Dokumentarfilmer Luis Guzmán forscht in der Atacama-Wüste den Nachwirkungen des Pinochet-Regimes nach. Visuell betörender Dokumentarfilm, der neben seiner politischen Ebene auch eine poetische Reflexion über den Akt des Erinnerns bietet
Die einfühlsam erzählte Coming-of-Age-Story lotet mit außerordentlichen Darstellern die ganze Palette des von zwischen Depression und stiller Verzweiflung pendelnden Lebensgefühls aus, das nur Übergangsstadium ist, aber oft als Endstadium erlebt wird. Ein sensibles und bei aller Traurigkeit doch hoffnungsfrohes und einfach schönes Filmerlebnis

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